Beata Mitschelen: „Für den Bioladen schlägt mein Herz“
Mitten in Pfarrkirchen, Wimmerroß und Altes Rathaus in unmittelbarer Sichtweite, da gibt es einen Laden namens Bio Pan, seit Oktober 2021 nagelneu eröffnet, befahrbar mit dem Einkaufswagerl, befüllt mit allen Dingen für’s tägliche Leben. Nicht käuflich und dennoch zu erwerben: eine Portion soziales Miteinander in Form eines kleinen Ratschs mit anderen Kund:innen oder ein paar freundliche Worte der ebenso freundlichen Mitarbeiter:innen – wichtiger denn je in diesen Zeiten. So trägt Inhaberin Beata Mischelen mit ihrem Bioladen zu so viel bei, um die Rottaler Kleinstadt lebenswerter zu machen…
Im Januar 2019 war es, als die 41-Jährige den Bioladen von ihrer Schwiegermama Marianne übernahm. Da gab es das Geschäft schon 14 Jahre lang. Angefangen hatte Marianne mit ihrer Freundin Bine im Jahr 2005 am Stadtplatz 26, bevor der Laden ein paar Häuser weiter ins einstige Schreibwarengeschäft umzog. Vor fünf Jahren verstarb Bine und Marianne wollte nicht alleinige Herrin des gemeinsamen Ladens sein. Ob sich wohl Beata vorstellen könnte, die Sache in die Hand zu nehmen? „Ich war eine absolute Quereinsteigerin,“ erzählt sie. „Und außerdem haben wir zu dem Zeitpunkt noch in der Nähe von Erding gewohnt.“ Nach kurzen Überlegungen fühlte sich die Entscheidung grundrichtig an. Die Familie Mitschelen, bestehend aus Beata, Thomas, Sohn Quirin und Tochter Annelie zog ins Rottal, in einen Weiler nahe Nöham zu Marianne.
Ein neues Leben im Rottal
Für Beata begann ein ganz neues Leben, während sich für Thomas nicht so viel veränderte. Als freischaffender IT-ler im Medienbereich kann er von überall aus arbeiten. Die Kinder wechselten die Schule – und Beata verabschiedete sich von ihrem Sekretärinnenjob in einer Münchner Anwaltskanzlei, in der sie viele Jahre arbeitete. Kein Pendeln mit der S-Bahn mehr von Erding in Münchens Innenstadt, keine Hetzerei, um Arbeit und Privatleben unter einen Hut zu bekommen. Dafür Landluft, mehr Zeit und eine neue Aufgabe, für die sie Marianne gut vorbereitete. 2019 übernahm Beata offiziell den Bioladen, Marianne stand ihr noch unterstützend zur Seite, bis sie sich zum ersten Lockdown im Frühjahr 2020 ganz zurückzog und nun dafür gerne für die Kinder da ist.
„Ein paar Jahre zuvor hätte ich mir das nicht träumen lassen,“ gibt Beata zu. „Selbstständig zu sein und einen eigenen Laden zu haben! Vor Thomas hab ich mich nicht viel mit Bio beschäftigt.“ Und jetzt steht sie im Bio Pan, sortiert Tee in die Regale gegenüber der großen neuen Käse- und Brottheke, hinter der ihre Kolleginnen Kundschaft bedienen. Sie geht bedächtig durchs Geschäft, schaut mit prüfendem Blick das Sortiment durch, das sich nach dem Umzug nicht mal so sehr vergrößert hat, wie man meinen möchte. „Im alten Laden war einfach alles zu eng. Dadurch konnten wir die Waren nicht schön präsentieren. Es war schwierig, neue Produkte aufzunehmen,“ sagt Beata.
Neuer Laden – neue Ideen
Nun ist Platz genug da – Gemüse und Obst haben einen großen Bereich, den sie sich mit Gewürzen, Öl und Essig teilen. Gegenüber finden Getränke ihren Platz. Müsli, Tee, Wein, Haushaltsprodukte, Tiernahrung, Kosmetika befinden sich im vorderen Bereich. In einem weiteren großen Raum gibt es Nudeln, Soßen, Reis und Co, dazu Süßes und Knabberzeug. Hier plant Beata eine Unverpackt-Station. Aktuell bietet sie bereits an der großen Theke Süßes, Nüsse und Kaffee lose an. Und in einem weiteren Raum stehen die Kühltheken und Eier. Ganz vorn hat Beata Platz für Regionales geschaffen – Tee, Tassen, Bücher, Genähtes und Gestricktes bieten hier Geschenkideen und Schönes, um sich selbst eine Freude zu machen. „Im Rottal gibt es so viele Kleine, die sich was Gutes aufbauen und einander unterstützen. Das ist schön,“ freut sich Beata. Außerdem hat sie lange Zeit intensiv daran gearbeitet, einen Lieferservice aufzubauen. Einen Lebensmittel-Onlineshop aufzubauen, der in vielerlei Hinsicht regelkonform sein muss, hat Zeit gebraucht – Zeit, die sich gelohnt hat: Mittlerweile ist der Shop online – also sind sämtliche Lebensmittel nun auch auf diesem Wege zu haben.
200 Quadratmeter fasst ihr neuer Laden, die es erst mal einzurichten bedurfte. Beata schwärmt dankbar für ihr Team, zuerst für Thomas und Marianne, dann nennt sie gleich Anton Eckl, gelernter Schreiner und seit Frühjahr 2021 Mitarbeiter in ihrem Laden. Anton ist es, der nicht nur viele Regale, sondern auch das unvergleichliche Warenkarussell an der Kasse geschaffen hat, das ein gewöhnliches Förderband ganz schön fad aussehen lässt.
Durch eine gute Fügung kam Beata an die neuen Räumlichkeiten, in denen sich zuvor eine Apotheke mit Reformhaus befand. Als zu klein hatte sie das Ganze im Kopf, bis eine Bekannte auf die große Fläche aufmerksam machte, die sich noch hinter dem Verkaufsraum befand und den sie ebenfalls nutzen konnte. Dann ging alles recht schnell – innerhalb einer Woche sagte Beata zu, gleich darauf ging es ans Umbauen und Renovieren. „Zwischendurch herrschte nur Chaos. Ich dachte nicht, dass ein Rohdiamant so erleuchtet werden kann,“ sagt die Ladeninhaberin und lacht immer noch ein wenig erstaunt über das Geschaffte. „Wir haben viel wiederverwertet – alte Schränke und Regale des Reformhauses bzw. der Apotheke wurden umfunktioniert, umgebaut und finden sich nun versteckt oder offensichtlich in den neuen Räumlichkeiten ganz im Sinne von Upcycling und Nachhaltigkeit.“
„Mein Laden erfüllt mich“
Der Umzug geschah binnen wenigen Tagen, vieles auf den letzten Drücker – und doch hat alles geklappt und die Eröffnung am 6. Oktober 2021 war für alle Beteiligten ein echter Feiertag. Sichtlich stolz und mit Freudentränen in den Augen hielt Beata eine kleine Eröffnungsrede, bevor es mit der Arbeit auch schon weiterging: „Der Laden lief schon immer sehr gut, seit Corona sogar noch besser. Sonst wäre ich das Wagnis auch nicht eingegangen. Die Kund:innen freuen sich über den neuen Standort und sagen das auch. Das tut gut und bestätigt meine Entscheidung.“ Täglich bekommt Beata nun Lieferungen – über 4.500 Produkte hat sie im Sortiment.
Freundlich, offen, sich nicht wichtig nehmend – so wirkt Beata auf ihre Mitmenschen. Sie strahlt viel freundvolle Ruhe aus und dazu Ausgeglichenheit, aber das Leuchten in ihren blauen Augen verrät auch Neugierde und viel Tatendrang, was sie gern bestätigt: „Hätte ich keine Familie, würde ich rund um die Uhr arbeiten. Mein Laden erfüllt mich absolut.“ So eine Aussage wirkt ganz schön angekommen. Freilich wäre hin und wieder ein wenig mehr Zeit prächtig – eben für die Familie, aber auch mal nur für sich selbst. „Zum Lesen! Es gibt so viele tolle Bücher… Oder einfach mal zum Nichtstun,“ sagt sie mit ein wenig Sehnsucht in der Stimme.
„Es hat funktioniert“
Aufgewachsen ist Beata in Rochlitz, das zwischen Chemnitz und Leipzig liegt. Nach dem Abi fand sie es dort zu fad, wollte einfach mal weg von Daheim und ging nach Hessen, um dort die Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin zu machen. Von Hessen führte sie ihr Weg nach München, wo sie acht Jahre lang in einer Kanzlei arbeitete, um schließlich in eine andere zu wechseln. Verträge und Schriftsätze bearbeiten, das war lange Jahre ihr täglich Brot. Was für Laienohren ganz schön trocken klingt, war es das aber nicht, wie Beata sagt. Auch damals war sie schon mit einer großen Zufriedenheit gesegnet. Die aber durchaus steigerungsfähig war, als das Kennenlernen von Thomas rapide einen neuen Lebensabschnitt einläutete.
Denn das ging so, wie Beata erzählt: Kennenlernen, schwanger werden, zusammen ziehen, heiraten, Kind kriegen. In nur einem Jahr. Was andere Paare auf die Schnelle nicht verkraften, packten Beata und Thomas. „Es hat funktioniert,“ fasst sie knapp zusammen. Dennoch liegt in den drei Worten viel Freude und auch ein wenig Stolz über diese Tatsache. Bis heute versteht sich das Paar als Team, das gemeinsam stärker ist, das zusammenhilft und auch Herausforderungen meistern und auf Neues flexibel reagieren kann. So ist es Thomas, der den Großteil des Familienlebens managt, während Beata im Laden ist.
50 Sorten Käse – 80 Sorten Brot und Gebäck
Durch Thomas – und dieser wiederum durch Mama Marianne – wuchs in Beata erst ein Bewusstsein für Bio – ein Bewusstsein für Ernährung, Nachhaltigkeit, Regionalität. Das sind heute die Kriterien, die in ihrem Laden sowie in ihrem Leben zählen. „Es macht mir großen Spaß, zu schauen, was es alles gibt. Gefällt mir etwas persönlich, frage ich mich, ob es gut gehen würde und probiere dann einfach aus. Mittlerweile habe ich ein gutes Gespür dafür, was meine Kundschaft will,“ sagt Beata. Das unmittelbare Feedback der Käufer:innen bestätigt sie – und natürlich probiert sie viele Produkte auch erst mal selbst. Alles ist jedoch nicht zu schaffen, dann kosten die Angestellten. Davon hat sie aktuell zwei Hände voll – fünf arbeiten in Teilzeit, ebenso viele sind geringfügig beschäftigt.
„Bei mir werden wenig Fertigprodukte gekauft, hier machen die Leute lieber viel selbst,“ beobachtet Beata. Immer gut kommen Brot und Käse an, die nun im neuen Verkaufsbereich großartig zur Geltung kommen. Aus über 50 Sorten Käse und über 80 verschiedenen Brote und Gebäckteilchen kann der Genussmensch im Bio Pan wählen. Künftig plant Beata immer wieder neue Aktionen, ein fester Bestandteil im neuen Laden ist mittlerweile das „Rette-mich-Körbchen“, in dem Obst und Gemüse mit kleinen Schönheitsfehlern wie Flecken und Runzeln für weniger Geld angeboten wird. Mit ihrem eigenen Laden hat Beata auch nochmal das Wirtschaften gelernt – zumal die Marge in der Biobranche geringer ausfällt. Klar – die Herstellung der Produkte ist meist arbeitsintensiver und somit teurer im Einkauf, auf ein akzeptables Preisverhältnis für die Käufer:innen muss jedoch auch geachtet werden.
Bio muss nicht immer teurer sein
Zuhause in Nöham leben die Mitschelens selbstredend auch das Bio- und Nachhaltigkeitsprinzip. „Vor Thomas habe ich auch schon auf gute Qualität geachtet, nicht zwingend aber auf Bio. Jetzt ist das anders, jetzt finde ich mich total drin wieder. Für Bio schlägt mein Herz, das ist meine Berufung,“ sagt Beata und bekräftigt: „Ja, ich mache das mit jeder Zelle meines Körpers.“ Und wenn sich ihre Kinder vom Taschengeld mit konventionellen Süßkram eindecken, löst das in den Eltern zwar keine Freudenschreie aus, ist aber völlig in Ordnung. Unter Zwang und Einschränkungen gedeiht nichts Gutes, da sind sie sich sicher. Und am Tisch bekommen die Kinder ohnehin genug Gesundes ab. Auf den Tisch kommt übrigens alles – die Familie isst auch Fleisch, natürlich in Bioqualität und nicht zu viel davon.
Mit dem Bioladen hat Beata also ihre wahre Berufung gefunden, auch wenn es, wie immer im Leben, auch Unliebsames gibt: Manchmal nimmt die Büroarbeit etwas überhand und dann bedauert es die Inhaberin schon, wenn sie gar nicht mehr aus ihrem Kämmerchen neben der Käsetheke zu kommen scheint. Der Kontakt zu ihrer Kundschaft liegt ihr besonders am Herzen, nichts möchte sie mehr, als dass sich alle bei ihr wohlfühlen. Gerne erfüllt sie auch besondere Wünsche nach Produkten, die sie nicht im Laden hat. Dann bestellt sie ein wenig mehr davon, um zu sehen, ob sich auch andere dafür interessieren. Ist das der Fall, wird das Sortiment langfristig ergänzt.
Das Bewusstsein für Bio steigt, dennoch halten sich manche Argumente hartnäckig. Zum Beispiel, Bio könne sich nicht jeder leisten. Da kann Beata mit Ruhe entgegnen: „Klar kosten die Produkte mehr, aber ein ausgewählter Einkauf kann auch verhältnismäßig günstig sein.“ Möglichst viele unverarbeitete Produkte machen’s möglich. „Die Einstellung ist halt wichtig. Bin ich bereit, mir selbst was Gutes zu leisten?“, ist Beata überzeugt.
Bio: Achtsamer Umgang mit Lebensmitteln
Transparenz ist ihr wichtig, damit sich gewisse Vorurteile nicht länger halten. So findet sich auch in ihrem Laden Obst und Gemüse aus Spanien. Kann das denn mit fairen Mitteln zugehen? „Absolut. Ich kaufe von einem kleinen Großhändler, der die Obst- und Gemüseanbauer kennt und ein faires Geschäftsverhältnis mit diesen pflegt.“ Einer dieser Gemüseanbauer ist z.B. ein Demeter-Hof nahe Eichendorf. Ein anderer Bioland-zertifizierter Anbauer sitzt in Landau. „Die Erdbeeren und der Spargel von dort sind einfach traumhaft,“ sagt Beata. „Ich achte darauf, Obst und Gemüse, das bei uns wächst, nicht weiter als hundert Kilometer zu mir fahren zu lassen.“ Klar können Südfrüchte nicht aus der Region sein, ebenso wenig Produkte wie Reis oder Kaffee, die nun mal nicht um die Ecke wachsen. Das Vertrauen zu ihren Händlern sowie Bio- und Fairtrade-Zertifikate garantieren ihr jedoch beste Qualität.
Dazu kommt das Thema Lebensmittelverschwendung. Die findet im Bio Pan kaum statt: Obst und Gemüse, das sich nicht mehr für den Verkauf und auch nicht mehr für’s „Rette-mich-Körbchen“ eignet sowie halbe Brote, gehen an Herberts Gnadenhof, wo immer Futter für die Tiere gebraucht wird. Andere Waren, die kurz vor dem Ablaufdatum stehen, bietet Beata reduziert an. Nach dem Ablaufdatum darf sie die Produkte nicht mehr verkaufen, stellt sie aber dann für ihre Mitarbeiter:innen frei.
Ein Stück Lebensqualität in der kleinen Stadt
Während die Kund:innen kommen und gehen und die Mitarbeiter:innen bedienen, Regale befüllen und dort und da freundliche Worte und Lachen zu hören ist, bleibt ein warmes Gefühl. Dort, mitten in der ländlichen kleinen Stadt, geschieht viel Gutes. Da wird dem Leerstand in der Innenstadt entgegengewirkt, was Pfarrkirchens Zentrum lebendig hält. Das ermöglicht auch den älteren und einsamen Leuten, zu Fuß einzukaufen – und dabei ein wenig zu Ratschen und Kontakt zur Außenwelt zu halten. Für alle anderen ist der Laden freilich auch ein willkommener Ort der Begegnung. Hier kommen Gleichgesinnte schnell ins Gespräch und die ein oder andere Neuigkeit findet ihren Weg. Dazu wird im Sinne von Bio und Nachhaltigkeit eingekauft, wodurch wiederum regionale Anbieter:innen gestärkt werden. Und obendrein hat eine liebe Person ihre Berufung gefunden – so ist garantiert, dass Beata das Gute, das sie geschaffen hat, auch erhalten wird. Für sie, ihr Team, die treue und neue Kundschaft, die Stadt – für alle ein Gewinn und allemal ein Grund zu feiern.