Corinna Winkler: „Das, was Du machst – mach es mit Herz“
„Zum ersten Mal fühle ich mich hier richtig daheim,“ wird Corinna Winkler später sagen. Genau das ist spürbar für die Besucher und Kunden, die zu ihr nach Rotthalmünster kommen, in ihren kleinen Laden, der einst eine Garage war. „Herzverbunden“ heißt Corinnas Label, unter dem sie mit Nadel und Faden kleine Kunstwerke entstehen lässt – Kissen, große und kleine Taschen, Anhänger – und vieles mehr, das die künftigen Besitzer bei jedem Anblick erfreuen wird.
Corinna selbst fügt sich Ton in Ton in ihren Laden ein. Ihre roséfarbene Strickweste, die weiße Hose, das pastelltürkise Oberteil – alle Farben finden sich in ihrem Laden als genähte Stücke wieder. Harmonisch gesellen sich weitere Nuancen hinzu, dazu Pailletten, Perlen, Borten, glänzende Details. Hier brennt ein Lämpchen, da eine Kerze. Alle Regale präsentieren schön hübsch Corinnas leidenschaftliche Arbeit. „Ich gebe in jedes Stück mein ganzes Herzblut hinein,“ sagt sie – und was anfangs noch pathetisch klingt, erschließt sich in all dem, was sie im Laufe der Stunden erzählt.
„Das war ungeplant – aber nie ungewollt“
Im Haus zieht sich der Stil der 41-Jährigen weiter durch. Pastellige Farben, geschmackvolle Möbel, liebevoll dekoriert steht der große Tisch als Zentrum des Wohnraums da, lädt dazu ein, gemeinsam zu sitzen, zu reden, zu bleiben. Corinna strahlt eine große Ruhe aus, während sie Kaffee serviert, sich setzt, ihre schönen langen Haare hinter die Schultern streicht. Geboren wurde sie tatsächlich in der Marktgemeinde, aufgewachsen ist sie in Dommelstadl bei ihrer Oma, wo sie die ganze Kindheit und Jugend verbracht hat. Ihre Mama ist gestorben, als Corinna sechs Jahre alt war. „Ich hab sie als Engerl gesehen, immer mit ihr geredet,“ erzählt sie leise. Corinna redet liebevoll von ihrer Oma, die großes Verständnis für die Enkelin hatte, ihr immer unterstützend zur Seite stand, wenn es wieder mal nicht leicht war.
Und so ein Moment war gekommen, als sie mit 18 unerwartet schwanger wurde. „Das war ungeplant – aber nie ungewollt,“ erzählt Corinna. „Ich wusste von Anfang an, dass Julian mein Baby war.“ Und trotzdem erinnert sie sich daran, als sie weinend auf der Treppe vor dem Haus saß und sich keinen Rat wusste. Mitten drin war sie in der Ausbildung zur Zahnarzthelferin, hatte noch keinen Führerschein, keine feste Beziehung. Wo sollte sie wohnen, wie wollte sie leben, was machen? Und wie würde die Oma reagieren? Die sagte voller Optimismus: „Ein Baby ist nie ein Grund zum Weinen. Kinder kommen, wann sie wollen.“ Und später dann, als Julian längst auf der Welt war und heranwuchs, sagte die Oma: „Das ist auch mein Bub. Wir haben ihn miteinander groß gekriegt.“ Corinna lächelt, als sie sich erinnert: „Julian ist und war ein Geschenk für mich. Alle meine Kinder sind ein Geschenk des Himmels.“
Corinnas Augen glänzen, als sie das erzählt. Stolz ist sie auf ihren mittlerweile 22-Jährigen, der neben seiner Arbeit als Lackierer seine eigene Kunst gefunden, seiner Mama ein Logo gezeichnet und sogar ein Tattoo gestochen hat. Corinna erzählt weiter aus ihrer Vergangenheit, von ihrer Ehe, die sie so sehr wollte, um eine eigene Familie zu haben. Zwei Töchter hat sie mit ihrem einstigen Mann bekommen, die Madita, heute 15 und Mia, zwölf. Das Paar hat ein Haus gebaut, Corinna blieb als Mama daheim, der Klassiker, der sich auch lange gut für sie anfühlte. Bis sie spürte, dass das nicht mehr sie war, dass es nicht das Leben war, das sie sich wirklich wünschte. Vor drei Jahren zog Corinna aus, in eine Wohnung nach Rotthalmünster, der Anfang von back to the Roots.
„Da gab es nicht viel zu reden“
„Plötzlich musste ich niemandem mehr gefallen. Ich musste seit Jahren überhaupt nichts mehr. Ich war zum ersten Mal seit langem allein. Es war Zeit, die Stille auszuhalten, zu mir zu kommen. Dabei habe ich gelernt, wie wichtig es ist, sich um sich selbst zu kümmern.“ Diese Selbstfürsorge sieht Corinna heute als Schlüssel zu allem – die vielen Tränen haben sich gelohnt, das Gefühl, die Ehe nicht „geschafft“ zu haben, vorbei. Corinna hat sich selbst verziehen und sich die Freiheit erlaubt, ihr Leben so zu leben, wie es ihr gut tut. „Man verwehrt sich so vieles selbst, dabei darf man alles.“
Corinna atmet tief aus. Nein, natürlich ist eine Scheidung kein Spaziergang, aber sie ist froh um das Verhältnis, das sie heute zu ihrem Exmann hat. „Wir wollen das Beste für unsere Kinder, auch wenn wir als Paar keinen gemeinsamen Weg mehr gehen,“ sagt sie in schön gewählten Worten. Die Kinder sind die Hälfte der Zeit bei der Mama, die andere Hälfte bei ihrem Vater: „Es war immer klar, dass es keinen Wochenend-Papa gibt. Ich bin ohne Eltern aufgewachsen, das möchte ich für unsere Kindern anders.“
Sie selbst hat in den drei Jahren ganz zu sich gefunden – und ihre neue Liebe Christian. Corinna lacht über ihren alten Grundsatz, dass sie nie einen jüngeren Mann wollte: „Und Christian wollte nie heiraten, nie Kinder, nie ein Haus.“ Nun leben sie da als Paar, als Familie in ihren eigenen vier Wänden. „Da gab es nicht viel zu reden. Wir haben uns getraut, uns auf’s Leben einzulassen.“ Corinna schaut versunken in den Raum hinein, lächelt. Und wenn einmal was ins Laufen kommt, reißt es meist alles andere mit – auf eine positive Art und Weise.
„Sie hat mir viele Werte vermittelt“
So kam ihr kleiner Herzverbunden-Laden nicht von ungefähr. Dieser wahr gewordene Wunsch hatte schon in Corinnas Kindheit seinen Ursprung: „Damals wollte ich schon einen eigenen Laden haben. Mit Blumen, mit Wohnaccessoires. Ans Nähen dachte ich damals noch nicht – und auch Jahre später nicht.“ Bis die Zeit für Nadel und Faden reif war, hat Corinna viele andere Dinge gemacht und damit ihr Geld verdient. „Mein eigenes Geld war mir immer wichtig – ich wollte unabhängig sein,“ sagt sie. Darum hat sie nach Julians Geburt alles nur Mögliche gemacht: geputzt, in einem Dekoladen Ware ausgezeichnet, gemalt, Schmuck hergestellt. Mit ihrer kreativen Ader traf sie schon damals den Geschmack ihrer Kunden und verdiente sich so ein gutes Zubrot.
„Ich konnte immer gut für Julian sorgen, kannte aber auch Situationen, wo das Geld nicht mehr gereicht hat,“ sagt sie nachdenklich. Als Aushilfe in der Bäckerei ihres Onkels arbeitete sie halbtags in Passau. Dort stieg ihr der Duft von Brot und Süßem so tief in die Nase, dass sie nach der Kinderzeit wieder in einer Bäckerei zu arbeiten anfing. Der Bäckerei Wagner in Triftern ist sie bis heute treu – ihr Weg von der 450-Euro-Kraft bis zur Filialleiterin macht sie noch heute stolz: „Nach meiner Mama-Zeit wollte ich wieder selbst Geld verdienen, Verantwortung übernehmen. Mein Chef hat mich sehr gefördert. Von ihm habe ich viel gelernt, was Menschlichkeit angeht.“ Inzwischen hat sie ihre Stunden wieder reduziert, um mehr Zeit für Herzverbunden zu haben. Eine gute Ergänzung, wie sie sagt: „Beim Nähen bin ich alleine, beim Bäcker habe ich viel Kontakt mit Menschen. Beides ist mir wichtig und schenkt mir Balance.“
Dass Geld nicht alles ist, hat sie auch von ihrer Oma gelernt. „Sie hat mir viele Werte vermittelt,“ sagt Corinna. „Und nicht das klassische Familienbild! Aber das, was das Leben ausmacht: Gut Kochen und Essen, Zeit mit der Familie verbringen, das Häusliche genießen, die einfachen Dinge schätzen und dadurch Erfüllung finden. Blumen im Garten oder Marmelade kochen.“ So wie Corinna das sagt, klingt das durchwegs gemütlich – und das spiegelt sich auch um sie herum. Dort verschiedene Blumen in der Vase, da ein Kissen, eine Kerze, ein schön gerahmtes Bild. All das, was ein echtes Zuhause ausmacht, eben.
„Du kannst das!“
Corinna lehnt sich zurück und verrät endlich die Geschichte, die sie zum Nähen gebracht hat: „Alles begann mit Yoga. Schnell stellte ich fest, dass es keine Yoga-Tasche gibt, die mir gefiel und die vor allem allen Utensilien Platz bot. Also rief ich meine Tante an. Die hat immer genäht, die habe ich immer bewundert.“ Die Tante kam der Bitte ihrer Nichte aber nicht nach. „Die nähst Dir selbst. Du kannst das!“ bekam Corinna zu hören. Und Corinna konnte das. So gut sogar, dass die Yoga-Lehrerin gleich fünf Taschen bestellte. Alle waren blitzschnell weg. Es folgten Yoga-Kissen. „Meine Hände wussten, was sie tun müssen. Meine Tante hat schon Recht gehabt,“ sagt Corinna mit einem Lächeln.
All das begann zu einer Zeit, in der Corinna tief in sich drin schon bemerkt hatte, dass ihrem Leben ein Wandel bevorstand – nur sie selbst musste den ersten Schritt gehen. „Die neue Welt hat mir Mut und Kraft gegeben. Durch Yoga habe ich gesehen, was nicht mehr stimmig für mich war.“ Heute lebt sie gemäß ihren Kräften, gibt dem Raum, was sie in sich trägt, sieht das als Gabe an, mit dem sie andere Menschen berühren kann. Yoga und Nähen – diese beiden Komponenten haben in Corinna etwas geöffnet, das sie tief in sich verborgen trug: eine Gefühlswelt, die manchmal übers Bewusste hinausreicht. Sie bezeichnet sich als spirituell, lebt dies aber nicht abgehoben, sondern ganz praktisch: „Ich nähe so viel in meine Stücke hinein, hauche ihnen durch meine Hände so viel Leben und Liebe ein.“
„Diese Liebe teile ich gern“
Viele ihrer Kundinnen wünschen sich bestimmte Stücke von ihr, haben ein Thema, wollen etwas für sich. Corinna spürt in die Frauen hinein und näht ganz intuitiv drauf los, „nach Gefühl, nicht nach Verstand,“ wie sie sagt. „Die Frauen teilen mir oft nur eine Farbe mit und das Stück, das sie wollen.“ Oft tragen Corinnas Werke ein aufgesticktes Wort, eine Botschaft. Beim Arbeiten begleiten sie Räucherwerk, Heilsteine und Musik. „Es ist wie ein Kanal, alle Gefühle, alle Wünsche der Kundin dürfen durch mich fließen. Ich kann Farben fühlen. Sie sprechen mit mir. Das ist eine Sprache ohne Worte. Ein Dialog zwischen Farben, Seele und Herz. Es kommt durchaus vor, dass dabei auch mal Tränen fließen. Bei mir und später bei meinem Gegenüber. Tränen der Freude und der Herzberührung. Meine Stücke sind Seelenschmeichler. Sie dürfen Frauen Begleiter sein auf ihrem ganz persönlichen Weg. Nähen ist so viel mehr für mich. Es ist eine Heilung, die ich weitergeben darf. Diese Liebe teile ich gern.“
Nun hat Corinna so viel über ihre herzverbundene Arbeit erzählt, dass sie mir auch ihr Reich zeigen will. Als sie vor fünf Jahren mit dem Nähen begann, hatte sie noch keinen eigenen Raum dafür und auch später in ihrer Wohnung nicht. Damals wurde aus dem Esszimmer allmählich ein Nähzimmer. Jetzt ist das anders: In einem großzügiger Raum im Keller des Hauses entstehen ihre Werke. Was gleich ins Auge fällt, ist die rosafarbene Heizung, die Julian für die Mama lackiert hat. Daneben steht der Nähtisch mit der Maschine und einem angefangenen Stück, weiter rechts die Stickmaschine, an der Wand sind Garnrollen aufgereiht und gegenüber steht ein weiterer Tisch bereit, an dem Corinna die Stoffe zuschneidet. Auf dem Arbeitsstuhl liegt ein flauschiges Fell – auch hier legt sie Wert auf ein heimeliges Wohlgefühl.
Seit vier Jahren ist Corinna nun Unternehmerin, seit heuer hat sie ihren kleinen eigenen Laden, ihren wahrgewordenen Kindheitstraum, dazu ihre Familie, ihre Liebe, ihr Haus und einen Garten. Klingt ganz schön harmonisch. Corinna lacht, kann selbst kaum fassen, dass es tatsächlich so ist. Ja, das kommt davon, wenn man die alten Glaubenssätze ziehen lässt, wenn man selbst seinen eigenen Wert erkennt und seine Aufgabe findet. „Das ist es, was ich der Welt geben kann – genähte Liebe,“ sagt Corinna ein wenig feierlich und ihre Augen glänzen glücklich. „Das, was Du machst – mach es mit Herz.“
Mehr von Corinnas Werken siehst Du hier: