Die Rossnarrische vom Suttnerhof oder: Marie Fischer und die Liebe zu den Pferden

„Servus Mädels,“ ruft Marie Theres Fischer in die Runde. Als Antwort bekommt sie ein sechsfaches freundliches Wiehern. Ihre Mädels sind Rösser und leben in Singham bei Karpfham auf dem Suttnerhof. Hier ist Marie aufgewachsen. „Ich konnte noch gar nicht gehen, da saß ich schon zum ersten Mal auf einem Pferd,“ sagt sie und streichelt eine der braunen Stuten. Das Pferd schnaubt zufrieden und die Atemluft bildet kleine Wölkchen. Frisch ist es an diesem späten Novembertag. Und wie es da duftet im Stall. Nach Heu und Leder und Pferdeapfel – eine ganz unvergleichliche Mischung.

Pferdezucht und Zehnerzug – es liegt in der Familie

Marie und die Rösser – das ist eine unzertrennliche Liebe. Die 29-Jährige ist mit den Tieren aufgewachsen, das „Rossnarrische“ liegt ganz in der Familie. Ihr Opa Adolf hat jahrzehntelang den Zehnerzug auf dem Karpfhamer Fest gelenkt. Inzwischen haben Maries Papa Sepp und ihr Onkel Helmut die ehrenwerte Aufgabe übernommen.  Das hat Opa Adolf noch erleben dürfen – heuer ist er gestorben. Sepp Fischer züchtet die Warmblüter auf seinem Hof, der gleichzeitig eine Pferdepension ist. Derzeit sind gut 30 Pferde untergestellt. Und dementsprechend ist auf dem Suttnerhof was los: An diesem Samstagvormittag sind viele Pferdefreunde bei ihren Tieren, führen sie über dem Hof zum Reitplatz, striegeln sie glänzend, kratzen Hufe aus, haben ihre Hunde mitgebracht. Auch Maries jüngere Schwestern Anja und Franziska sind da.

 

Marie ist während der Saison von März bis Ende September fast jedes Wochenende unterwegs: Sie reitet Springturniere, tritt für den Reit- und Fahrverein Karpfham im Rottal e.V. an. Und erst heuer ist sie eine glückliche Gold-Marie geworden. Sie hat den Großen Preis von Karpfham geholt. „Das habe ich absolut nicht erwartet,“ sagt sie. „Das war ein S-Springen. Das S steht für Schwere Klasse.“ Und „schwer“ bedeutet, dass die Höhe der Hindernisse 1,40 Meter beträgt. „Alle haben sich mitgefreut,“ erzählt Marie und ihre eigene Freude strahlt aus ihrem Gesicht. „Das war das Schönste. Mein Plan ist es, das im nächsten Jahr zu wiederholen.“

Zwei Glücksbringer: Die Oma und der Abanos

Auch wenn sie schon ihr Leben lang mit Rössern zu tun hat und beinahe so lange im Sattel sitzt – das Springreiten hat sie erst vor vier Jahren für sich entdeckt. Zuvor hat sie sich auf einen anderen Sport konzentriert. „Ich hab fast drei Jahre lang Fußball gespielt,“ sagt Marie. „Und dann hab ich Dani kennengelernt.“ Mit Daniela ist nicht nur die große Liebe in Maries Leben gekommen. Durch sie hat sie auch ihre Pferde wieder neu für sich entdeckt. Weil auch Daniela eine alte Rossnarrische ist, von klein auf. Die beiden leben zusammen in Volkertsham bei Bayerbach, nur ein paar Minuten vom Suttnerhof entfernt.

 

Marie kommt ins Schwärmen: „Dani richtet die Pferde immer für mich her. Ich brauch nur noch reiten.“ Gemeinsam fahren die beiden zu allen Turnieren, meist in Begleitung von Maries Onkel Helmut und ihrer Oma. Und nicht zuletzt mit Abanos, dem 14-jährigen Jack-Russell-Terrier. „Die Oma und der Abanos sind meine Glücksbringer,“ sagt Marie und lacht. Gleichzeitig wischt sie sich ein Tränchen der Rührung aus dem Augenwinkel, zuckt entschuldigend mit den Schultern und meint: „Ich bin sehr emotional.“

„Schön, dass wir ein so gutes Team sind“

Marie und Daniela sind oft gemeinsam auf dem Hof, trainieren die Pferde. Zusammen haben sie die Stuten trainiert, die Marie als „Mädels“ begrüßt hat. Auch Maries Schwestern helfen mit. „Allein wäre das mit sechs Pferden nicht zu schaffen. Sie werden fast jeden Tag geritten,“ sagt die 29-Jährige. „Es ist schön, dass wir alle ein so gutes Team sind.“ Marie ist ein Familienmensch. Und der Suttnerhof ihre Heimat.

 

Sie führt die Stute Coradina aus ihrer Box, „meine Prinzessin“, sagt sie. Das Pferd wird gebürstet, dass das kurze Fell nur so glänzt. An der Flanke hat die Stute kein übliches Brandzeichen – es hebt sich die Zahlenkombination 09 ab. Marie lacht: „Ach, ich bin großer BvB-Fan.“ Warum ihr Herz nicht für die Bayern schlägt, sondern für den Dortmunder Verein, kommt von einem Kindergartenfreund, wie sie sagt. Mit Dani kommt sie sich da nicht sonderlich in die Quere, „die ist kein besonders extremer Bayernfan.“ Und den Rössern wird es ziemlich wurscht sein.

„Die Pferde kämpfen für mich“

Ganz und gar nicht egal aber ist es den Tieren, wenn sie bei einem Turnier an den Start gehen. „Die Pferde kämpfen für mich,“ ist sich Marie sicher. „Ich spüre einfach, dass sie dann alles geben. Wir sind dann beide zu hundert Prozent auf die Sache fixiert.“ Das Besondere: Marie geht nicht nur mit einer Stute zu den Turnieren. Mal nimmt sie dieses, mal jenes Ross mit. Sie macht die Auswahl davon abhängig, welches Pferd je nach Turnier besser geeignet ist, denn „sie sind alle auf dem gleich guten Niveau.“

 

Ein bisschen ärgert sich Marie darüber, dass die Turniere in der Region weniger werden. „Österreich hat gut aufgerüstet – die haben Sandplätze und das Abreiten ist unter Dach möglich.“ Schlechtes Wetter ist damit kein so großes Problem wie hierzulande. „Man zahlt Wochen vor dem Turnier eine Startgebühr,“ erzählt Marie. „Und die bekommt man nicht wieder, auch wenn man wegen Regenwetter nicht teilnimmt.“ Aus dem Grund treten erst gar nicht so viele Reiter an – und die Turniere werden weniger, den Vereinen geht es schlechter. Marie bezeichnet das als Teufelskreis. Sie selbst startet auch nicht bei schlechten Bodenbedingungen, „die Sicherheit geht immer vor.“ Die Österreicher haben da gut lachen: „Da starten mehr Reiter, die Startgebühr ist höher, den Vereinen geht es besser.“

„Normalerweise brauch ich einen Hocker“

So wie Marie erzählt, könnte der Verdacht aufkommen, sie reitet beruflich. Doch ganz so ist es nicht, auch wenn sie beinahe ihre ganze Freizeit bei den Pferden verbringt. Marie arbeitet bei der BayWa Agrar in Karpfham, dort ist sie Betriebsleiterin für die Kompetenzregion. Das heißt, sie hat gut 20 Leute unter ihr, die in Karpfham, Sulzbach, Ortenburg und Triftern arbeiten. Nach ihrer Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau wurde sie übernommen und ist geblieben. 14 Jahre lang. Bis heute. „Ich mag den Umgang mit Menschen und kann die Anliegen und Probleme der Landwirte gut verstehen, da ich ja selbst aus einer Landwirtschaft komme,“ sagt Marie. Und nicht zuletzt gefällt ihr das Chefsein. „Das ist wie bei den Pferden – die wissen auch, dass ich der Chef bin,“ sagt sie und lacht.

 

Währenddessen hat Marie Ma Belle gesattelt und das Pferd wartet schon darauf, auf den Reitplatz zu dürfen. Abanos und die anderen Hunde haben ein paar Leckerlis abgestaubt. Und auch Franziska hat den schweren Sattel auf ihr Pferd gepackt. Die beiden Schwestern führen die Stuten über den Hof, hinunter zum großen Reitplatz. Die Rösser auf der Koppel nebenan schauen neugierig herüber. Manche dösen friedlich weiter, mit typisch eingeknicktem Huf. Ein paar Krähen rufen und heute will sich die Herbstsonne nicht hinter dem grauen Wolkenhimmel hervortrauen. Marie bindet sich einen Pferdeschwanz, zieht die Haare durchs Käppi und schwingt sich auf Ma Belle. „Normalerweise brauch ich einen Hocker dazu,“ sagt sie. Sie ist nicht klein, aber ihre Pferde sind es eben auch nicht.

Die Stute verfällt in gleichmäßigem Trab, Marie sitzt oben, als würden andere Radlfahren. Ganz natürlich, ganz geschmeidig. Ross und Reiterin bilden eine Einheit, das Schnauben von Ma Belle vermischt sich mit dem Klopfen der Hufe auf den Sandboden. „Mein Opa hat immer gesagt: ‚Das hast von mir, dass Du nicht herunterfällst‘,“ hat Marie vorhin noch erzählt. Man glaubt’s.

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