Vom Kuhstall zum Dorffriseur: Christine Dippl und ihr Salon „Naturhaar“
+++ Hier gibt’s Neues von Christine +++
Christine Dippl sitzt auf der Ladenbank. Es ist ein recht milder Novembertag, Katze Minka zwickt die Augen in der Sonne zusammen, der alte Nachbarshund Fritz macht alleine seine Dorfrunde. Alle Leute, die vorübergehen und viele, die vorüberfahren, grüßen freundlich. Christine Dippl grüßt glücklich zurück. Sie ist Nöhams Dorffriseurin. Seit Oktober 2015 frisiert sie Hiesige, Leute aus em Umland sowie Stammkunden in ihrem Salon „Naturhaar“. Und erst seit vier Jahren ist sie selbst Nöhamerin.
„Das war eine reine Bauchentscheidung“
Grund dafür ist das 300 Jahre alte Bauernhaus mitten im Dorf, das „Fuxnhaus“. Vor vier Jahren haben sich Christine Dippl und ihr Lebensgefährte auf den ersten Blick in das Gebäude verliebt, wie die 34-Jährige sagt: „Das war eine reine Bauchentscheidung. Vernünftig war das nicht.“ Denn wie es halt so ist mit alten Häusern – es gibt viel zu tun. Daran wird sich wohl die nächsten Jahre nichts ändern. Das Paar hat zweifelsohne schon viel getan. Sichtbar ist das vor allem beim Kuhstall, der nun eine ganz neue Aufgabe erfüllt: Im wunderschönen Gewölbe werden jetzt Christine Dippls Kunden frisiert.
„Im März 2015 haben wir mit der Renovierung begonnen und im Oktober hab ich eröffnet,“ erzählt die Friseurmeisterin und lacht. Dabei zeigen sich sympathische Grübchen, auch die Augen lachen mit. Mit angepackt haben neben Mike viele Freunde. „Ich bin absolut dankbar für die große Unterstützung,“ sagt Christine Dippl. Sie erinnert sich daran, dass sie noch am Eröffnungstag mit der Wandfarbe hantiert haben. Und als schließlich Pfarrer und Bürgermeister und die ersten Kunden willkommen geheißen wurden und man von Christine Dippl eine kleine Ansprache erwartete, kamen nach einer kleinen Begrüßung erst mal die Tränen der Erleichterung. „Das war schon eine unglaublich anstrengende Zeit,“ sagt sie. Und die ließ so schnell nicht nach. Das Geschäft war sofort im Gange und die Nöhamer froh, endlich einen Friseur am Ort zu haben.
„Wir sind beide richtige Frohnaturen“
Und so lassen sich auch gerade in dem Moment zwei Nöhamerinnen die Haare schön machen. Irmgard Englert ist zum ersten Mal hier. Sie lässt sich ihre Farbe auffrischen und die Frisur nachschneiden. Beim Haarewaschen werden Christine Dippls Kunden massiert. Diesen Service übernimmt der bequeme Massagesessel. „Herrlich, das ist Luxus,“ schwärmt Irmgard Englert und schließt genießerisch die Augen. Christine Dippl lächelt, während sie der Kundin die Farbe aus dem Haar wäscht. Die Stimmung im Salon ist gemütlich und ausgelassen. Dafür sorgt nicht zuletzt Tanita Schachnter. Die 24-jährige Friseurmeisterin ist seit Februar dabei.
Kennengelernt haben sich die beiden Frauen auf der Meisterschule. „Da waren wir ganz schnell unzertrennlich. Christine ist für mich eine Freundin,“ sagt Tanita Schachtner. Die gute Chemie ist spürbar und die Salonchefin bestätigt: „Zu zweit ist es super. Wir sind beide richtige Frohnaturen, wir pushen uns gegenseitig. Und die Leute sind stocknarrisch mit Tanita.“ Apropos Chemie – die gibt es beim Friseur „Naturhaar“ gar nicht. Hier wird ausschließlich mit biologischen Produkten gearbeitet. Grund dafür ist Christine Dippls Überzeugung – und die kommt nicht von ungefähr: „Irgendwann hab ich die chemischen Produkte nicht mehr vertragen. Ich bekam immer öfter Nasenbluten.“ Mit dem Umstieg auf rein pflanzliche Mittel sind ihre Beschwerden verschwunden – und auch die Kunden profitieren von den Produkten der italienischen Marke Tecna.
Bio-Produkte fürs Haar: „Die Kundschaft ist begeistert“
Denn: In Christine Dippls Salon stinkt nichts. Im Gegenteil, es duftet leicht und angenehm nach Shampoo und geföhntem Haar. „Kunden, die ansonsten mit Hautproblemen zu tun hatten, sind auch diese Sorgen los,“ erzählt die Friseurmeisterin. Die Produkte schaffen auch alles, was „die Chemie“ schafft – von der Grauabdeckung über Tönungen und Dauerwellen bis hin zur Aufhellung von Haaren. „Die Kundschaft ist begeistert,“ sagt Christine Dippl. „Jeder achtet heute auf Ernährung – warum soll man sich dann Gift auf den Kopf tun?“ Damit letztendlich alles zusammenpasst, hat sie mit ihrem Partner auch bei der Renovierung darauf geachtet, mit natürlichen Materialien zu arbeiten. Die Wände und das Gewölbe sind zum Beispiel nur mit Kalk verputzt. So wie früher, als hier noch Kühe muhten.
Damals, ja damals war Christine Dippl noch ganz woanders. Und zwar in Eggenfelden. Ganze 18 Jahre lang hat sie im Friseursalon Wölfle gearbeitet, zuerst als Lehrling, dann als Gesellin. „Irgendwann hab ich dann die Veränderung gebraucht,“ sagt Christine Dippl und lacht. „Dann hat sich das mit dem Haus ergeben.“ Einen Friseursalon mit Angestellten betreiben und Lehrlinge ausbilden darf aber nur die, die einen Meisterbrief in der Tasche hat. Darum ging die 34-Jährige zeitgleich mit dem Entstehen ihres Salons zur Meisterschule, Vollzeit, in Deggendorf und Passau. Mit dabei im Team ist seit Anfang November Melanie Keil. Die 24-Jährige arbeitet hauptberuflich als Altenpflegehelferin, acht Stunden pro Woche ist sie im Salon „Naturhaar“. Hier ist sie für die Terminplanung zuständig – und für alle kleineren Arbeiten, die nebenbei anfallen. „Mir gefällt die Stimmung hier super gut,“ sagt Melanie Keil.
„Ich bin ein absoluter Gesellschaftsmensch“
Man kann es nicht anders sagen: Mit ihrem eigenen Salon hat sich Christine Dippl einen Traum erfüllt. „Ich bin ein absoluter Gesellschaftsmensch,“ sagt sie über ihre Berufswahl. Da war für sie auch zweitrangig, dass das Friseurhandwerk einer der am schlechtesten bezahlten Berufe ist. „Eine Frechheit,“ findet Christine Dippl. Freilich ist das Trinkgeld ein Ausgleich, wenn auch ein unsicherer. „Ich hab immer vom Trinkgeld gelebt,“ sagt die Salonchefin. „Der Lohn ist für die Fixkosten draufgegangen.“ Und Tanita Schachtner meint mit einem herzhaften Lachen: „Mir haben auch alle abgeraten, grade weil man so schlecht verdient und sämtlichen Menschen die Haare waschen muss. Mir ist der Spaß aber wichtiger.“
Der kommt bei der Arbeit nicht zu kurz. Christine Dippl und Tanita Schachtner lachen viel mit den Kunden. Manchmal wird es aber auch ernster und dann bestätigt sich das gängige Klischee, dass der Friseurbesuch den Gang zum Psychologen erspart. „Manche Kunden mögen sich schon was von der Seele reden,“ erzählt Christine Dippl. „In unserem Beruf muss man unbedingt auf Menschen eingehen können. Ein Ersatz für den Psychologen sind wir aber freilich nicht.“ Manchmal genügt Zuhören aber auch schon – und selbstverständlich eine Frisur, mit der man sich wohlfühlt. Und oft ist es auch mit kleineren Plaudereien getan. „Als Friseurin muss man Smalltalk mögen,“ bestätigt die 34-Jährige. „Das Wetter ist immer ein gutes Einstiegsthema.“
„Den Nöhamern ist die Magnolie wichtig“
Draußen wird es inzwischen duster. Im liebevoll dekorierten Schaufenster leuchtet schon eine kleine Lichterkette, die Kundinnen verabschieden sich zufrieden. Tanita Schachtner kehrt Haare zusammen, Christine Dippl räumt die Kaffeetassen weg und verstaut die Zeitschriften an ihrem Platz. Draußen, zwischen Salon und Wohnhaus wippen die Zweige der großen Magnolie im leichten Wind. Der Baum findet sich wieder im Logo, er ersetzt das „T“ in Naturhaar. „Den Nöhamern ist die Magnolie wichtig. Sie blüht im Frühling einfach wunderschön,“ sagt Christine Dippl. Und darum gehört alles zusammen: Die Magnolie, der alte Kuhstall mit neuer Bestimmung, Nachbarshund Fritz und Katze Minka – und nicht zuletzt die Dorffriseurin Christine Dippl sowie manch gemütlicher Abend mit Kollegen und Freunden auf der Ladenbank. Gerne auch mit Glühwein. Oft sagen die Nöhamer: „Wenn das die Fuchs’n noch wüssten.“
Neues von Christine
Zum ersten Mal habe ich Christine Dippl vor über fünf Jahren getroffen. Neben ein wenig Personalwechsel hat sich vor allem privat viel getan. An diesem windigen Februartag sehen wir uns in Baumgarten, wo sie mit ihrer kleinen Familie kurzfristig untergeschlüpft ist: „Wir kernsanieren unser Haus in Nöham. Im Juni sind wir hoffentlich fertig,“ erzählt sie mit einem Lachen und hält einen kleinen Buben auf dem Arm. Ja – sie ist Mama geworden!
Als vor zwei Jahren die Pandemie begann und auch Christine und ihr Team verunsicherte, saßen sie oft nach der Arbeit zusammen und fragten sich, wohin das noch führen würde. Dann kam der erste Lockdown und plötzlich hielt Christine den positiven Schwangerschaftstest in den Händen. Gerade noch hatte sie sich gefragt, wie alles weitergehen sollte, schon wurde ihr die Antwort geliefert und die Freude war sehr groß. Mit ihrem Mann Mike hat sie begonnen, das Haus zu sanieren, bis im zweiten Lockdown Alois zur Welt kam. „Das hat so gut gepasst. Wir sind vier Wochen lang nicht mehr aus unserer Höhle rausgekommen – es war die schönste Zeit.“
Alois hat seinen Namen seinem Opa zu verdanken – Christines Papa, der schon lange nicht mehr am Leben ist: „Unser Sohn ist auch ein richtiger Alois. Gemütlich – ein echter bayerischer Bua.“ Anfangs hat sie sich ein wenig Sorgen gemacht, wie ihre Hunde Lotti und Vroni auf das neue Familienmitglied reagieren würden. Völlig umsonst: „Als wir vom Geburtshaus heimkamen, haben die Hunde geschaut und sich dann vor uns hingelegt. Sie wussten instinktiv, dass jetzt Bravsein angesagt ist.“
Im März 2021 durften Friseursalons wieder öffnen – und Christine legte mit ihren Mädels wieder los. Mit dabei sind nach wie vor Margit, Tina und seit November 2020 auch Anita. „Wir passen perfekt zusammen,“ freut sich Christine. In den Stunden, in denen sie Haare schneidet und stylt, ist Papa Mike für Alois da. Anfangs ging Christine zum Stillen rüber ins Haus. Und seit einem Monat besucht Alois die Kinderkrippe in Nöham. Christine ist happy: Familie, Tiere, Haus – bald sind sie wieder in Nöham an einem Ort vereint. Der Salon läuft prima, die schwierige Zeit ist hoffentlich passé…