Yve Gratz: Vertrauen ins Leben und Mut zur Marke
Hier knacken ein paar Zweige, da singt ein Vogel. Ansonsten umgibt die zwei die Stille des Waldes bei Schönhub nahe Hebertsfelden, den sie so lieben und der nur wenige Schritte von ihrer Haustüre entfernt liegt: Yve Gratz und ihre Hündin Lola gehen ihre Nachmittagsrunde. Im Wald fühlen sie sich wohl, zusammen in der Natur verbringen sie viel Zeit. Die neunjährige Lola macht sogar noch die ein oder andere leichtere Bergtour mit. Denn die Berge, die sind das zweite Zuhause von Frauli Yve. Die Natur als elementarer Ort des eigenen Seins – daran hat sich nichts geändert, als ich Yve vor vier Jahren zu ersten Mal getroffen habe. Dafür so ziemlich alles andere…
Damals lebte Yve noch mit Mann, Katzen und Lola in einem anderen Weiler bei Hebertsfelden, schloss gerade ihre Ausbildung zur Tierheilpraktikerin ab, eröffnete ihre eigene Praxis und arbeitete noch dazu am European Campus in Pfarrkirchen. „Ich war als erste Mitarbeiterin für PR und Veranstaltungen zuständig,“ erzählt die heute 34-Jährige. „Das war eine prägende Zeit, die ich sehr genossen habe. Ich hatte viel mit Studenten zu tun, viel mit Social Media.“ Nach zwei Jahren war Schluss am Campus, da es sich um keine Planstelle handelte. Keine Überraschung also, aber dennoch bedauerlich.
„Ich wollte mehr Selbstbestimmtheit“
Nicht erst seit dem Campus hatte Yve damit zu tun, Unternehmen und Institutionen nach außen zu präsentieren. Schon seit dem Jahr 2007 ist sie im Bereich Marketing aktiv. Nach ihrer Ausbildung zur Kauffrau für Marketing und Kommunikation war sie für die Firma Haas in Sachen Messe, Events und Onlinemarketing unterwegs, studierte als Projektleiterin berufsbegleitend Veranstaltungsbetriebswirtschaft – eine knackige Zeit. Später wechselte sie zur Firma Lindner ins Produktmanagement, arbeitete Print-Konzepte aus, textete, hatte viel mit interner Kommunikation zu tun.
Dann kam die Zeit am Campus, dazu ihre Tierheilpraxis. Und daraufhin wurde sie die erste Marketingmitarbeiterin in einem Betrieb, der Tiernahrung herstellt. „Wie im Campus habe ich hier eine Marketingstruktur aufgebaut,“ sagt Yve. Die Ruhe, die sie im Wald ausstrahlt, ihr freundlicher, offener und herzlicher Blick, die Schritte, die sich mit dem Tempo ihrer Hündin ergänzen – all das verrät nichts von ihrem inneren Antrieb, der immer wieder neue Herausforderungen sucht.
2020, als sich die Welt mit der Pandemie zu verändern begann, war es auch für Yve Zeit, neu aufzubrechen. Veränderungen beginnen manchmal mit einer Reise – so war es bei ihr, als sie mit einem Freund und Lola drei Wochen mit ihrem Bus in Norwegen unterwegs war. „Da spürte ich, dass sich meine Arbeit verändern muss. Ich wollte mehr Selbstbestimmtheit, wollte ortsunabhängig arbeiten können.“ Fast 15 Jahre Erfahrung im Bereich Marketing und ihr jahrelanges Interesse an Persönlichkeitsentwicklung – daraus musste sich doch was machen lassen?
„Personal Branding – da geht es um die eigenen Werte“
„Für mich war es ein großer Schritt, in keinem Angestelltenverhältnis mehr zu sein, sondern ganz eigenverantwortlich was auf die Beine zu stellen,“ sagt Yve. Und doch wagte sie diese Veränderung, startete mit CreatYve Marketing & Kommunikation und stellte sich zunächst breit auf in Sachen Marketing-Dienstleistungen, bevor sich ziemlich rasch herauskristallisierte: „Ich möchte keine Agentur sein, sondern ganz zu meinem Bedürfnis stehen, etwas weiterzugeben, das ich selbst durchlebt habe. Eine Entwicklung aus mir selbst heraus. Das hat gedauert, weil ich erst noch ein Stück in Sachen Selbstsicherheit wachsen musste. Heute weiß ich, dass ich mit dem, was ich kann, auch nach draußen gehen kann, weil ich es im Kreuz habe. Ich habe mich unbewusst hinter meiner Agentur-Marke versteckt – das brauche ich jetzt nicht mehr.“
So konzentriert sie sich heute mit ihrem klaren Namen als Personenmarke Yve Gratz auf Personal Branding, etwas, das viel mehr ist, als nur eine Marke zu entwickeln, damit sie sich gut verkauft. Sie selbst sieht sich dabei als Coach und Mentorin, die ihre Kund:innen durch den Prozess leitet, sie zu eigenen Erkentnissen führt – ganz im Sinne ihrer persönlichen Erfahrungen. Yve ist überzeugt davon, dass sich langfristiger Erfolg nur dann einstellen kann, wenn die Person dahinter weiß, wer sie ist und was sie da eigentlich macht.
„Personal Branding – das geht es um die eigenen Werte, um die Prägung und Herkunft, um das Lebensthema und die Lebensaufgabe. Das gilt es zunächst herauszufinden. Dieser innerer Antrieb, die Frage, warum wir etwas machen wollen. In die eigene Tiefe zu gehen ist nicht nur angenehm, aber am Ende sehr wertvoll,“ sagt Yve, die ihre Fähigkeiten als Werkzeug sieht, andere auf ihrem Weg zu unterstützen. Bei sich zu bleiben, den eigenen roten Faden zu behalten – das ist gerade am Anfang nicht immer einfach, wenn oft noch nicht ganz klar ist, wo die Reise hingehen wird und noch so manche Unsicherheit irritiert.
„Es geht darum, authentisch zu sein“
Yve und Lola verlassen den Wald, gehen über die große Wiese, über die Straße zum Haus, in dem die beiden heute leben. Die Katzen sind bei Yves Exmann geblieben, als ortstreue Tiere die beste Entscheidung. Mit ihrem Leben ist die Gründerin im Reinen, nun, da sich immer mehr Klarheit abzeichnet. Yve schließt die Haustür auf, Lola trabt die Treppe hinauf und sucht sich ihr Plätzchen zum Ausruhen. Yve kocht Kaffee, setzt sich an den großen Küchentisch, dessen eines Ende ihr Arbeitsplatz ist. Hinten an der Wand hängen Poster von ihr im Wald mit ihren Farben.
Sie erzählt weiter: „Ich habe schon immer Menschen aus meinem Umfeld mitbegleitet – zum Beispiel meinen guten Freund, der schließlich den Mut hatte, für sich selbst einzustehen und den Weg der Veränderung anzutreten. Das hat mich in Sachen Personal Branding beeinflusst.“ Was das heißt? Man denke der Einfachheit halber an Heidi Klum oder Ronaldo – beides Personen, die es verstehen, sich nach außen darzustellen, ganz unabhängig davon, wie man das finden mag. Klar – hier steckt ein ganzes PR-Team dahinter. Damit lässt sich aber gut der Unterschied zu einem Produkt erklären: Mit der Marke erhält ein Produkt seine Seele. Eine Personenmarke entsteht ganz anders – denn sie trägt die Seele ja schon in sich. „Es geht darum, authentisch zu sein und nicht nur irgendwie rüberkommen zu wollen, weil man glaubt, das kommt an,“ sagt Yve.
„Offenheit ist der Schlüssel zu allem“
Eine wichtige Rolle, sich nach außen zu präsentieren, hat Social Media. Hier bietet Yve Coachings an, gibt ihr Wissen in diesem Bereich weiter, leitet ihre Kund:innen an, selbst eine Strategie zu entwickeln und schließlich umzusetzen. Facebook, Instagram und Co können durchaus gut genutzt werden – abseits von Oberflächlichkeiten und schlechter Kommunikation. Auch hier gilt es, echt zu sein, bei sich zu bleiben – dann entsteht eine wahrhaftige Außenwirkung, die die „Follower“ spüren und dadurch bereit sind, eine gesunde Bindung aufzubauen. Zwei Kanäle zu bespielen, reicht dabei laut Yve für den Anfang völlig. Das hat sie gemerkt, als sie selbst loslegte – mitten in der Pandemie, die ihr aber gewissermaßen in die Karten gespielt hat, wie sie sagt: „Viele haben sich überlegt, wie sie weitermachen wollen – oder eben nicht mehr. Die unsichere Joblage hat vielen gezeigt, dass Sicherheit nur ein Konstrukt ist. Bei vielen hat das was ausgelöst.“
Yve trinkt einen Schluck Kaffee, steckt sich eine Heidelbeere in den Mund. Der Obstteller auf dem Tisch – harmonisch und vielfältig wie sie selbst. Ihre Tattoos erzählen viel von ihrer Liebe zur Natur, der kleine Punkt, den sie sich aufs untere Augenlid getupft hat, von ihrer eigenen Fokussierung. Yve ist einer der wenigen Menschen, die einen ganz offen ansehen – so offen, dass es zunächst ein wenig verunsichern mag, dann aber ganz entspannt wirkt. „Offenheit ist der Schlüssel zu allem. Ich kann inzwischen über alles reden und scheue mich nicht, alles direkt anzusprechen. Das bringt Klarheit. Sicher weiß ich, dass das nicht jeder kann – viele können ihre Gefühlswelt nicht nach außen tragen. Dann schwelt etwas so lange, bis es ganz unverhältnismäßig explodiert. Sich verletzlich und vermeintlich schwach zu zeigen, ist auch keine einfache Sache. Aber eine sehr heilsame – denn wir alle sind nicht nur stark und toll und erfolgreich.“
„Glasklar: Für andere denken“
Sie ist überzeugt davon, dass jeder Mensch sich in seiner Ganzheit zeigen darf – nicht nur privat, sondern auch beruflich. Der Leistungsgedanke und -druck, Hierarchien, Chefs, all das sieht sie im Aufbruch, weil es uns als Personen nicht gut tut. Die alten Glaubenssätze können sich verabschieden, auch wenn das nicht von heute auf morgen geht. Eine generationenlange Prägung ist nicht allein durch eine plötzliche Erkenntnis wegzuwischen. Und da kommt wieder gute Kommunikation ins Spiel: „Indem wir reflektieren und uns anderen mitteilen, werden unsere verschiedenen Wahrnehmungen deutlich,“ sagt Yve, steht auf und geht zu Lola, die auf dem Balkon wartet und die unverbaute Aussicht zu genießen scheint.
Ihr Frauli weiß, wovon sie spricht – wahrscheinlich ist Yve selbst ihr größter Kritiker, wenn auch inzwischen auf eine liebevolle Art und Weise. Mit einem Lächeln voller Selbsterkenntnis sagt sie: „Wenn ich für andere denken und planen kann, ist alles glasklar. Was mich selbst angeht, bin ich etwas zögerlicher und weniger entscheidungsfreudig. Ich habe so viele Ideen, dass ich mich oft selbst überrenne, weil ich weiß, dass ich gar nicht alles gleich umsetzen kann. Eine Ausnahme gab es allerdings: Meine eigene Selbstständigkeit. Um diesen Schritt zu gehen, wusste ich, was zu tun war.“ Aus dem Munde einer Frau, die so strukturiert wirkt, mag das erstaunen – gleichzeitig ist es unglaublich sympathisch. Die Möglichkeit, mit jemandem so wahrhaftig ins Gespräch zu kommen, dass das Zugeben von vermeintlichen Schwächen möglich ist, ist eine echte Bereicherung.
„Das Coaching war ein Brandbeschleuniger“
Und so ist auch eine Expertin in Sachen Marketing und Personal Branding froh, sich selbst professionell beraten zu lassen. Mit anderen Menschen reflektiert es sich einfach leichter – weil andere an einem sehen, was für sich selbst oft verborgen bleibt. „Ich habe gemerkt, dass ich einen Mentor brauche, der mir den nötigen Arschtritt verpasst, um den Schritt von der Idee zur Umsetzung zu gehen. Der mich daran erinnert, was ich weiß und kann. Ich kann schließlich nicht mein Geld damit verdienen, dauernd andere anzutreiben – ich muss auch selber mal einfach machen.“ Yve lacht ihr liebes Lachen mit Blick auf Lola, die ihre menschliche Freundin einfach so nimmt, wie sie ist. Bedingungslos. Auch was Schönes.
Yve erzählt offen weiter: „Das Coaching war ein Brandbeschleuniger. Jetzt traue ich meinen eigenen Worten und Plänen, auch wenn es gebraucht hat, zu dem zu stehen, was ich jetzt mache. Durch das eigene Machen lässt sich Selbstwirksamkeit erleben. Ein Scheitern gibt es nicht, sondern ein Anpassen. Es ist gut, das verinnerlicht zu haben.“
Freilich haben die aktuellen Entwicklungen der Pandemie das Digitale beschleunigt, aber genau das hatte Yve schon auf dem Schirm, als sie sich ortsungebunden arbeiten sah. Viele ihrer Kund:innen berät sie online, da sie gar nicht in der Region leben. Und wie kommt sie an ihr Klientel überhaupt ran? „Ich habe mich auf Plattformen angemeldet und auf Freelancer-Projekte beworben, mein eigenes Social Media aufgebaut. Das ist gut gelaufen, ich komme heute über die Runden. Wichtig ist es, im Vertrauen zu bleiben, dass alles gut kommt.“
Was Echtes ist lange nicht perfekt
Yve sagt das, weil ihr selbst das nicht immer leicht gefallen ist. Im vergangenen Winter hatte sie eine schwere Phase – vermutlich eine der dunkelsten ihres Lebens. Die Luft war raus und sie hatte keine Motivation und Kraft mehr, Sport zu machen. Ein eindeutiges Zeichen für die ansonsten begeisterte und ausdauernde Sportlerin. Nun war mal nicht mehr der Körper dran, das Außen, sondern die Seele, ihr Innenleben. „In dieser Zeit habe ich einen großen Entwicklungssprung gemacht, habe gelernt, was Selbstfürsorge und Selbstliebe wirklich bedeutet. Jetzt fühlt sich wieder alles leichter an, ich sportle wieder, es geht mir gut.“
Der Gewinn an Yves innerer Harmonie zeigt sich nun auch deutlich im Außen. Ihre Wohnung, ihre Kleidung, ihre Neuausrichtung – alles trägt ihre Farben. Ein sattes, aber feines Grün, das ihre Naturverbundenheit symbolisiert, aber auch klassischerweise Stärke, Mut und Wachstum, dazu Vertrauen, Natürlichkeit und Authentizität. Ergänzt wird das Grün mit einem rötlichen Ton, der für Sensibilität und Weichheit steht. All diese Qualitäten vereinen sich in Yves Schaffen. Bei ihr wird Marketing zu etwas Echtem. Und was Echtes ist lange nicht perfekt, sondern eben das, wovon so viel geredet wird, es aber kaum zu finden ist: authentisch. Yve nickt Lola zu, die erwidert den Blick und kuschelt sich seufzend ein. Heute muss nichts Großes mehr passieren. Einfach sein genügt schon.