Steuerberater Karl Toldrian: vom Buchhalter zum Datenjongleur
Pocking Mitte. Auf der einen Seite steht das Rathaus, auf der anderen das Gebäude, in dessen Obergeschoss die Räumlichkeiten der Steuerkanzlei Toldrian liegen. Das ist der Nachname des Chefs Karl, der 41 Jahre alt ist und hier einen Teil seiner Kindheit verbracht hat. Mit seiner Kanzlei hat er sich auf Firmengründungen und Online-Händler spezialisiert und beweist im Portrait, dass die Arbeit eines Steuerberaters nicht so staubig sein muss, wie man vielleicht meinen möchte.
„Meine Oma wollte wissen, dass es weitergeht“
Wir sitzen im Besprechungsraum mit Blick aufs Rathaus. Draußen herrscht trübes Januarwetter, drinnen gibt es Kaffee, in den Regalen Fachbücher, die höchstens noch dekorativen Zwecken dienen, auf dem Tisch liegt der obligatorische Taschenrechner samt Block und Kugelschreiber. „Das war mal das Wohnzimmer meiner Oma,“ sagt Karl. Mit der Oma und den Eltern hat er seine Kindheitsjahre in diesem Haus verbracht. Der heutige Parkplatz ist der einstige Garten. Dort hat Karl Fußball gespielt, erste Partys gefeiert – und dort stand auch der Apfelbaum, der die Früchte für Omas legendären Strudel lieferte. „Meine Oma wollte wissen, dass es weitergeht. Dass heute hier mein Büro ist, ist sicher in ihrem Sinne,“ sagt er.
Noch bevor die Kanzlei hier einzog, lebte Karl mit seiner eigenen Familie hier. Seine Mädels sind heute elf und 16 Jahre alt, er gibt damit einen recht jungen Papa ab. Auch hier erinnert er sich an die Oma, die zu sagen pflegte: „Kinder muss man bekommen, wenn man jung ist.“ Selbst, wenn das zunächst eine gewaltige Umstellung bedeutete, wie der 41-Jährige selbst sagt: „Meine Frau und ich haben beide noch studiert und unsere Freunde waren noch Lichtjahre von eigenen Kindern entfernt.“ Heute ist er froh, dass sie als Paar diese logistische Herausforderung gemeistert haben – Kinder, Studium, Prüfungen, Jobs, Sport, Freizeit, Freunde… In so jungen Jahren genügte die Energie für alles.
Der Steuerberater: „Ich lasse mich gern verbessern“
Heute sind die Kinder aus dem Gröbsten raus, wie man so schön sagt. Und Karl ist noch immer jung genug, um für sein Steuer-Baby Energie zu haben. Seit mittlerweile neun Jahren ist er selbstständig unterwegs. „Es läuft hervorragend,“ sagt Karl und hat nur gute Worte für seine gut 15 Mitarbeiter übrig. Bester Einsatz, gute Stimmung, fester Zusammenhalt, super Umgangston, keine übertriebenen Hierarchien – all das sagt er und sieht dabei sehr zufrieden aus. Nur eins sucht Karl seit einer Weile vergebens: eine:n weitere:n Steuerberater:in oder ein:e Steuerfachangestellte:n, Personal, das er dringend bräuchte, um die Auftragslage zu bewältigen. Er weiß: „Das möchte heute kaum noch einer lernen. Noch vor ein paar Jahren gab es in der Berufsschule Passau drei Klassen – aktuell ist es eine mit nur zehn Schüler:innen.“
Warum möchte man denn überhaupt Steuerberater werden? Feuerwehrmann, Pilot, Baggerfahrer, Steuerberater? Eher nicht, oder? „In der Schule war ich ein Mathetyp. Ich war nie schlecht, aber auch nie besonders fleißig,“ erinnert sich Karl Toldrian. Nach dem Abitur folgte das BWL-Studium. „Das war gut, das Thema Steuern hat mich einfach interessiert und ich hab mich schon zu Vordiplomzeiten festgelegt,“ erzählt er. „Mir war klar, dass ein langer Ausbildungsweg vor mir liegt.“ Manche seiner bestehenden Mitarbeiter:innen haben den heutigen Chef noch als Student kennengelernt. „Sie haben mir viel beigebracht und ich lasse mich auch heute noch gern verbessern und kritisieren,“ sagt Karl und lacht.
Zwei Pockinger in Ohio
2009 legte Karl sein Examen zum Steuerberater ab. „Das war nicht ohne. Die Durchfallquote ist sehr hoch. Da hab ich zum ersten Mal richtig lernen müssen,“ erzählt er. Bei den Eltern hat er sich dazu im Keller eingesperrt und sich geschworen: „Das mach ich kein zweites Mal.“ Das war auch nicht nötig – nach den bestandenen Prüfungen durfte sich Karl endlich mit dem Titel Steuerberater schmücken. Aufatmen auf allen Seiten – auch bei seiner Frau, die mit der älteren Tochter viel auf ihn verzichten musste, ihn aber immer unterstützt hat, wie Karl sagt.
Da kommt er schon ins Schwärmen und er erzählt gern ihre außergewöhnliche Kennenlern-Geschichte: Damals im Studium ging Karl für ein Jahr in die USA, nach Ohio. Und genau dort ist er seiner Frau näher gekommen – auch eine Pockingerin. Vom Sehen haben sie sich schon gekannt, bevor es über den großen Teich ging, haben sie sich noch auf bayerischen Boden auf einen Kaffee verabredet und fanden sich gar nicht zwider. Drüben haben sie im selben Haus gelebt und so ergab eins das andere. Zeitgleich war Karls Schwester in den USA. Da bangten die Eltern schon, die Kinder würden nicht mehr zurückkommen. Unbegründet.
„Essen hält Familien zusammen“
Karl ist mit seiner Frau mittlerweile 17 Jahre lang verheiratet und beide sind ihrer Heimat Pocking treu geblieben. „Pocking ist keine Schönheit, aber ich fühle mich wohl hier. Ich schätze den ländlichen Raum und die Möglichkeit, gleich von daheim weg spazieren zu gehen. Das ist Lebensqualität.“ Dazu tragen auch die Großeltern bei, die wichtige Bezugspersonen und aus dem Alltag nicht wegzudenken sind. Seine Frau arbeitet als Lehrerin am Simbacher Gymnasium, Englisch, Wirtschaft und Geschichte, „das ist ihre Bestimmung.“ Oft gehen die Mädels von der Schule zu Oma und Opa zum Essen und Hausaufgabenmachen.
Auch seine ältere Schwester ist nicht in den USA geblieben. Sie lebt heute in Chieming. Und die jüngste Schwester hat sich in Berlin niedergelassen. Oft sehen sich alle miteinander nicht und wenn, dann genießen alle die gemeinsame Zeit. Meistens mit einem guten Essen von der Mama. „Essen hält Familien zusammen,“ da ist sich Karl sicher. „Ich komme aus einer guten, intakten Familie,“ sagt er über sein Elternhaus. Mit drei Frauen ist er aufgewachsen – und drei Frauen sind auch heute seine Familie. „In vielen kleinen Alltäglichkeiten muss ich mich der weiblichen Übermacht beugen,“ sagt Karl und schmunzelt gemütlich. Und weil er es von daheim nicht anders kennt, kommt er auch im Büro mit seinen Kolleginnen bestens zurecht.
„Wir sind Prozessoptimierer“
Sein Büroalltag ist nur halb so klischeehaft, wie man denken möchte: Nur Zahlen eintippen, mit dem Finanzamt reden, Kaffee trinken und Ordner wälzen – so läuft das bei ihm nicht. Eins von Karls Spezialgebieten sind Existenzgründungen: „Mein erstes eigenes Mandat war ein Freund, mit dem ich Tennis gespielt habe. Er hat sich selbstständig gemacht und ich durfte ihn auf seinem Weg betreuen.“ Das Wissen, das sich Karl dadurch angeeignet hat, erweitert er nun laufend. Er unterstützt Gründer in sämtlichen Fragen – von der Bewertung der Gründungsidee bis hin zur Finanzierung und der Beantragung von Zuschüssen und Förderungen. „Das macht meinen Beruf viel lockerer,“ sagt er.
Gerade bei den Neugründungen gibt es viele knifflige Fälle. Manches ist schwer einzuordnen, weil noch keine gesetzlichen Regelungen existieren. Zum Beispiel im Bereich elektronische Dienstleistungen oder Onlineshops. In den vergangenen Jahren hat sich gerade bei letzteren viel getan: In Sachen e-Commerce hat sich Karl zum Spezialisten entwickelt – einer von wenigen in ganz Deutschland. Alles läuft digital: „Wir richten Schnittstellen ein, sind im Grunde Prozessoptimierer. Alles wird automatisch eingelesen und verbucht. Meine Arbeit hat sich vom klassischen Buchhalter zum Datenjongleur gewandelt,“ erzählt Karl. Auch große Online-Händler zählt er zu seinen Mandanten – „das wäre manuell gar nicht zu händeln.“ Und weil alles auf dem digitalen Weg läuft, hat Karl deutschlandweit zu tun – eine spannende Entwicklung.
„Jetzt werde ich langsam entspannter“
In den ersten Jahren hat sich der Steuerberater nur wenige Urlaubstage im Jahr gegönnt. Wenn er abends aus dem Büro kam, brachte er die Kinder ins Bett, um danach bis Mitternacht weiterzuarbeiten. Am Sonntag nach dem Frühstück folgte die Vorbereitung auf die Woche. Das verlangte nicht nur ihm selbst viel ab – auch die Familie musste viel einstecken. Heute läuft das nicht mehr so: „Ich bin besser und effizienter geworden. Ich habe Erfahrungen gesammelt und fühle mich viel sicherer. Das gute Vertrauensverhältnis zu meinen Mandanten spricht dafür.“ Und das erlaubt es Karl, sich auch mal eine Auszeit zu gönnen, in der er mit der Familie gern Ski fährt, auf Berge steigt, musiziert oder einfach nur auf dem Kanapee sitzt und gemütlich einen Film schaut. Oder aber die Toldrians Essen was Feines zusammen – denn wie wir wissen: Das hält die Familie zusammen.