Daniel Schmidt: Würzige Umdrehungen aus Holz
Wer mit neun Jahren seinen ersten Schweinsbraten allein zubereitet und sich mit elf Jahren eine Drechselbank zum Geburtstag wünscht, ist seinem Alter schon ein Stück voraus. Wer sich mit 14 Jahren eine 2.500 Euro teure, bessere Drechselbank zusammengespart hat und sobald es gesetzlich erlaubt ist, nämlich mit 16 Jahren, ein Kleingewerbe anmeldet, der hat mit 24 Jahren definitiv was zu erzählen. Daniel Schmidt lacht, nickt, sitzt am elterlichen Küchentisch, dreht ein kleines Pfefferkorn zwischen Daumen und Zeigefinger. „Ginpfeffer hab ich bisher nirgendwo entdecken können,“ sagt er über seine persönliche Weltneuheit, die bald in seinem Onlineshop sowie bei seinen Vertriebspartnern zu haben sein wird. „Würzholz“ hat Daniel seine Marke genannt, unter diesem Namen bietet er handgedrechselte Mühlen sowie feine Gewürze an.
Bevor mir Daniel seine Werkstatt zeigt, fangen wir nochmal ganz von vorn an mit seiner Geschichte, die in Rackersbach bei Hebertsfelden beginnt, wo er aufgewachsen ist und bis heute lebt. Schon als Bub hat er sich fürs Handwerk interessiert – als bekennender Pumuckl-Fan war wohl auch Meister Eder nicht ganz unschuldig an seiner Begeisterung. Mit elf Jahren bekam er also seine erste Drechselbank geschenkt, ein nicht zu teures Modell, das in den Augen des Buben darum auch nicht zu viel hermachte. Daniel sparte sämtliche Gelder, die er zu den Geburtstagen, zu Weihnachten und zur Firmung bekam und erstand mit zarten 14 Jahren die Drechselbank seiner Träume, eine Hager, die den Kennern der Branche ein Begriff ist. „Das war schon brutal viel Geld,“ sinniert Daniel zehn Jahre später.
Der drechselnde Schreinergeselle
Seine Eltern begleiteten ihren Sohn auf Christkindlmärkte, wo er seine gedrechselten Werke verkaufte, Schalen und Dekogegenstände. Sobald er 16 Jahre alt war und offiziell selbst geschäftsfähig, meldete er sein Kleingewerbe an, denn nun war längst klar, wie sehr ihm sein Hobby im Blut lag. Was genau er für einen Beruf ergreifen wollte, wusste er nicht gleich – die Wahl fiel dann auf das Schreinerhandwerk. Eine naheliegende Entscheidung, so dachte er, der Umgang mit Holz bereitete ihm schließlich viel Freude. Schnell stellte Daniel aber fest, dass er kein Möbelschreiner war und auch die Arbeit auf den Baustellen taugte ihm nicht. Als Erinnerung an seine Lehrzeit hängt in der gut beheizten Stube der Eltern sein Gesellenstück: eine Hängevitrine aus Nussbaumholz mit Beleuchtung. Auch wenn er es auf der Messe „Heim + Handwerk“ ausstellen durfte, ließ er das Schreinern schnell bleiben.
Schon während seiner Lehrzeit hatte Daniel nämlich andere Dinge mit Holz im Sinn, gedrechselt, versteht sich. Mit 17 Jahren saß er mit einem Spezl bei der Brotzeit und drehte an einer Pfeffermühle, die ihm nicht gefiel. Das müsste man doch besser machen können? Gesagt, getan. Und weil Daniel die Umsetzung allein nicht reicht, sondern auch ein gewisser Anspruch sein Wesen beherrscht, perfektionierte er sein Können und stellt heute im siebten Jahr Mühlen her. Wie das geht, muss ich jetzt mit eigenen Augen gesehen haben, findet Daniel, und lotst mich durch den Garten in seine Werkstatt, die in einem schwarz lackiertem Container steckt.
Dahinter gackern ein paar Hühner samt Hahn, dort watscheln einige Enten. Bei Daniel kommt die Besucherin schnell vom Hundertsten ins Tausendste, so viel habe ich auch schon verstanden. „Ich esse gern Fleisch, aber hochwertig muss es sein. Ich bin Fan von Weidehaltung und -abschuss und von Mutterkuhhaltung,“ sagt er. „Und wenn ich Geflügel essen will, muss ich auch selbst fähig sein, es zu schlachten.“ Bevor dies geschieht, dürfen die Tiere auch gern noch ein paar Eier legen, darum hat sich Daniel für die Zweifachnutzhühner der Gattung Australops entschieden. Nur Gickerl Henry bekommt das Gnadenbrot, alle anderen werden früher oder später genossen. „Das Fleisch schmeckt anders gut,“ schwärmt Daniel.
Das Runde aus dem Eckigen
Kulinarik und Handwerk liegen bei ihm eben eng beieinander. In der Werkstatt wissen die Augen gar nicht, so sie zuerst verweilen sollen. In einem Regal stehen fertig gedrechselte Mühlen, überall liegt und hängt Werkzeug und das eindeutige Herzstück ist die grüne Drechselbank aus Gusseisen. „Das ist die Heidi aus den Bergen,“ stellt Daniel die Maschine der Marke Geiger vor, „der Rolls Royce unter den Drechselbänken. Sowas wird heute nicht mehr gebaut.“ Und jetzt kommt der Clou: „Genau diese Drechselbank ist bei einer Pumuckl-Folge zu sehen. Da besucht der Meister Eder einen Freund, bei dem die Maschine steht.“
Und was sind das eigentlich für Hörner, die da und dort zu sehen sind? Daniel lacht: „Ich hab den letzten Horndrechslermeister Bayerns gekauft. Der kam aus dem Chiemgau und hat eigentlich einen Nachfolger gesucht.“ Also hat sich Daniel zudem im Drechseln von Büffelhörnern versucht – die Nachfrage hält sich aber bislang in Grenzen. Hin und wieder drechselt er Rasierpinsel oder für einen Kunden gewisse Mundstücke für den medizinischen Bereich. Außerdem bietet er die übrigen Hörner als Kauknochen für Hunde an, was auch seine Franzi freut.
Jetzt wird es Zeit, sein Können zu demonstrieren. Daniel nimmt ein Kantholz zur Hand und sagt mit einem Zwinkern: „Die Aufgabe eines Drechslers ist es, was Rundes aus was Eckigem zu machen. Beim Schreiner hört der Verdienst auf, wo es rund wird.“ Er spannt das Stück in die Maschine, schaltet sie ein, erstaunlich ruhig läuft das Gerät. Und dann fliegen die Späne, dass es eine Freude ist! Daniel hat sein Arbeitsgesicht aufgesetzt, konzentriert schruppt er das Stück Holz, bis es ziemlich schnell rund ist und schon sehr geschmeidig aussieht. Jetzt schlichtet er es mit dem Ovalmeißel, „dem Hobel des Drechslers“, wie er erklärt. Zwischendurch prüft er mit der Hand, ob das nun zylindrische Holzstück eben ist.
Selbst beigebracht hat er sich sein Handwerk, das er mit 24 Jahren immerhin schon länger als die Hälfte seines Lebens betreibt. Nun rückt er dem Holz mit Schleifpapier zu Leibe, die Späne verwandeln sich in feinen Staub. Der Vorgang hat nicht einmal fünf Minuten gedauert und schon lässt sich die künftige Mühle erahnen. Daniel nimmt ein Exemplar vom Regal, das Nussbaumholz weist zwei Farben auf, hell und dunkel, Kern- und Splintholz, wie Daniel erklärt: „Der äußere Mantel, der gleich hinter der Rinde liegt, ist heller als der Kern und heißt Splint.“ Er öffnet eine Schublade, darin liegen Mahlwerke. So eins fehlt dem Modell noch. Ein wenig gedrückt, sachte geschraubt und die Pfeffermühle ist bereit, das Ihre zu tun.
„Ich experimentiere mit Geschmäckern“
„Mahlwerke hab ich viele ausprobiert, bis ich zufrieden war,“ erzählt Daniel. „Bis ich festgestellt habe, dass die Firma Stressler aus der Schweiz die besten herstellt. Die sind komplett aus Stahl, im Grunde ewig haltbar. Das Gute daran ist, dass man die komplett öffnen und reinigen kann.“ Im Lauf der Zeit können die im Pfeffer enthaltenen Öle das Mahlen erschweren. Bei Salz verhält sich die Sache anders: „Da ist eher das Problem, dass die Mahlwerke rosten. Wenn über den dampfenden Töpfen gemahlen wird, kondensiert das und dann gibt’s Probleme.“ Nicht aber bei Daniel – er verwendet die Aluminium-Mahlwerke vom „Wauwau“ aus Wien, „die laufen nicht an“.
Jetzt geht’s zurück an den Küchentisch, das Feuer knistert im Ofen, die Mama kocht in der Küche nebenan das Mittagessen. Schnell wird klar, dass sich Daniel im Laufe der Jahre seinen Expertenkreis aufgebaut hat. Und die Geschichte ist natürlich noch längst nicht zu Ende. Wer sich gefragt hat, was Daniel denn „hauptberuflich“ macht, bekommt gern eine Antwort. „Ich bin Maschinist in einem Kieswerk, fahre Lader und Raupen,“ sagt Daniel mit einem Lachen. Seine Arbeit dort behält er gern bei, was nicht heißen soll, dass er mit Würzholz nicht Gas gibt. Das tut er mit seiner Drechselkunst und den Mühlen, aber auch damit, was in die Mühlen gefüllt wird: Pfeffer, Salz und Gewürze.
Dabei setzt er auf beste Qualität, die ihm seine Händler garantieren. Sein Pfeffer unterscheidet sich maßgeblich von der Massenware und jetzt sprudelt es regelrecht aus ihm hervor. Daniel erzählt von bäuerlichen Erzeugergemeinschaften aus Mischkulturen. „Der Pfeffer wird von Hand gepflückt, das ist viel Arbeit.“ Er fachsimpelt von schwarzem und grünem Pfeffer: Die Beeren werden hier unreif geerntet und getrocknet. Die frühe Ernte geschieht aus praktischen Gründen: So wird sichergestellt, dass die Beeren nicht verfaulen. Weißer Pfeffer hingegen wird vollreif geerntet. Pfeffer schmeckt immer anders, wie er riecht. Und er ist bei trockener Lagerung im Grunde „ewig“ haltbar, auch wenn ein Mindesthaltbarkeitsdatum Vorschrift ist. „Ich probiere gern aus und experimentiere mit Geschmäckern,“ sagt Daniel. Dazu gehört für ihn natürlich auch das Kochen. „Magst Du mal die Soße probierten?,“ fragt die Mama. Daniel probiert, gibt noch einen Tipp, weiter geht’s. In herkömmlichen Pfeffermischungen befindet sich oft recht viel Chemie, weiß er. Damit wird Schimmelbefall entfernt. Dasselbe gilt für Salz. Er schüttelt sich, da graust es ihm.
Vom Schweinsbratenreinheitsgebot bis zum Ginpfeffer
Zwischendurch schnupft Daniel eine Prise, auch so eine aromatische Angewohnheit. Dann philosophiert er weiter. Von seinen Experimenten – Whiskeypfeffer und Ginpfeffer zu kreieren, vom Steinsalz aus Pakistan, von Zimtblüten und erstklassigen Muskatnüssen, für die er ebenfalls eigene Mühlen erdacht hat. In der Entwicklung steht gerade Zirbensalz, mit geraspelten Zirbenzapfen aus dem Lungau, wo er einen Spezl hat. Und da gibt es seine eigenen Kreationen, Käsepfeffer, Steakpfeffer, den Gemüseallrounder und seit neuestem auch das Schweinsbraten-Reinheitsgebot, das allein aus Pfeffer, Salz und Kümmel besteht und somit auch eine kleine Dreifaltigkeit ist. Womit wir wieder bei der Basis sind, bei dem neunjährigen Daniel, der einst seinen ersten Schweinsbraten serviert hat.
Heute bringt er alles unter einen Hut: kochen, drechseln, Freundin, Familie, Anstellung, dazu den Vertrieb und verpackt und etikettiert wollen die Gewürze freilich auch werden. Einen Onlineshop pflegt Daniel auch noch und dann sind da auch das Geflügel und die geselligen Abende mit den Spezln. Ach ja, Tontaubenschießen und Hündin Franzi sind ebenfalls noch zwei wichtige Aspekte in Daniels Leben. Langweilig wird’s ihm gewiss nicht. Gleichzeitig liegt ihm was daran, seine Werte zu vertreten und was abzugeben von seinem Glück. Mit den Erträgen von Würzholz unterstützt Daniel ein nepalesisches Bergdorf, die Aktion heißt „Back to life“, damit werden Brunnen und Schulen gebaut und ein Geburtshaus ist in Planung. Die Initiatorin reist selbst immer wieder nach Nepal, bringt Daniel im Gegenzug Gewürzproben mit. Irgendwann einmal soll eine bäuerliche Erzeugergemeinschaft entstehen und irgendwann einmal reist Daniel vielleicht selbst nach Nepal, „würd mich schon interessieren“.
„Zirbe riecht einfach so gut“
Derweil kümmert er sich um die Entwicklung seiner Marke, ein spannender Weg. Viele Fragen galt es da zu klären. Das Logo? „Eigentlich wollte ich ein Faultier drin haben, aber das hatte dann irgendwie jeder,“ sagt er. Jetzt zieren zwei schlichte Blätter des Pfefferstrauchs die klare Schrift und er ist sehr zufrieden damit. Dann die Entscheidung: Worin sollen die Gewürze verkauft werden? In Gläsern, Dosen oder Tüten? Die Wahl fiel auf Standbodenbeutel, gut zu verstauen. Seit letztem Jahr sind seine Gewürze auf dem Markt, genauer seit dem 1. September. „Das ist mein Geburtstag und das war mein Ziel,“ sagt Daniel und zieht noch eine Prise. Seitdem entwickelt sich sein Vertrieb kontinuierlich weiter, die Edekas Heizmann in Pfarrkirchen und Anzeneder in Tann bieten seine Gewürze an, dazu Rewe Kindermann in Pfarrkirchen und Rewe Leutzinger in Eggenfelden, die Vinothek Wahre Werte in Eggenfelden, die Genusswelt Bodenmais, die Kramerei am Kreisel in Dorfen, die Pfarrkirchner Dorfladenbox, Freitags Nudelwerkstatt, die Kochwerkstatt in Vilsbiburg und nicht zuletzt der Hebertsfeldener Bäcker Zellhuber. Und immer wieder kommen neue Vertriebspartner dazu.
Regionalität, das ist es, worauf Daniel setzt. Das Holz kommt von Bauern aus dem Umkreis, geschnitten wird es mit der eigenen Bandsäge, getrocknet wird es auch selbst. Die Vielfalt an Hölzern garantiert ihm ein regionaler Händler. Sein liebstes Holz kommt übrigens vom Kirschbaum. „Ich mag das leicht Grünliche“, verrät Daniel. „Und Zirbe. Die riecht einfach so gut.“ Die Appenzeller Hündin Franzi liegt wohlig grunzend seinem Herrli zu Füßen, aus der Küche duftet es immer feiner. Nach dem Essen wird sich Daniel wieder an die Arbeit machen, heute muss noch abgepackt werden. Das geschieht im Haus des Opa in Linden, ein paar Kilometer weiter. Und man kann sich sicher sein, dass ihm noch viel einfällt, wenn der Tag lang ist…