Simone und Lorenz Bieringer: „DAS BIERINGER. soll ein Geheimtipp sein“
Die Sommersonne scheint an diesem Tag heiß von einem strahlend blauem Himmel. Auch in Willenbach Richtung Reut, wo linkerhand ein Vierseithof liegt. Von der Straße aus ist das Gebäude-Ensemble nicht gleich erkennbar, auf dem Parkplatz kommt das erste Aha – die vierte Seite ist ganz besonders… Und beim Öffnen des hölzernen Tores wird klar: Das ist ein besonderer Hof. Einer mit Geschichte, einer, der weiterlebt, einer, der eine neue Bestimmung bekommen hat. Aus dem besonderen Trakt treten Simone und Lorenz Bieringer mit einer herzlichen Begrüßung und der Aufforderung, doch hereinzukommen.
Da liegt Professionalität und Effizienz in der Luft
Zuvor lasse ich den Blick noch über den Innenhof schweifen: Begrünt ist er, gesäumt von Kopfsteinpflaster und roten Backsteinen. Das Haupthaus liegt prächtig da, flankiert von den beiden Nebengebäuden. Gegenüber stehen ein großer Backofen und das besagte Gebäude, in dem einst Bullen gemästet wurden, wie Lorenz Bieringer, der sich auf gut rottalerisch Lenz nennt, erzählt. Und dort hinein geht es jetzt. In einen riesigen Raum, der sehr gut duftet und eine große Ruhe ausstrahlt. Es riecht nach Holz. Die Eiche zieht sich durchs gesamte Hof-Ensemble, wie ich noch sehen werde. An den Decken hängen große Lampen. Zwischen den Eingangstüren wartet ein immenser Kaminofen auf kältere Tage. Es gibt eine Theke, einen eigenen einsehbaren Raum für Wein, eine große offene Küche mit mehreren Kochstellen. Mächtige Tische laden ein zum gemeinschaftlichen Essen und Beisammensein.
An so einen großen Tisch setzen wir uns, Simone und Lorenz Bieringer und Regina Ramstetter gesellt sich auch dazu. Sie ist diejenige, die DAS BIERINGER. öffentlichkeitswirksam zur Geltung bringt. Zahlen, Daten, Fakten warten auf dem Tisch, da liegt Professionalität und Effizienz in der Luft, die verrät: Die Bieringers haben es in ihrem Alltagsgeschäft mit Chefs zu tun, mit Geschäftsleuten. Genau das ist Lenz‘ Business – mit seiner Firma LenzB hat er sich einen Namen in der Unternehmensberatung gemacht. Nach einer klassischen Bankausbildung schloss er den Betriebswirt an, kündigte nach der letzten Ausbildungsstufe – „Ich wollte einfach mal schauen, ob ich’s theoretisch könnte“ – und ging in die freie Wirtschaft. Nach elf schönen Jahren bei Schlagmann war es für Lenz Zeit, sein eigener Herr zu sein.
Während ihr Mann spricht, schaut Simone ihn immer mit einem warmen Lächeln an, flickt eine kleine Anekdote ein, legt ihm die Hand auf dem Arm. Da herrscht eine tiefe Verbundenheit – diese beiden sind froh umeinander, das ist sichtbar. Simone ist seit vier Jahren daheim im Rottal, sie kommt aus der Oberpfalz, aus Kondrau. Lenz und sie haben es nochmal gewagt, nachdem die ersten Ehen ein Ende fanden. Simone hat einen Sohn und eine Tochter aus erster Ehe, Elias und Lisa, die von Lenz wie die eigenen Kinder gesehen werden. Kennengelernt haben sich die beiden 2012 – damals stellten sie ihre eigenen Interessen noch hintenan, pendelten abwechselnd hin und her. Schon bald war ihre gemeinsame Tochter Amelie unterwegs. Zunächst noch kein Grund für das Paar, zusammenzuziehen. Erst als die großen Kinder mit der Schule fertig und flügge waren, bekam Simone von Lenz einen Heiratsantrag. Vielmehr war es seinerseits eine klare Entscheidung: „Wenn unsere Tochter in die Schule kommt, wird das in Niederbayern sein.“
Simone: „So ist der Lenz. Ganz klar“
Simone lacht über die Erinnerung: „So ist der Lenz. Ganz klar. Das schätze ich sehr an ihm.“ Lenz legt einen Arm um ihre Schulter, lächelt. Sicher steckt viel Geschäftsmann in ihm, aber auch Familienmensch. „Mit LenzB war ich viel unterwegs. Pro Jahr 80 Inlandsflüge und 70.000 Kilometer mit dem Auto. Das war irgendwann genug. Ich ging Richtung 50 und brauchte das nicht mehr.“ Simone nickt: „Ich hab gesagt: Ich ziehe doch nicht nach Niederbayern, um dort allein zu sein.“ Nein, alleine ist die 48-Jährige gewiss nicht. Lenz ist heute 51 Jahre alt und hat den Schwerpunkt seines Lebens nach Willenbach verlegt. Hier am Hof ist er aufgewachsen, hier hat er im Grunde immer gelebt, auch wenn sein eigenes Wohnhaus auf der anderen Straßenseite liegt. Bis zu ihrem Tod vor wenigen Wochen war hier auch noch seine Mutter daheim. Sie hat den Wandel des Hofs verfolgt und gutgeheißen, war richtig stolz darauf, was ihr Bub aus der Heimat gemacht hat. Auch ihr ging es darum, die Hofstelle lebendig zu halten.
Seit 1990 wurde hier schon keine Landwirtschaft mehr betrieben, „mit 62 hat der Papa aufgehört, er war nicht mehr fit.“ Zuvor, ja zuvor, haben hier immer Tiere gelebt. Nach dem Tod der Mama kamen alte Dokumente zum Vorschein, die die Geschichte des Hofs noch ein wenig lebendiger werden ließen. Der Opa zum Beispiel war Tierheilpraktiker. Und das Wohnhaus hat immer viele Menschen beherbergt, große Familien im Wandel der Generationen – und nach dem Krieg wie überall auf dem Land auch Flüchtlinge. Wenn Lenz über den Hof spricht, tut er es mit Freude. Die starke Bindung zu seinem Zuhause war es schließlich auch, die ihn auf die Idee brachte: Warum nicht hier Leben und Arbeiten verbinden?
Und so wurden den Gebäuden neue Bestimmungen zugeführt: Im linken Seitentrakt befand sich einst das Heulager und darunter der Kuhstall – heute finden sich dort die Gästezimmer wieder. Der „Schroud“ ist erhalten geblieben und fügt sich schön ins Bild. Hell und freundlich sind die Zimmer, gemütlich eingerichtet mit komfortablen Bädern. Hier schlafen die Tagungsteilnehmer, die Lenz am Hof coacht – sonst niemand. Dem Haus- und Hofherren ist es zudem wichtig, dass immer nur ein Unternehmen vor Ort ist, damit sich die Leute unter sich und frei fühlen können. Zu der Privatsphäre und Ruhe bietet er ihnen ein wenig Wellness: eine Sauna und eine Infrarotkabine. Unter den Gästezimmern hat die Mama in einer eigenen Wohnung gelebt. Davor hat Simone eine Tellerhortensie gepflanzt, „für die Mama, weil sie die so gern gemocht hat.“
Lenz: „Ich will meinen eigenen Impulsen nachgehen“
Der rechte Seitentrakt war der Saustall. Heute finden sich dort die Seminarräume wieder. „Tagungshotels sind gruselig. Weiße Tische, kaltes Licht, Teppichböden und Klimaanlagen – wie im OP,“ sagt Lenz aus Erfahrung. Er hat’s anders gemacht: Jeder Seminarraum ist mit Eichenholz ausgestattet, hat eine Küche, gemütliche Stühle und damit eine Atmosphäre, in der es sich ganz anders arbeiten lässt. Persönlicher und ein Stück menschlicher.
„Ich laufe nicht gern Trends hinterher,“ sagt Lenz. „Ich will meinen eigenen Impulsen nachgehen.“ Auf nur zehn Monate wurde der gesamte Umbau gestemmt. Ja, dazu braucht es schon eine Portion Mut. Die hat er, weil er auf seinem langjährigen Erfahrungsschatz aufbauen kann, weil er in seine Fähigkeiten vertraut und weil er nicht alleine dasteht, sondern das beste Team an seiner Seite hat: Allen voran seine Frau Simone, die drei Tage die Woche halbtags in einer Mühldorfer Steuerkanzlei arbeitet, dazu den Großteil an Haushalt, Kinderzeit und „vielen Dingen im Hintergrund“ stemmt. Regina Ramstetter, die Texterin und Mittlerin. Die kreative, singende Köchin Maria Hager sowie Bürokraft und Restaurantfachfrau Susanne Waldner. „Alle sind wichtig, dass unser Vorhaben gelingen kann,“ sagt Lenz. „Unsere Mitarbeiter sind unser Kapital.“ Das gilt für Festangestellte und gleichlautend für unsere Aushilfen.
So steht DAS BIERINGER. seit seiner Eröffnung im Dezember 2019 auf absolut soliden Beinen da. „Hier bieten wir unseren Gästen Veranstaltungen auf hohem Niveau an. Wir wollen ein Geheimtipp sein,“ sagt Lenz. Und dabei begann alles mit Kesselgulasch im Hof… „Simone wurde das irgendwann zu unprofessionell. Da wir es genießen, mit anderen Menschen zu kochen, war die Idee, den Stadl umzubauen, recht schnell geboren.“ Er schwärmt von Simones Qualitäten einer Innenarchitektin, sie von seinem Händchen fürs Konzeptionelle. „Lorenz ist ein Macher,“ sagt sie mit einem liebevollen Seitenblick.
Lenz: „Da muss Leidenschaft dahinterstecken!“
Die ersten Veranstaltungen des Jahres trugen köstliche Namen: Im Januar wurde „geschnillt“, also im Winter gegrillt. Bei einem Backkurs im Februar lernten die Teilnehmer, wie das bayerische Schmalzgebäck „Auszogne“ geschaffen wird, ein Kochkurs drehte sich um die bayerische Küche, Ende Februar hieß ein Schlemmertag „Fleisch ist mein Gemüse“. Und dann kam Corona und vorbei war es mit all den liebe- und mühevoll erdachten Veranstaltungen. Heuer wird nicht mehr alles laufen. „Unser Ansatz ist zu persönlich, als dass wir langfristig mit Maske umherlaufen wollen. Also warten wir auf bessere Zeiten,“ sagt Lenz. Er kann das, weil sein Auskommen nicht davon abhängt. Das generiert er mit seinen Firmen-Coachings sowie Seminaren am Hof, die Manager und Mitarbeiter gleichermaßen ansprechen. „Digitales Heilfasten“, „Strategie macht Zukunft“ oder „Gebrauchsanweisung agiles Führen“ lauten die Titel.
Lenz‘ Anspruch ist groß: Die Menschen sollen sich weiterentwickeln können. „Was vielen Führungskräften fehlt, ist Sozialkompetenz und der Blick fürs Wesentliche. Oft sind sie exzellente Fachkräfte, können aber nicht führen. Für Angestellte ist es aber wichtig, dass Vorgesetzte berechenbar sind – und dazu ist Ruhe und Gelassenheit gefragt.“ Lenz schmunzelt: „Die Chefs sind ja freiwillig Chefs – da muss das Freude machen, da muss Leidenschaft dahinterstecken!“ Er lehnt sich zurück, denkt sichtbar an seinen eigenen Lebensentwurf.
Lenz gelingt es, die guten Seiten an der C-Zeit zu sehen: Da war plötzlich ein Durchatmen möglich. Und da war plötzlich noch viel Zeit für die Mama, die gute Seele des Hofs. Was viel mehr Wert war, als alles andere. Klar war es schade, Absagen machen zu müssen. Logisch war es vor allem für Simone anspruchsvoll, Homeoffice und Homeschooling unter einen Hut zu bekommen. Freilich ist es auch bedauerlich, dass sich grade wenig rührt. Dennoch wird die Zeit wieder kommen, in der DAS BIERINGER. voller Leute sitzt, die gutes Essen und guten Wein miteinander genießen, das wissen Simone und Lenz.
Simone: „Ja, wir arbeiten gern“
„Wir wollen in einem recht konservativen Umfeld alle Leute erreichen. Wir wollen Highlights setzen, aber authentisch und bodenständig bleiben,“ sagt Lenz und bringt sein Ansinnen nochmal auf den Punkt. Sein unternehmerischer Geist hat sich schon einmal einem altehrwürdigen Gebäude angenommen: Das Gasthaus Murauer bei Antersdorf hat Lenz gereizt. Er hat nach langem Hin und Her den Zuschlag bekommen, ein Konzept entwickelt, wie aus der „alten Bauernwirtschaft von der Murauer Rosl“ eine Gastronomie werden kann. Lenz fand die Gastroprofis Raphael und Gabi Allgeier, mit denen er das Gasthaus Murauer entwickelte. Auch nach dem Verkauf an die Schlossbrauerei Hohenthanner führen Gabi und Raphael den Gastronomiebetrieb als Pächter weiter und sind mittlerweile enge Freunde von Simone und Lenz geworden. „Es geht mir nicht drum, etwas zu besitzen, sondern was zu machen. Dinge zu entwickeln und sie dann weiterzugeben,“ sagt Lenz.
Sein nächstes Projekt hat er bereits in der Hinterhand. Das Schloss Ritzing nennt er seit kurzer Zeit sein Eigen. „Ich liebe denkmalgeschützte Ensembles. Noch weiß ich nicht, was mir damit einfällt, aber die Nutzung wird sicher einmalig.“ Das klingt nicht ratlos, ganz im Gegenteil. Da schwingt viel spielerische, fast kindliche Vorfreude mit. Sein Ideenreichtum lässt ihn locker hinzufügen: „Wir werden nie in Rente gehen.“ Simone nickt und bestätigt: „Ja, wir arbeiten gern.“ Und so verabschieden wir uns aus dem duftigen DAS BIERINGER., coronabedingt distanziert und dennoch herzlich. Draußen liegt der Hof ruhig da und wartet geduldig auf Gäste. Lenz und Simone schließen sich an. Die Zeit ist da.
Und so schaut feines Essen im DAS BIERINGER. aus: