Ich gestehe… und erkenne!

Vergangenen Samstag war es, als nichts mehr ging. Eine ordentliche Erkältung packte mich, drückte mich auf die Couch, bescherte mir neben einer rotzigen Nase und Fieber solche Kopfschmerzen, so dass ich zwei Tage lang nur da lag und nicht mal fernsah oder las. Dafür passierte das, was längst überfällig war: Mein Kopf kam zur Ruhe, die Gedanken fanden eine Ordnung, die Prioritäten auch – und die Erkenntnisse traten mir vor die Augen. Und dabei traten mir die Tränen aus den Augen.

Erkenntnis 1

„Ich mag das MAGAZIN nicht mehr machen,“ dachte ich und gleichzeitig beutelte mich beinahe ein Weinkrampf. Mein Herzstück – nicht mehr machen? Ja, warum das denn? Weil es so anstrengend ist, ein jedes Mal, weil es so zäh ist, die Druckkosten zu decken, weil die beiden letzten Ausgaben dank des bösen C wirklich zähl liefen und ich es mir zeitlich und nervlich und monetär nicht leisten kann, dass das so ist. Ja, aber es ist mein Herzstück, das MAGAZIN, das ich ein jedes Mal voller Freude in den Händen halte, das so gut duftet, für das ich so viel wunderbaren Zuspruch bekomme, das ich einfach liebe, weil es mein Mut zum Anfassen ist. Nicht mehr machen? „Mach es doch noch. Aber nur zweimal im Jahr,“ riet der liebste Mann. „Es ist Deine Visitenkarte.“ Und da überkam mich eine derartige Erleichterung, ich kann’s kaum Beschreiben. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und seufzte: Heuer kein MAGAZIN mehr machen müssen. Aber nächstes Jahr wieder eins machen dürfen. Die Abonnenten kriegen noch Bescheid und ich sag’s auch nochmal deutlich in einem extra Post.

Erkenntnis 2

Das Jahr hat es ins sich. Ach was, denkst Du jetzt? Ja, schon klar, das böse C und so. Wenn ich mich so umschaue, hat es das Jahr auch für andere in sich. Und nicht nur wegen dem bösen C. Ich kann nur für mich sprechen. Jetzt ist erst Anfang Oktober und ich habe in diesem Jahr schon eine Trennung hinter mir, dazugehörig eine bevorstehende Scheidung. Ich habe eine enorm glücklichmachende neue Liebe gefunden. Ich habe einen Sohn, der nun getrennte Zeit mit mir und seinem Papa verbringt – das ist nur mit guten Absprachen und einem guten Terminplan zu händeln. Ich lebe nun allein mit meinem Sohn in einem Haus mit Garten, gemietet, gottseidank. Ich arbeite freischaffend. Durch das böse C war die Arbeit fürs Theater an der Rott weniger und mein Tun rund um Rottaler Gsichter war zusätzlich anstrengend. Ja, klar, schon fast vergessen – während des Lockdowns und weit danach war mein Sohn nicht im Kindergarten.

Trotzdem hab ich irgendwie alles hingekriegt, samt MAGAZIN-Entstehungsprozess. Dazu kommen zu jedem einzelnen Aspekt jede Menge Emotionen – die ganze Klaviatur rauf und runter. Das ist anstrengend. Das ist scheiße anstrengend. Weil ich aber jemand bin, der alles will und am liebsten sofort und darum auch nicht abgeneigt ist, diesen und jenen Termin mitzunehmen, dazu noch im Halbschlaf kreativ ist und sich zusätzlich für jede Idee begeistern lässt, weil ich auch noch Schwammerl sammeln und Marmelade kochen will und das auch mache, weil ich keine Grenzen kenne, weder körperlich noch im Kopf – nun ja, es musste ja so kommen. Und eine fette Erkältung aka „Gripp“ ist wahrscheinlich eh eine milde „Strafe“, wobei ich sie aus genannten Gründen ja als Geschenk sehe.

Erkenntnis 3

Ich habe mich verzettelt. Weil ich eben alles mitnehmen wollte – aus Begeisterung, aber auch aus Schiss, nicht über die Runden zu kommen – wurde es mir zu viel. Ich hab mich übernommen und so mancher lieber Mensch musste das spüren, musste auf mich warten, weil ich mit meinem selbstgesetzten Wochenpensum nicht fertig wurde. Eine Woche hat nun mal sieben Tage – ich rede erst gar nicht von einer Arbeitswoche. Und ein Tag hat nur 24 Stunden und da wird der Schlaf abgezogen – und das wird er auch, denn Schlaf ist mir selbst in der irrsten Situation heilig. Nun konnte ich also meinen Terminen oft nicht mehr ganz gerecht werden und in so mancher Situationen auch meinem Sohn nicht, weil ich gar nicht richtig da war. Ich war bei der langen Liste, die ich noch abarbeiten musste – meinte, sie abarbeiten zu müssen. Ich war oft nicht in der Gegenwart, sondern gedanklich immer einen Schritt voraus. Und dabei wurde ich müder und müder. Ich habe mich verzettelt und das tut mir leid. Allen gegenüber, die das zu spüren bekamen – und auch mir gegenüber, weil meine Aufmerksamkeit dem Moment gegenüber gelitten hat.

Erkenntnis 4

Nächstes Jahr wird ein Schreibjahr. Es wird nicht das Jahr, das ich zunächst im Kopf hatte. Ein Jahr, in dem ich nach außen trete, mich zeige. Das dachte ich. Ich wollte Lesungen machen. Ich wollte… Ich sag’s Euch jetzt: Ich wollte ein Rottaler Gsichter Festival. Ja, das wird es auch geben, aber nicht 2021. Ich wollte raus und „tadaaa!“ schreien und mich so glänzend zeigen, wie ich mich die meiste Zeit fühle. Doch das mache ich nun nicht. 2021 wird ein Jahr, in dem sich aufgrund des bösen Cs die Dinge nicht so planbar zeigen, wie sie für meine Verhältnisse sein müssten. Ja, es wird kleinere „Rottaler Gsichter und DU“-Nachmittage und Abende geben, aber mehr nicht. Das darf warten, das ist ok für mich. Denn 2021 wird ein Schreibjahr, auf das ich mich nun schon sehr freue. Es haben sich Buchprojekte ergeben, die meine Zeit und meine Konzentration verlangen. Und so sehe ich mich an meinem Schreibtisch mit einer Tasse Tee, die Finger hüpfen über die Tasten (stellt Euch vor, nicht mal im Zehnfingersystem, das ich nicht verwende), die Gedanken sind im Fluss. Ich habe nicht mehr so viele Termine, alles fühlt sich aufgeräumter an. Das stelle ich mir vor, dann wird es auch so sein.

Vielleicht formieren sich noch mehr Erkenntnisse – mit den bereits gewonnenen fühle ich mich sehr froh. Denn – um eine finale Text-Bild-Schere hinzubekommen: Manchmal ist etwas zu viel. Und dann kann es nicht richtig lebendig sein. Dann kann es losgelassen werden.

P.S. Der Moment, in dem das Bild entstand, war ein sehr glücklicher, freier, ausgelassener. Wir haben spontan angehalten, weil wir an einer Kiesgrube ein „Gipfelkreuz“ gefunden haben. Wir sind ausgestiegen, haben uns auf den Weg dorthin gemacht und von links und rechts kamen zwei Katzen angerannt. So hatten wir vier eine wilde, freie Zeit mit vielen Streicheleinheiten, Spielereien, barfuß im Sand, dazwischen noch ein wenig wohltuender Klartext und natürlich der Erklimmung des Gipfelkreuzes. Das Leben ist schön.

Das Rotter Gsichter Magazin
Das Rottaler Gsichter Magazin

Print ist das neue Digital! Die Rottaler Gsichter gibt’s ab 1. Juli 2019 auch als MAGAZIN! Wie gewohnt mit Portraits von Rottalern – und obendrein mit mehr Gschichten, Menschen, Gedanken und Einblicken. Zum Anfassen. Aus Papier. In Echt.

Hier gibt’s weitere Infos…

4 Kommentare

  1. Ich freue mich von Herzen über Deine Erfahrungen und die Quintessenz daraus.
    Was gern vergessen wird – positiver Stress ist immer noch Stress!
    Liebe Eva – ausatmen – innehalten und Kraft tanken!

  2. Sich „losmachen“ ist oft viel anstrengender als machen liebe Eva.
    Eine bittere Erkenntnis, die Alphatieren anhaftet wie Klebstoff.
    Der Antreiber ist oft eine völlig irrationale Angst – zu versagen, oder unverrichteter Dinge zu bleiben – aber immer im Hinblick auf DIE ANDEREN.
    Das eigene, oft wahrlich bescheidene Selbst, erstickt in Eitelkeiten und Aufgaben, die man getrost verschieben, oder auch einfach mal weglassen könnte.
    Wie klug Du bist, weiß jeder, der Deinen Zeilen folgt.
    Wie es scheint, kündigen sich neue Zeiten an.
    Neue Gschichten von einer Frau, die außergewöhnlich lebendig wirkt, selbst wenn die Grippe sie darniederstreckt – ich denke, da kommen noch spannende Erkenntnisse auf uns zu.
    Alles erdenklich Gute auf Deinem weiteren Weg liebe Eva.
    Sabine Beham

  3. Du denkst also über weniger arbeiten nach? Bist du faul?

    Wie würdest du denken, wenn du erfahren würdest, dass ein Psychotherapeut wenig arbeiten möchte? Ist er auch faul? Oder hast du Verständnis, z.B. weil er überarbeitet ist?

    Es gibt nicht nur Empathie, es gibt auch Selbstempathie.
    Sie ist die Voraussetzung für Selbstfürsorge.

    Schön, dass du für dich sorgen kannst!

    • Hm, nein, ich denke nicht über weniger arbeiten nach. Ich teile mir meine Kräfte besser ein und reflektiere regelmäßig, was mir gut tut und was nicht – dementsprechend handle ich. Es geht mir überhaupt nicht um Faulheit, mit diesem Wort kann ich wenig anfangen. Was ist faul…? Ich denke, das ist ein Begriff, der lediglich ausdrückt, welch hohe Erwartungen eine Leistungsgesellschaft an den Einzelnen hat. Dass „untätig“ sein ein Laster ist. Ich sehe das nicht so und kann das erstmals frei leben, ohne den Spiegel eines „schlechten Gewissens“ vor mir zu haben. Pausen im Kopf sind wichtig, um kreativ und erfinderisch bleiben zu können… Und es ist gut zu wissen, dass diese Kreativität, diese Fähigkeit und dieses Vertrauen in sich ein gewisser Teil von mir ist. Ich werde immer schöpferisch sein können – und damit kann ich für mich sorgen 🙂 Danke für Deine Gedanken!

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