„Der Bauch ist wichtiger als der Kopf“: Gabi Kahler kommt heim ins Rottal
„Ich komme zurück und es ist fast wie früher,“ sagt Gabi Kahler. Glücklich sieht sie dabei aus und ein wenig so, als ob sie diese Tatsache noch kaum fassen könnte. Seit zwei Jahren ist sie wieder im Rottal daheim. Gemeinsam mit ihrer ersten Jugendliebe Günther Obermeier lebt sie in Nöham. Nach 35 Jahren haben die beiden wieder zueinander gefunden. Der Kontakt zum alten Nöhamer Freundeskreis ist nie ganz abgebrochen, auch die 15 Jahre lang nicht, in denen Gabi in Siegenburg bei Kelheim gelebt hat. „Der nahtlose Übergang hat so gut getan. Als wäre ich nie weg gewesen. Ich musste mich nicht erklären. Da war ich wieder und schön wars,“ sagt Gabi.
„Die Freiheit und das Beschütztsein waren wunderbar“
Mit 51 Jahren die Jugendliebe wieder finden – und sich dann erneut verlieben, das klingt schon fast zu schön. Günther kommt herein, schnappt sich ein Toffifee vom Tisch, drückt Gabi, schaut sie verliebt an, bevor er noch eine Runde mit dem Motorrad drehen will, ehe das nahende Gewitter loslegt. Gabi strahlt eine große Zufriedenheit aus, die sich nur noch verstärkt, als sie beginnt, von ihrer Kindheit im Rottal zu erzählen. In Woching ist sie mit ihren zwei jüngeren Brüdern Georg und Manfred auf dem Bauernhof der Eisenreiters aufgewachsen. „Von Altersham bis Untergrasensee waren wir etwa 15 Kinder, die durch die Flure gezogen sind,“ sagt sie. „Die Freiheit auf dem Hof und das gleichzeitige Beschütztsein waren wunderbar. Die Eltern waren mehr da, als wir Kinder das gespürt haben.“
Sie erinnert sich an das Höhlenbauen im Heustadel, an die Gärten, die ihnen alle irgendwie gehört haben, an das gute Gefühl der Zusammengehörigkeit. Auch wenn sie selbst ihren Kindern nicht so viele Freiheiten erlaubt hat, sieht sie Parallelen zu früher: „Mein Vater hatte auch immer gern unsere Freunde im Haus. ‚Da weiß ich wenigstens, was sie tun,‘ hat er immer gesagt.“ Und auch bei den Kahler-Obermeiers gehen die Freunde von der 14-jährigen Lea und dem 16-jährigen Felix ein und aus. „Ich mag die Jugendlichen gern um mich haben und halte sehr viel von ihnen. Sie sind alle rücksichtsvoll und nett.“ Und wenn jemand mittags spontan mitessen mag, ist immer eine Portion übrig. „Offenbar denken alle Familien in Nöham so. Das ist schön,“ findet Gabi.
„Das war eine Freude, sich nach 35 Jahren wieder zu sehen“
Die 53-Jährige schenkt im kleinen gemütlichen Esszimmer Kaffee nach. Mit Günther wohnt sie im ersten Stock seines Elternhauses, unten lebt seine Mutter. Während Gabi 15 Jahre lang in Siegenburg ihr Familienleben hatte, war auch Günther verheiratet und wurde Vater von drei Söhnen. Ihren Exmann hat Gabi bei einer Fortbildung in München kennengelernt. „Bei einem Zahnfarbenbestimmungskurs,“ erinnert sich die Zahnarzthelferin. „Ich bin ziemlich schnell zu ihm gezogen, wir haben geheiratet, Haus gebaut und er hat die elterliche Zahnarztpraxis übernommen. Und ich habe mitgearbeitet und die Kinder bekommen. Das ist dann 15 Jahre lang mehr oder weniger gutgegangen.“
Günther war es, der ihr über Facebook eine Freundschaftsanfrage schickte. Über gemeinsame Bekannte war er auf Gabi aufmerksam geworden. „Das war am 1. Januar 2013. Und noch rein freundschaftlich,“ beteuert Gabi. Im Il2 in Pfarrkirchen haben sie sich schließlich getroffen, Gabi hatte ihren Sohn Felix dabei, Günther seine damalige Freundin – da war er schon geschieden. „Das war eine Freude, sich nach 35 Jahren wieder zu sehen,“ sagt Gabi. Und danach tanzten doch ein paar Schmetterlinge in den Bäuchen. Beide waren verwirrt, keiner wusste zunächst was mit den Gefühlen anzufangen. Günther hat seine Beziehung recht bald beendet. Und Gabi plagten viele Überlegungen: „Die Kinder, Siegenburg, die Ehe…“
„Lea und Felix haben mir nie einen Vorwurf gemacht“
Es half alles nichts – die Gefühle ließen sich nicht unterdrücken und Gabi und Günther trafen sich nochmal. „Ich habe noch lange gekämpft. Und Günther wollte keine Ehe zerstören. Irgendwann hat die Liebe aber gesiegt,“ sagt Gabi. In vielen Gesprächen mit ihren damaligen Mann wurde beiden bewusst, dass die innige Beziehung, die eine Ehe zum Überleben braucht, schon seit Jahren fehlte. „Organisatorisch und nach außen hin waren wir perfekt – aber die Gefühle haben gefehlt,“ sagt die 53-Jährige. Sie schätzt sich sehr glücklich darüber, dass sich ein Rosenkrieg vermeiden ließ und die Kinder nicht allzu sehr unter der Trennung leiden mussten. Sie haben nach wie vor ein gutes Verhältnis zum Vater, sehen ihn alle 14 Tage und in den Ferien. „Lea und Felix haben mir nie einen Vorwurf gemacht,“ sagt Gabi erleichtert. Freilich hat es ein wenig gedauert, bis sich alle in der neuen Situation wiedergefunden haben: „Es mussten sich schließlich zwei Familien zusammenraufen.“
Gabis große Leidenschaften: Fußball und Fasching
Ein verbindendes Element dabei ist gewiss der Fußball. Günther hat früher in Malgersdorf gelebt, darum ist auch inzwischen Gabi beim Bayernfanclub Rot-Weiß Kollbachtal. Der begeisterte Fußballer war lange Zeit aktiv, „hat schon mal gegen die 60er gespielt“, erzählt Gabi freudig Früher trainierte er die Fußballjugend, später die Attraktiven Herren, wie Gabi seine Fußballkollegen der AH nennt. Und sie selbst frönt dem Ballsport gewiss nicht nur aus Liebe zu Günther. Gabi hat die Liebe zum Fußball von ihrer Mutter Rosemarie geerbt. „Mama schaut auch heute noch jedes Bayernspiel und schimpft dabei über die langen Hosen. Die kurzen Hosen der Fußballer von früher haben ihr besser gefallen,“ sagt Gabi lachend. Fußball ist also bei den Eisenreiter-Mädels durchaus Frauensache. „Ich war bei den Sportfreunden Reichenberg, da hat sich damals der Damenfußball gegründet,“ erzählt Gabi.
Ihre zweite Leidenschaft galt und gilt dem Fasching: „Das hab ich vom Papa. Der wurde an einem unsinnigen Donnerstag geboren.“ Vater Georg war gewiss auch deshalb sein Leben lang ein Faschingskind. „Das wurde sogar in der Grabrede erwähnt,“ sagt Gabi. Und als Gabi Faschingsprinzessin werden sollte, war sein trockener Kommentar dazu: „A Boxn Stiern loss i midlaufa.“ Gabis Faschingskarriere lässt sich anschauen: Beim Pfarrkirchner Narrenkobel war sie Gardemädel, Faschingsprinzessin, Schriftführerin, Fize-Präsidentin – und sie hielt als Clown Reden. Außerdem stellten die Eisenreiters beim Schnapsverkauf Rekorde auf – „Wir kennen halt viele Leute,“ sagt Gabi lachend. Mit ihren Eltern spielte sie Faschingstheater in Untergrasensee, „das war eine super Truppe.“ Sie erinnert sich auch noch an ihr erstes Faschingskostüm, ein Fliegenpilz. Und lange Jahre war sie als rot-schwarzer Clown unterwegs, so kannte sie jeder.
Heute schlägt ihr Herz immer noch für den Fasching, sie tanzt gern, sie verkleidet sich gern. „Die Kinder haben das geerbt. Lea war in der Prinzengarde,“ erzählt Gabi ein wenig stolz. Zu Gabis Bedauern gibt es die vielen Faschingsbälle von früher nicht mehr. Der Grund: „Es ging zu viel kaputt. Früher haben auch alle viel getrunken, aber keiner hat so wild randaliert.“ Ach, aber früher… „Da ging auch kein Mensch im Dirndl aufs Volksfest. So hat jede Zeit ihre Eigenheiten.“
Ausbildung beim Weißbierzahnarzt Gernot Roedl
Und zu Gabis Jugendzeiten gab es im Gegensatz zu heute einen echten Lehrstellenmangel. „Eigentlich wollte ich nach der Realschule Apothekenhelferin werden,“ sagt sie. Daraus wurde aber nichts, wie ihr in der Apotheke mitgeteilt wurde, in der sie sich beworben hatte. Ein glücklicher Zufall: Zahnarzt Gernot Roedl war bei der Absage zugegen, kriegte alles mit. Als Gabis Mama am nächsten Tag einen Zahnarzttermin hatte, bot Roedl die Lehrstelle an. „Der war als Weißbierzahnarzt bekannt,“ erzählt Gabi. „In der Praxis hat er mit den Männern ein Weißbier getrunken und mit den Frauen Kaffee.“ In seiner Praxis im Mahlgassingerweg in Pfarrkirchen war das heute Unvorstellbare ein festes Ritual. „Und er war ein sehr guter Zahnarzt,“ fügt Gabi hinzu.
Nach der Lehrzeit führte es Gabi weiter zu Zahnarzt Dr. Josef Aigner nach Pfarrkirchen. Nach acht Jahren zu Zahnarzt Dr. Walter Schnegg nach Schönau. Schließlich traf sie ihren Mann, Zahnarzt Dr. Christian Kahler. Und heute arbeitet Gabi bei Fast-Namenskollegin und Zahnärztin Dr. Rita Kahlert in Johanniskirchen. „Ich bin nach 36 Jahren in meinem Beruf nach wie vor liebend gern Zahnarzthelferin,“ sagt sie. Sie mag den Umgang mit Menschen, kann sich einfühlen in die Ängste, die immerhin geschätzte 99 Prozent der Patienten plagen. „Jeder geht damit anders um. Manche werden überdreht lustig, andere introvertiert, manche aggressiv,“ weiß sie. Ihr Geheimrezept: „Vorher ein paar private Sätze reden. Das hilft meistens.“
Freie Mitarbeit bei der Mittelbayerischen: „Ich hab’s extrem betrieben“
Inzwischen ist Günther wieder da, draußen rumpelt das Gewitter, bevor sich ein riesiger Regenbogen zeigt und die Sonne schnell wieder alle Regentropfen trocknet. Er schaut herein, begrüßt Gabi mit Küsschen, stibitzt sich noch ein Toffifee. „Mit mir kam Günther auch wieder zum Skifahren,“ fällt Gabi ein. Seit 25 Jahren ist sie Mitglied einer Hüttengemeinschaft im Dachsteingebiet. Günther wurde schnell integriert, dumme Fragen über die Vergangenheit hat auch hier niemand gestellt. „Wir sind da eine schöne, vertraute Gemeinschaft. Beim Skifahren ist die Hütte voll,“ erzählt Gabi.
Und trotz aller Geselligkeit mag sie es auch gern, Zeit allein zu verbringen, um Schreiben zu können. Das tut sie richtig gern. Von Gedichten bei Geburtstagen bis zu ihren Clownsreden im Fasching. Aber auch ganz seriös: Für die Mittelbayerische Zeitung hat sie über acht Jahre lang exzessiv als freie Mitarbeiterin gearbeitet und obendrein für die Gemeinde Siegenburg die Öffentlichkeitsarbeit erledigt – ehrenamtlich. „Ich hab’s extrem betrieben,“ sagt Gabi leicht nachdenklich. Viel Aufwand war das, viel Engagement für ein wenig Zeilen- und Fotogeld. „Das war auch ein bisschen eine Flucht aus der Ehe,“ fügt sie hinzu. Was ja nicht heißt, dass es nicht auch mal lustig gewesen sei.
„Manchmal muss es im Leben eben genau so sein“
So wie bei der Geschichte mit dem Bertl. „In meiner Jugend war ich mit dem Herbert Bachmeier befreundet,“ erzählt die 53-Jährige. Nach ihrem Wegzug nach Siegenburg hat sie nicht mitbekommen, dass sich eben dieser Herbert zur einen Hälfte des Kabarret-Duos „Bertl & I“ mauserte. Schließlich kündigten sich die Kabarettisten in Siegenburg an – und die Überraschung war groß. Nach 35 Jahren interviewte Gabi ihren alten Spezl für ihre damalige Heimatzeitung. „Manchmal muss es im Leben eben genau so sein,“ philosophiert Gabi.
Sie spekuliert weiter: „Menschliche Beziehungen sind mir ganz wichtig. Ich bin immer die, die die Leute zusammenbringt.“ So organisiert sie gerade ein Treffen ihrer alten Garde. Dann gibt es da das regelmäßige Cousinentreffen. Und sie ist es, die die Karten für Veranstaltungen organisiert, sei es nun ein Tanz-Ball oder ein Fußballspiel. „Ich mach das gern. Da lebe ich auf der Bauchebene. Der Bauch ist wichtiger als der Kopf.“ Getreu diesem Motto geht sie auch mit ihren Kindern um: „Ehrlichkeit und Offenheit sind das Wichtigste. Ich habe für alles Verständnis, solange Ehrlichkeit herrscht. Das wissen meine Kinder auch.“ Dementsprechend gut ist ihr Verhältnis und schlechte Noten sind schon gar kein Problem. Gabi denkt weiter nach: „Ich verurteile niemanden. Ich versuche immer zu verstehen, was die Leute zum Handeln getrieben hat.“
„Man darf nicht vergessen, was die Menschen mitmachen“
Hier spricht sie auch das Flüchtlings-Thema an. „Man darf nicht vergessen, was die Menschen mitmachen.“ Vom Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ hält sie nichts: „Auch wir erwarten die Offenheit der Welt für uns. Ich würde auch gehen – gerade auch für die Kinder. Wer die Heimat und die Familie verlassen muss, dem geht’s echt schlecht.“ Gabi weiß das deshalb so genau, weil sie einen ehemaligen Flüchtling aus Afghanistan recht gut kennt. Autor Hassan Ali Djan hat ihr viel erzählt und sein Leben in Bayern auf die Beine gestellt. Darum denkt Gabi: „Sie müssen machen dürfen. Sonst wird das nichts.“
Günther schaut nebenan Bundesliga, draußen scheint jetzt die Sonne wieder kräftig, Gabi geht auf die einladende Terrasse, von der aus man auf den Nöhamer Kirchturm schaut. Und sie erzählt weiter von ihrem Leben: „Ich bin schon so viel gereist. Brasilien, Thailand, Kanada, Venezuela, Sardinien, die Kanaren, Frankreich, Spanien – hab ich alles gesehen. Und ganz Italien und Österreich. In meinem ersten Urlaub war ich am Gardasee. Und später war ich mit dem Motorrad bis ganz unten am Stiefel.“ Jetzt denkt sie grade nicht so sehr ans Reisen. Sie kommt gerade noch an. In ihrem zweiten Leben im Rottal mit ihrer ersten großen Liebe Günther.
Chapeau!!! Ich durfte dieses wunderbare Mädchen als Zahnarzthelferin bei „meinem“ Notfall als Frau eines ehemaligen sehr geschätzten Schüler kennenlernen.
Meine höllischen Schmerzen und fürchterliche Angst Hilt sich bei der netten und liebevollen Behandlung in Grenzen. Wurzelbehandlung war nötig, oh mein Gott! Alles Super!
obwohl ich Gabis damaligen Mann ja schon sehr gut kannte war die Vertrautheit mit ihr auf den Schlag da. Viele Gemeinsamkeiten! Mein Bruder und unsere Tochter Faschingsprinz/essen. Beide „Reden“ wir gerne und durch meine politische Tätigkeit gab es auch immer wieder gemeinsame Termine. Jedesmal voll Freude Herzlichkeit.das es diese Termine nicht mehr gibt bedauere ich sehr, aber es hat sich auch bei mir das Verhältnis zu Siegenburg verändert.
Ihr Weggang war für mich unbegreiflich! Aber auch, weil ich ganz egoistisch an mich dachte. Keine strahlende Gabi mehr wenn ich eine vollen Saal betrete die mich liebevoll mit offenem Herzen strahlen begrüßt. Facebook macht’s möglich! Wir haben eine Verbindung und ein Gespräch gefunden und ich verstehe Sie voll und ganz! Ihre Geschichte hier zu lesen gibt mir den „Rest“!!! Richtig gemacht!!!
Bin auch ab und zu im Rottal politisch (Behindertenbeauftragte für Ndb) unterwegs und werde mich dann bei ihr melden.
Lieb Gabi, Chapeau, ich drück dich und du hast wieder einen „Kuchen“ gut!
Dein Hannelore Langwieser
Liebe Gaby , ich bin sehr beeindruckt von Deiner Geschichte . Leider hatte ich nicht das Glück Dich näher kennengelernt zuhaben . Ich wünsche Dir ,dass Dein Leben weiterhin so positiv und glücklich verläuft,und freue mich natürlich auf weitere Posts von Dir . LG aus Wildenberg
Einfach Wundervoll!
Ganz toll Gabi,
schee, dassd wieda do bist!
Liebe Grüße
Randal