Diana Grüner: Die tierische Friseurin von Braunau
Windig ist es an diesem Herbsttag, als ich von Simbach am Inn die Brücke hinüber nach Braunau überquere. Ich biege auf den Stadtplatz ein, nehme das erste Gasserl rechts, folge dem Kopfsteinpflaster immer geradeaus bis zur Kirchengasse Nummer 10. Aus dem Schaufenster heraus schauen zwei große Hunde aus Porzellan, auf einem samtenen Bänkchen sitzt eine Katzenfigur. Hier hat Diana Grüner vor gut einem Jahr ihren Hundesalon „Pure Dog“ eröffnet. Diana kenne ich seit mittlerweile fünf Jahren – damals habe ich sie zum ersten Mal portraitiert, damals ging es hauptsächlich um ihr Kinderbuch „Sara Su“. Und heute? Heute öffnet sie mir die Tür, drückt mich herzlich, ihre Hunde Silvie, Frieda und Sky, Mutter und Tochter, kommen freudig angelaufen. Drinnen riecht es nach Rosenblüten, vermischt mit dem vertrauten Duft von Hund.
Am Fenster hinter den Porzellantieren hat Diana eine kleine freundliche Sitzgelegenheit bereitgestellt, von der sich der kleine Salon gut überblicken lässt. Außergewöhnlich und mit viel Liebe zum Detail hat sie ihren eigenen Laden eingerichtet: In einem bemalten Schrank lassen sich viele Kleinigkeiten verstauen, eine große alte Werkbank dient als Theke, auf einer umgebauten Massageliege werden die Hunde geföhnt, nachdem sie in einer Hundewanne gebadet wurden. Zentral steht der Tisch, auf dem die Tiere ihren Fellschnitt bekommen. Eine kleine Bank mit Schaffell dient als Fotoecke – Diana macht gern Vorher-nachher-Bilder, um sie auf Social Media zu posten. Und überall gedeihen Pflanzen. Der kleine Raum hinter dem Salon ist für ihre eigenen Hunde da – hier haben Silvie, Frieda und Sky ihren Platz, wenn Frauli zu tun hat.
„Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Noch hat Diana Zeit, ihre Geschichte zu erzählen – erst in einer Stunde erwartet sie Loisl, einen Hütehund-Mix, „schon ein älterer Herr,“ wie sie sagt. Von ihrem Wandel erzählt die 42-Jährige mit ihrer begeisterten, witzigen Art. Nachdem sie jahrelang als Versicherungsfachfrau in Österreich gearbeitet hatte, schlich sich immer mehr das Gefühl ein: Es passt nicht mehr. „Ich war nicht froh damit, hatte aber Angst, etwas zu verändern. Das liebe Geld eben…“ Wie das Leben oft spielt, wurde ihr die Entscheidung schließlich abgenommen. Mitten in der Corona-Zeit bekam sie die einvernehmliche Kündigung. „Das war richtig schlimm für mich. Und dann dachte ich mir mitten in der Krise: Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Sie ließ sich all ihr Erspartes auszahlen, lieh sich Geld von Freunden, setzte alles auf eine Karte und eröffnete schließlich am 2. August 2021 ihren Hundesalon.
„Die meisten haben mir abgeraten,“ erzählt sie und runzelt die Stirn. „Die dachten, ich hätte sie nicht mehr alle, mitten in dieser Zeit einen Hundesalon zu eröffnen, mich selbstständig zu machen. Aber meine Tochter Florentina hat immer an mich geglaubt, genauso mein Partner und meine Mama und engste Freunde. Und es hat sich alles gefügt.“ Diana fand ihren Laden in der Kirchengasse, den sie heute als ihr zweites Wohnzimmer bezeichnet. Braunau, die Stadt mochte die gebürtige Hessin schon allerweil: „Ich liebe die Altstadt, die ist so schön charmant.“ Freilich stellt sich nun die Frage, warum nun ausgerechnet Hundefriseurin ihre Berufung ist?
Diana krault Sky, die auf ihren Schoß gesprungen ist. „2016 hab ich ein Praktikum bei einer Hundefriseurin gemacht und war begeistert. Seitdem habe ich die Idee in meinem Kopf, hatte mich aber nie getraut. Erst als mich das Leben in die Ecke gedrängt hat. Und dann war es wie ein Befreiungsschlag.“ Sie machte die Grundausbildung und ist seitdem ständig auf Fortbildungen. Inzwischen frisiert Diana auch Katzen – in jeder Hinsicht eine ganz andere Nummer als Hunde. „Katzen liegen mir auch am Herzen, daheim habe ich zwei davon,“ sagt sie. Diese müssen aber nicht frisiert werden. Langhaarkatzen aber sehr wohl – oft kommen die Besitzer:innen nicht mehr mit Verfilzungen zurecht und fürchten sich selbst vor den scharfen Krallen und spitzen Zähnen.
Rosenhandschuhe gegen Katzenkrallen
Freilich hat auch Diana Respekt und sagt: „Das Verletzungsrisiko bei Katzen ist erheblich größer als bei Hunden. Mit einer Katze lässt sich nicht verhandeln. Nach maximal 20 Minuten muss ich fertig sein, dann steigen sie spätestens aus. Darum muss ich gründlich und schnell arbeiten. Mit meinen Rosenhandschuhen geht das. Die reichen mit bis zum Ellbogen. Die Finger habe ich abgeschnitten, damit ich gut damit arbeiten kann.“ Und noch einen weiteren Trick hat sie auf Lager: Sie reibt sich die Hände mit Baldrian ein. Das beruhigt die Stubentiger ein wenig, die nach einer oft stressig empfundenen Autofahrt und einer Umgebung, die auch nach Hund riecht, wenig Lust auf ihren Friseurtermin haben. Aber die Besitzer sind oft erstaunt, wie überraschend gut ihre Fellnasen sich von ihr behandeln lassen. Natürlich sind nicht alle so: Mit Lachen erinnert sich Diana an eine Katze, die sich an ihrem Arm festgekrallt hatte – geschützt mit dem Rosenhandschuh. Sie sieht’s gelassen, Angst hat sie keine und jedes Tier hat ihren Salon bisher lebendig und schön frisiert verlassen.
So wird es auch Stammkunde Loisl ergehen, der nun im Eingang steht, ein wenig devot dreinschauend und leicht hechelnd. Diana begrüßt sein Frauli und ihn herzlich, sie kennen sich schon, seit sie ihren Salon eröffnet hat. „In etwa eineinhalb Stunden ist Loisl fertig,“ sagt Diana, bevor sich die Tür hinter seinem Frauli wieder schließt. Hunde frisiert sie sie in der Regel ohne ihre Besitzer:innen, aber es gibt Ausnahmen, wenn es für den Hund besser ist oder die Leute aufgrund schlechter Erfahrungen unsicher sind. In den meisten Fällen sind die Tiere jedoch ohne ihre Besitzer:innen, dann sind sie leichter zu handhaben – bei Katzen ist es anders, da müssen Herrli und Frauli dabeibleiben.
Nun geht’s mit Loisl ab in die Badewanne, die einen seitlichen Einstieg hat. Der zottlige Rüde hat darauf keine so große Lust, ergibt sich aber seinem Schicksal und hält still, während Diana warmes Wasser über sein Fell laufen lässt und ihn anschließend gründlich shampooniert. „Loisl ist ein passendes Beispiel, dass regelmäßiges Kommen belohnt wird. Sein Frauchen wollte anfangs nicht glauben, dass er gebadet werden kann. Aber mittlerweile ist sie sehr froh darüber und Loisl macht toll mit,“ erzählt Diana und fügt erklärend hinzu: „Bei mir wird jeder Hund gebadet. Das ist wichtig, da im Fell viel Schmutz und Talg steckt, was raus muss, allein schon aus Hygienegründen. Außerdem kann nur so das Schnittbild ordentlich werden. Und andersrum mache ich mir meine Schermaschinen und Scheren kaputt.“ Loisl hält weiter tapfer still, als ihm Diana den Schaum aus dem Fell spült. Nebenbei erzählt sie, dass sie auf hochwertige Pflegeprodukte schwört – da wäre am falschen Fleck gespart.
Große Hunde erfordern Körpereinsatz
Nächster Schritt: Trockenrubbeln, was Loisl schon ein wenig mehr zu genießen scheint. Spezielle Handtücher nehmen möglichst viel Feuchtigkeit auf, bevor Loisl aus der Wanne entlassen und auf den Fön-Tisch gebracht wird. Diana legt ihm einen Loop-Schal um die Ohren, da die meisten Hunde keinen Wind am Ohr mögen. Außerdem wird es ein Stück lauter, als sie den Föhn anstellt, der ein wenig wie ein Industriestaubsauger aussieht. Sie selbst hat sich vorher noch eine Art Tropenhelm mit Netz aufgesetzt. Wozu, das merke ich nach kurzer Zeit. In Windeseile verteilen sich Loisls umherfliegende Haare im ganzen Salon und bedecken Oberflächen, Kleidung, einfach alles. Loisl steht derweil lieb auf der alten Massagebank und lässt sich die Prozedur gefallen. Diana föhnt und bürstet gleichzeitig, sprüht immer mal wieder Conditioner für Hunde ins Fell, so dass es sich leichter kämmen lässt und obendrein seidig glänzt.
Als ich Diana vor fünf Jahren zum ersten Mal traf, lebte sie mit Tochter Florentina und einer kleinen Schar Hunde und Katzen in Stubenberg – daran hat sich bis heute nichts geändert. Hündin Sky liegt neben dem Föhntisch, sie ist die einzige, die bei Frauli sein darf, wenn sie arbeitet und hat schon so manchem Kundenhund die Angst genommen. Sie ist Dianas „Therapiehund“, sie beruhigt die anderen Tiere mit ihrer entspannten Art. Silvie und Frieda verbringen derweil ruhig die Zeit im Raum nebenan. Seit Diana 21 ist, hat sie Hunde, „oft Problem- und Angsthunde, die aus schlechter Haltung kamen.“ So kennt sie sich bestens aus mit dem Wesen der Tiere, weiß, wie sie ihnen begegnen muss, damit der Friseurbesuch zu einem guten Erlebnis wird. „Der Hund darf keine Unsicherheit spüren,“ sagt Diana und bürstet Loisl ein letztes Mal durchs Fell, bevor sie die Liege herunterlässt. „Dann fühlt er sich sicher und weiß, wo’s lang geht. Mit viel Lob, Ruhe und Einfühlungsvermögen muss man arbeiten und am Ende gibt es immer Leckerlis und der Hund darf noch ein bisschen im Salon verweilen, bis er geholt wird.“
Loisl steigt nun auf den Tisch, auf dem ihm Diana mit Schermaschine und Schere zu Leibe rückt. Er lässt sich’s gefallen, hält treu schauend still. Geschickt hebt Diana seine Pfoten, entfernt die Haare zwischen den Ballen und kürzt seine Krallen. Zu ihr kommen Hunde in allen Größen, vom kleinsten Chihuahua bis zur riesigen Dogge. „Große Hunde machen nicht alle,“ sagt Diana und weiß auch, warum. Da geht es nicht nur um den nötigen Respekt, sondern um schlichte Körperkraft. Bei großen Hunden sind ganz andere Bewegungen gefragt, zudem brauchen viele Unterstützung, in die Wanne und auf die Tische zu gelangen. Auch die Fellpflege ist oftmals sehr aufwendig. Gerade die Unterwollhunde liegen Diana sehr am Herzen, da sie oft vernachlässigt werden. Das verlangt viele Körpereinsatz. „Nach einem halben Jahr war ich reif für’s Fitnessstudio. Ich hatte Rückenprobleme und musste meine Armmuskeln aufbauen. Seitdem passt es.“
Bissig? Nicht mit Diana
Auch Loisl ist kein geringer Kandidat, dafür ein sehr friedlicher. „Die kleinen Hunde sind oft die bissigsten,“ sagt Diana aus Erfahrung und lacht. Sie erzählt die Geschichte eines Pudels, bei dem sie sich nicht viel dabei gedacht hat, als er nach ihr schnappte. „Das war reines Getue. Was meinst, wie der sich geärgert hat, als ich nicht zurückgeschreckt bin!“ Klar reißt ein Pudel keine Fleischwunden, aber weh tut das doch trotzdem? „Der hat nicht richtig zugebissen. Das waren nur Drohgebärden,“ sagt Diana. Gerade dann ist es wichtig, dass Herrli und Frauli rausgehen, damit sich die kleinen Beißer nicht mehr stärker vorkommen, als sie sind. Was sie hingegen ärgert: Wenn die Hundehalter:innen ihre Tiere verharmlosen. Da hört sie schon mal: „An den Füßen ist er ein wenig kitzlig.“ Und dann erwartet sie ein wütender Schnapper, wenn sie den Krallen zu Leibe rückt. Es ist wichtig während der Arbeit trotz allem immer auf die Körperhaltung und Signale des Hundes zu achten, um Konflikte zu vermeiden.
„Abgelehnt habe ich bisher noch keinen Hund. Trotzdem sind Infos vorab wichtig,“ sagt sie und wuschelt Loisl durch die Mähne. Der hechelt treu vor sich hin, während der Fußboden und alle anderen Oberflächen im Raum von einer Haarschicht bedeckt sind. Bei jeder Bewegung wirbelt eine Fellwolke auf. Und dabei ist Loisl nicht mal der haarigste Bursche, wie Diana sagt. Als sie sich den Salon so schön eingerichtet hat, war ihr schon klar, dass das jede Menge Putzarbeit bedeuten würde. „Dennoch wollte ich es gemütlich haben. Und obwohl ich nach einem Jahr noch ordentlich ran muss, dass was hängen bleibt, gönne ich mir seit neuestem eine Reinigungskraft, die einmal pro Woche kommt. Das ist eine ganz nette und zuverlässige Frau, um die ich wirklich sehr froh bin. Das ist für mich ein Stück Luxus und ein Mehr an Lebensqualität.“ Keine freie Zeit zu haben, das geht auf Dauer an die Substanz. Diana weiß um ihre Energie und schafft es, sich auch mal frei zu nehmen: „Es ist wichtig, dass es einem selbst während der Arbeit gut geht, denn die Hunde spüren es, wenn man gestresst oder geschafft ist.“ Selbst und ständig – das ist weder schlau noch langfristig erfolgsversprechend.
Der Tisch fährt nun mit Loisl nach unten und er nimmt am Boden nahe des Eingangs Platz. Sky gesellt sich zu ihm, sie weiß, jetzt hat er es geschafft. Loisl weiß das wohl auch und blickt erwartungsvoll zur Tür. Wo bleibt Frauli? Diana kehrt derweil den Großteil der Haarpracht zusammen und überlässt eine weitere Aufgabe ausnahmsweise mir: Das Foto nachher. Viele Kund:innen freuen sich mit der Hundefriseurin, ihren Liebling nach dem Besuch auf Social Media zu sehen. Dazu schickt Diana ihnen die Bilder immer per WhatsApp. Loisls Fell glänzt und fällt schön, sein Blick ist jetzt offen und froh. Schwanzwedelnd erhebt sich der Senior, als endlich Frauli die Tür öffnet und sich Mensch und Tier freudig begrüßen. Später sagt Diana: „Ich habe mir einen tollen Kundenstock aufgebaut, um den ich sehr froh bin. Die Menschen schätzen meine Arbeit und den Umgang mit ihren Tieren und wir pflegen einen freundschaftlichen Umgang.“
„Ich hab eine Tierhaarallergie“
Auch Loisls Besitzerin ist glücklich über die gepflegte Erscheinung. Damals ist sie über eine Empfehlung auf Diana aufmerksam geworden und hält ihr seitdem die Treue. Die Kundin zahlt, wechselt noch ein paar Worte, bevor sie sich mit Loisl verabschiedet und Diana schaut ihnen kurz mit einem Lächeln hinterher. Gleich wird sie eine Katze frisieren. Dann ist es auch besser, ich verabschiede mich – hier ist möglichst viel Ruhe gefragt.
Eine Schlusspointe hat sich Diana noch aufgespart, bevor ich gehe. Sie lacht: „Ich weiß gar nicht, ob ich das erzählen soll. Es klingt wie ein Witz, aber ich hab eine Tierhaarallergie.“ Ja, wie kann sie denn da überhaupt arbeiten? „Seit ich meine Hunde habe, hab ich die Allergie im Griff. Natürliche Desensibilisierung sozusagen.“ Sky hüpft an ihr hoch und Frieda darf jetzt auch noch kurz nachschauen, bevor beide nach hinten zu Silvie müssen. Denn Sky hat ausschließlich eine beruhigende Wirkung auf ihre Artgenossen, versteht sich – nicht so auf Katzen. Da steht das Katzen-Herrli schon vor der Tür, in der Transportbox lauert der Stubentiger. Die Hunde verabschieden sich ins Backstage, die Rosenhandschuhe liegen bereit, ich drücke Diana nochmal und hinaus geht’s in Braunaus Gassen, zurück auf die bayerische Seite des Inns.