Bairischer Rock von Gringo Bavaria: „Wir sind Idealisten“
„Weißt was, wir nehmen Dich in unserem Bus mit und erzählen Dir während der Fahrt unsere Geschichte,“ hat Mane am Telefon gesagt. Gute Idee, ich bin dabei. Pünktlich rauscht der Bus am vereinbarten Treffpunkt in Pfarrkirchen um die Ecke. Mit einem Schwung öffnet sich die Schiebetür und fünf Jungs steigen aus, um mich herzlich zu begrüßen. Mane, Erze, Chris, Flo und Tom – das sind Gringo Bavaria. Seit April 2016 nennt sich die Band so, die schon jahrelang miteinander Musik macht…
Abschied von Steve O. & The Shaky Bones
Ich klettere in den Bus, mir gegenüber nimmt Flo Platz, neben mir sitzt Erze, schräg gegenüber Mane. Tom lenkt das Gefährt und Chris macht den Sozius. Zentrum des Busses bildet der Bierkasten. Und los geht die wilde Fahrt durch Pfarrkirchen. Schnell wird klar, dass Mane die Rolle des „Bandsprechers“ inne hat, obwohl der eigentliche Frontmann Erze ist. Zumindest, wenn man den Sänger einer Band als Frontmann definiert. Aber die Gringos ticken ein bissl anders – Hierarchien brauchen die Fünf nicht, alles, was sie anpacken, ist ein Gemeinschaftswerk.
Bevor sich die Malgersdorfer Gringo Bavaria nannten, hatten sie sich mit Steve O. & The Shaky Bones einen guten Namen gemacht. In 50er und 60er Jahre-Manier coverten sie die Hits dieser Zeit – und spielten auch eigene Songs. Rock ’n‘ Roll boten sie nicht nur den Ohren, sondern auch den Augen: Anzughosen, weiße Hemden, Krawatten und Westen – dazu stilechte Frisuren. Steve O. & The Shaky Bones waren stets gut ausgebucht, spielten auf Hochzeiten, nahmen eine Platte auf und wurden sogar vom Bayerischen Fernsehen eingeladen. Und doch waren die Jungs irgendwann nicht mehr zufrieden.
„Wir wollten Bairisch singen“
„Unsere eigenen Lieder wurden immer mehr und wir merkten schnell, dass wir Bairisch singen wollten,“ sagt Mane. „Wir haben uns mit Steve O. einen großen Fankreis aufgebaut und viele haben es nicht verstanden, dass wir auf einmal was anderes machen wollten.“ Wollten sie aber. Und so kam es, dass sie sich vom klassischen Rock ’n‘ Roll verabschiedeten und zu Gringo Bavaria wurden. Da ist schon im Bandnamen klar, in welcher Sprache das gesungene Wort daherkommt. Und was war nochmal ein Gringo? Eine „(in Südamerika) männliche Person, die nicht romanischer Herkunft ist“, sagt der Duden und schlüsselt den Begriff folgendermaßen auf: „spanisch gringo, zu: griego = Grieche, nach der Wendung: hablar en griego = unverständlich reden, eigentlich = griechisch reden“. Aha – unverständlich reden. Und zwar Boarisch und damit für so manches andere Bundesland unverständlich. Alles klar, oder?
Zum kompletten Imagewandel gehörte für die Gringos selbstredend auch ein neues, unverkennbares Outfit. Nun werfen sie sich anders in Schale: Mit den maßgeschneiderten Jacken, Zylindern und markanten Brillen erinnern sie ein wenig an den Steampunk-Stil. Und ja, ein wenig Punk hat tatsächlich Einzug gehalten nebst all dem Rock. „Wir wollen keine musikalische Begleiterscheinung sein. Wer zu unseren Konzerten geht, möchte die Gringos hören,“ sagt Mane selbstbewusst, aber kein bisschen überheblich. Erze, Chris und Flo nicken, während Tom sich aufs Fahren konzentriert, über den Stadtplatz und durch Wohngebiete rumpelt.
„Bei uns geht’s demokratisch zu“
„Klar, als Partyband gehen mehr Euros rein. Aber darum geht’s uns nicht nur, wir sind Idealisten,“ sinniert Mane weiter. „Und wir machen alles komplett selbst,“ sagt Flo. So gibt es nicht nur einen Texteschreiber und nicht nur einen, dem die meisten Melodien dazu einfallen. Alle Lieder sind Gemeinschaftswerke, jeder hat seinen Beitrag dazu geleistet. Das ist schon was – bei immerhin fünf Bandmitgliedern. Klappt das denn immer reibungslos? Die Jungs lachen. „Freilich haben wir auch unsere Diskussionen. Bei der nächsten Probe ist aber immer alles vergessen,“ sagt Flo.
Zweimal die Woche treffen sich die Gringos in ihrem Proberaum in Malgersdorf. Immer montags und donnerstags wird an Songs gefeilt, Neues ersonnen und freilich auch rumgesponnen. Dazu kommen die langen Fahrten zu Konzerten, die Übernachtungen. „Die Zeit auf der Bühne ist das Wenigste. Das ist halt das, was das Publikum sieht,“ sagt Mane. „Dafür gibt’s erstaunlich wenig Reibereien.“ „Gut, dass wir fünf Bandmitglieder sind. Da geht’s automatisch demokratisch zu,“ sagt Flo und lacht. Zum Tour-Tross zählen außerdem Peter und Etzi. „Peter ist unsere gute Seele, kümmert sich um Merch, ist unser Roadie und eigentlich ein vollwertiges Bandmitglied,“ sagt Mane. „Genauso wie Etzi, unser Techniker.“
„Wir haben ein gesundes Selbstbewusstsein“
Tom lenkt den Bus Richtung Bahnhof, kurze Foto-Pause, viel Gelächter, bevor es weitergeht. Irgendwann landen wir auf einem großen Parkplatz, Tom bleibt stehen und er und Chris drehen sich zum Mitratschen um. Erze nimmt einen ordentlichen Zug von der E-Zigarette, eine mächtige Qualmwolke und Apfelduft verbreiten sich im Bus. Mane findet das Wort schnell wieder: „Wir sehen unsere Musik nicht nur als Hobby an. Wir haben einen Plan und einen großen Anspruch an uns, weil wir gerne davon leben können würden.“
Dass die Band ihr Schaffen als Arbeit begreift, wird schnell klar, als die Fünf mehr erzählen. Die Bandvideos sind in kompletter Eigenregie entstanden – für den Song „Wo bist Du“ riefen sie Fans auf, das Lied zu singen und zu filmen und schnitten mit den vielen Einsendungen ein komplettes Video. Das erste Album namens „Und Ab!“ haben sie im Studio selbst aufgenommen. Inzwischen haben sie einen so gut ausgestatteten Proberaum, in dem wohl das nächste Album aufgenommen werden kann. „Selbermachen kostet ’nur‘ Zeit,“ sagt Chris. „Als Band muss man wirtschaften können. Freilich muss auch alles unseren Ansprüchen genügen – aber am Ende sind wir immer stolz auf unser Werk.“ Und Mane ergänzt: „Wir haben ein gesundes Selbstbewusstsein. Wir wissen, was wir können und was nicht. Darum haben wir die fertigen Aufnahmen auswärts mischen lassen.“
Unterwegs mit LaBrassBanda
Heuer waren die Gringos schon in ganz Bayern unterwegs und haben kleine, feine Abstecher nach Österreich gemacht. Sogar ihren Urlaub haben sie gemeinsam verbracht – in Irland. Und dann waren sie wieder mit LaBrassBanda auf Tour. Richtig gehört. Stefan Dettl und seine Männer sind über einen so genannten Showcase auf die Malgersdorfer aufmerksam geworden. „Die Gema veranstaltet solche Aktionen. Da kann jede Band Songs einschicken und bekanntere Bands können sich dann aussuchen, ob da eventuelle eine Vorband für sie dabei wäre,“ erklärt Erze.
Die Wahl von LaBrassBanda fiel auf Gringo Bavaria, die beiden Bands lernten sich kennen und stellten fest, dass sie richtig gut miteinander können. Schnell folgten Shows in Stuttgart, Wien und Linz. Die Fünf freuen sich, dass die Jungs von LaBrassBanda so unkompliziert sind. „Wir wurden gleich als vollwertige Crew-Mitglieder behandelt,“ sagt Mane. „Das war eine richtig familiäre Atmosphäre und überhaupt nicht oberflächlich. Die Leute, die was drauf haben, sind eh die normalsten überhaupt.“
„Wir spielen für jeden Einzelnen“
Die Scheiben des Busses beschlagen immer mehr, draußen ist es schon ordentlich frisch. Die Band erzählt vom Konzert neulich in Linz, „ein brutales Brettl“. „Da waren wir selbst perplex, 1.500 Leute, alle voll dabei. Da fühlt man sich schon bestätigt, auf dem richtigen Weg zu sein,“ sagt Mane. „Wir spielen für jeden Einzelnen, wollen für alle das Beste rausholen.“ Nach den Konzerten verkaufen sie ihre Platten und T-Shirts selbst und freuen sich über das schöne Feedback der Besucher.
Was die Gringos machen, weiß ich jetzt. Wer sie aber sind, ist mir noch ein kleines Rätsel. „Unsere Band ist eine eigene, geschlossene Welt,“ sagt Erze. „Der Rest ist Privatsache.“ Und dann haben sie selbst eine großartige Idee: „Wir stellen uns nicht selbst vor, das sollen immer die vier anderen machen,“ sagt Mane und erntet Zustimmung. Am Ende sollte das die reinste Teambuilding-Aktion werden – viel Lacher, aber auch nachdenkliche Momente inklusive.
Erze, 33, Gesang und Gitarre
„Erze findet nicht wie Mane, dass wir dem Publikum große Botschaften mitgeben müssen. Er sagt, die Leute sollen sich selbst eine Meinung bilden. Auf der Bühne will er Spaß, Ablenkung und ein gutes Gefühl vermitteln. Er ist ein Träumer, lässt sich leicht ablenken. Wenn er selbst eine Meinung hat, lässt er sich davon nicht so leicht abbringen. Eigentlich ist Erze sehr schwierig zu beschreiben. Er lässt sich nicht leicht aus der Ruhe bringen, hat manchmal so ein bübisches Grinsen drauf. Er ist der Älteste und trotzdem unser größter Kindskopf. Auf der Bühne hat er einen guten Zugang zu den Leuten und kommt total unbeschwert rüber. Und Erze hat das beste und feinste Gehör von uns allen – er ist besser als jedes Stimmgerät. Mit seiner guten Gesangsstimme formt er den Stil der Band.“
Erze über sein Instrument: „Ich hab mit 14 mit dem Gitarrespielen begonnen. Ich bin eigentlich eine faule Sau, aber wenn ich mir was einbilde, ziehe ich es durch. Und ich schlafe und esse gern.“
Mane, 28, Piano
„Mane ist unser Master Mind. Er hat einen Masterplan im Hirn, organisiert und kommuniziert viel, knüpft Kontakte und geht immer gern auf Leute zu. Wenn er sich aufregt, setzt er sich hin und schreibt einen Song. Für ihn ist das Stressabbau und Psychotherapie zugleich. Er ist sich der Verantwortung gegenüber dem Publikum bewusst. Er findet, man darf Missstände aufzeigen – das hört man in dem ein oder anderen Text schon heraus. Unsere Songs haben auf subtile Art eine Botschaft – dafür ist meistens Mane verantwortlich.“
Mane über seine Instrumente und Hans Söllner: „Vielleicht hab ich zu viel Hans Söllner gehört. Seine kritischen Texte haben mir schon immer gefallen. Das musikalische Rüstzeug habe ich in der Blaskapelle Arnstorf bekommen, Gitarre und Klavier habe ich mir autodidaktisch beigebracht.“
Flo, 29, Bass
„Wenn’s ernst wird, kommt von Flo ein blöder Spruch. Er hat in die Band schon so manches Ritual eingeführt. Und er ist unsere Rampensau. Sein Bassspiel ist ein Besonderes, da ist er sehr kompromisslos. Ganz typisch ist für Flo, dass er nicht gern diskutiert – auch weil er Konfrontationen scheut. Er macht sein Ding einfach und geht mit seiner ganz konkreten Vorstellung in Songs. Seine weitere große Leidenschaft sind V8-Motoren und Oldtimer. Außerdem ist Flo unser Tonmeister. Er hat sich dem Thema Aufnahmen angenommen und sich dafür viel Wissen angeeignet.“
Flo über sein Instrument und die Ramones: „Ich hab mit 14 meinen Bass bekommen. Meine Lieblingsband waren schon immer die Ramones. Zum Spielen hab ich mit Chris und seinem Bruder begonnen.“
Tom, 23, Schlagzeug
„Tom spielt so unglaublich manisch Schlagzeug, als ob er den Teufel gesehen hätte. Er ist mit 23 das Bandküken und das merkt man auch. Er ist total befreit. Seine unbeschwerte Art tut uns allen gut. Tom macht erst und denkt dann. Er lockert die Band auf, wenn intensiv diskutiert wird. Wenn die Proben zu lang dauern, muss man aufpassen, dass er nicht einschläft. Er lässt sich nicht drausbringen und kann sehr ehrgeizig sein. Früher war Tom in Richtung Punkrock unterwegs und das beeinflusst auch den Sound der Band. Aus Toms Spiel sind schon Songs entstanden.“
Tom über sein Instrument: „In der Realschule hatten wir einen guten Musikraum. Da konnten wir alles ausprobieren und ich bin am Schlagzeug hängen geblieben. Mit 13 hab ich damit angefangen und Unterricht bekommen.“
Chris, 30, Gitarre
„Chris bekommt schnell verschiedene Spitznamen. Momentan ist er der „Pa“ – auch, weil er grade selbst Papa geworden ist. Er macht alles perfekt. Daheim setzt er sich stundenlang hin und übt ein Solo. Es tut gut, dass einer dabei ist, der nichts dem Zufall überlässt und den Überblick behält. Freilich ist er manchmal ein bissl zu wenig locker. Unterwegs ist er derjenige, der schon mal seine Ruhe braucht. Pünktlichkeit ist ihm wichtig. Und er ist kreativ mit Fleiß, Eifer und Leidenschaft in der Band. Wahrscheinlich verbringt neben der Probenarbeit niemand so viel Zeit mit seinem Instrument wie er.“
Chris über sein Instrument: „Trotz einiger Lernstunden habe ich mir das meiste am Gitarrenspiel selbst angeeignet. Das Equipment wird ständig erweitert und optimiert… wie der Schuhschrank einer Frau.“
„Und Ab!“
Am nächsten Morgen fahre ich zu einem Termin und schiebe das Album der Gringos in den CD-Spieler. Den es so schnell nicht mehr verlassen sollte… Das, was mir zu Ohren kommt, ist eine rundum feine Sache. Rock ’n‘ Roll auf Boarisch, aber nicht abgehalftert oder fad, sondern eingängig, abwechslungsreich und musikalisch professionell. Noch wochenlang begleiten mich sich abwechselnde Ohrwürmer, auch die Gitarrensoli prägen sich dauerhaft ein. Und besonders groß wird meine Freude, wenn sich Steve O. und seine Shaky Bones nochmal hervortun: Bei „Nix für’s Leben“ und „Kine vo da Strass“ ist das unverkennbar der Fall. Das erste Album kann alles von rockig bis kuschlig: Der erste Song „Du i mog Di“ geht ordentlich ab und bleibt im Ohr. „Für Di“ schlägt leisere Töne an. Und „Wer ned kimmt hod frei“ überrascht mit feinen Südsee-Rhythmen.
Das tut sich aktuell bei den Gringos
Nach einem Jahr voller Live-Shows wird es wieder höchste Zeit für neue Songs. Ab dem neuen Jahr werden die Gringos wieder verstärkt an neuen Nummern und Videos arbeiten, bevor für Herbst einige Tourpläne in der Schublade liegen. Eine erste Kostprobe gibt es dennoch schon früher: Nach Gastspielen in den verschiedensten Winkeln von Bayern und darüber hinaus, freuen sich die Fünf auch endlich mal wieder, dahoam im Rottal zu sein. Am 1. Februar 2019 spielen sie in Eggenfelden, im Ross-Stall Gern.
Und wie hören sich die Gringos jetzt an? So! Das neue Video zu „Wo bist Du?“ gibt eine feine Kostprobe:
Fotos von den Gringos on Stage gibt’s hier.
Eine erstklassige Reportage über Gringo Bavaria. An den Burschen sieht und hört man was in Niederbayern angepackt und gemacht wird. Wünsche weiterhin viel Erfolg un ein gesundes, glückliches neues Jahr 2019.
Hallo Gringo Bavaria,
wir sind die beiden Bamberger, die am Sonntag zufällig in euer Weihnachtsfeier hineingeplatzt sind. Nur so viel: wir sind widerwillig hoam gfahrn, denn eure tolle Stimmung und Laune ist ansteckend. Eure Musik auch, wir sind ganz begeistert. Sicher werden wir mal ein Konzert von euch als Revange besuchen, die CD ist auch schon bestellt. Sehr schade, daß wir (Silke und ich) nicht bleiben konnten. Ansonsten hätten wir ne riesen Gaudi gehabt. Bis bald mal aufm Konzert.
Die Bamberger
Bernhard und Silke
P. S. Wir trinken auch ganz gerne Bier und bei uns in der Gegend gibt es den Wilde Rose Keller, wo im Sommer auch mal Bands auftreten. Vielleicht wäre das etwas für Euch?
Servus ihr Beiden,
Freut uns sehr! Grad wenn mal wieder die Offenheit oder Gastfreundlichkeit der Niederbayern in ihren einheimischen Wirtshäusern in Frage gestellt wird 😉
Wenns euch mal wieder in die Gegend verschlägt, schaut’s vorbei! Den Wilde-Rose-Keller schauen wir uns natürlich an.
Vielleicht sieht man sich dort ja mal zu gegebener Zeit 🙂
Vielen lieben Dank für eure Nachricht!
Grüße von den Gringos