He loves Books: Daniel Allertseder und die Bücher
Sein Zimmer duftet nach Büchern. Bücher, die dicht an dicht gedrängt im Regal stehen. Bücher, die sich am Boden stapeln. Bücher, die auf dem Schreibtisch auf ihre Bestimmung warten. Bücher, die neben dem Bett eine gemütliche Lektüre-Zeit verheißen. Daniel Allertseder ist ein Büchermensch. Er liest Bücher, rezensiert Bücher – und er schreibt selbst Bücher.
„Ich wollte mehr machen“
Daniels Zimmer befindet sich im Haus seiner Eltern, das in Leithen nahe des Birnbacher Bahnhofs steht. Er ist 20 Jahre jung, macht heuer sein Fachabitur an der Fachoberschule in Pfarrkirchen. Sein Weg hat ihn von der Hauptschule über die Wirtschaftsschule aufs Gymnasium und dann auf die FOS gebracht. „Ich wollte mehr machen,“ sagt er und rückt seine Brille zurecht. „Eigentlich wollte ich Germanistik und Kulturwissenschaften studieren. Aber jetzt hab ich mich doch am Literaturinstitut Leipzig für kreatives Schreiben beworben.“
Daniel zuckt ein wenig unsicher mit den Schultern. Leipzig – das wäre weit weg von daheim, von der Familie, von seiner Hündin Sina. Die Kraft, die ihn noch zuhause hält, kämpft gegen den Sog an, den das Leben da draußen verspricht. „Mal schauen, ob’s was wird,“ sagt er. Einen Kurzbesuch in Leipzig hat er gerade hinter sich: Buchmesse! Daniels Augen leuchten, als er erzählt. Und schon sind wir mittendrin in der Geschichte, die von seiner Leidenschaft aus Papier erzählt.
Mit 16 das erste eigene Buch
Wie jedes Kind, dem man die Gelegenheit dazu gibt, hat sich Daniel für Bücher interessiert. „Oma hat mich immer gut versorgt,“ sagt Daniel. Später dann, in der Pubertät, waren andere Dinge spannender. Bis zu dem Zeitpunkt, als ihm seine Schwester Tanja „Illuminati“ von Dan Brown in die Hand drückte. Da war es um Daniel geschehen. Als er dann auch noch mit den Ministranten Rom besuchte, wuchs in ihm erstmals die Idee: „Ich könnte auch einen Vatikanthriller schreiben.“ Im Jahr 2015 veröffentlichte er „PAOL – das Mysterium der Päpstin„. Damals war Daniel gerade mal 16 Jahre alt.
Heute ist ihm sein Erstlingswerk fast ein wenig peinlich. „Kein Sinn für Poesie, kein ausgefeilter Schreibstil,“ kritisiert er das Buch. Da redet er lieber über das andere zündende Ereignis, das sich im selben Jahr ereignete. Weil Daniel bemerkte, wie viel Freude er am Rezensieren anderer Bücher hatte, richtete er sich einen Blog via WordPress ein. „WeLoveBooks“ nannte er die Seite, die nicht lange vor sich hindümpeln sollte. Daniel twitterte, benutzte den Hashtag #autor, den wie durch Zufall eine gewisse Larena Delacruz durchstöberte. Das war der Beginn einer außerordentlichen Freundschaft.
„In Leipzig fühle ich mich richtig wohl“
Larena wohnt keineswegs im Rottal, sondern in Baden-Württemberg. Bald skypten die beiden regelmäßig, schrieben sich täglich – und taten sich für „WeLoveBooks“ zusammen. „Larena hat die Seite professionalisiert. Wir sind zu Wix gewechselt, Larena hat ein interaktives Bücherregal eingebaut und dann ging alles sehr schnell,“ erzählt Daniel. Immer mehr Besucher fanden auf die Seite, immer mehr E-Mails trudelten ein. Und auch die Verlage wurden auf den Blog aufmerksam. Mittlerweile bekommt Daniel oft mehrmals wöchentlich Post: Wunderbare Pakete mit Büchern – mal geordert, mal nicht. Diese Überraschungspäckchen der Verlage liebt er bis heute. Auch, wenn Daniel oft gar nicht mehr weiß, woher er die Zeit für all die noch ausstehenden Rezensionen nehmen soll. Denn klar – dazu muss er die Werke ja auch erst mal lesen.
Neben der Schule, die ihm aufgrund des bevorstehenden Abiturs auch mehr Zeit von ihm abverlangt, als ihm lieb ist, dreht sich für Daniel tatsächlich alles um Bücher. Weggehen, Party, Halligalli? Nichts für ihn. Da freut er sich lieber auf die alljährliche Buchmesse in Leipzig. Und in Frankfurt gibt’s ja auch noch eine! „Auf der war ich noch nie. Die ist mir schon vom Hörensagen zu unpersönlich. In Leipzig fühle ich mich richtig wohl,“ sagt Daniel. Ja, und neulich war’s wieder so weit. Nicht nur als bibliophiler Besucher war Daniel vor Ort, nein, vor allem auch als Blogger, Schriftsteller, Interviewer.
Interviews mit Bestseller-Autoren
Im Fachforum hielt er einen Vortrag über seine Erfahrungen mit „WeLoveBooks“ – kein Platz blieb frei. „Ich wollte gar nicht mehr aufhören zu reden,“ sagt Daniel im Nachhinein. Außerdem interviewte er für seinen Blog zwei bekannte Autoren, Sebastian Fitzek (Aktuell in der Spiegel-Bestsellerliste mit „Fische, die auf Bäume klettern„) und Frank Goldammer (Aktuell: „Großes Sommertheater„). Er knüpfte und vertiefte Kontakte zu Verlagen, freute sich über viele inspirierende Begegnungen und war ganz einfach in seinem Element. Das erklärt auch, warum Daniel keine Berührungsängste hat.
Leipzig ist beiweitem nicht die einzige Stadt, die Daniel für „WeLoveBooks“ bereist. München, Frankfurt, Köln – er ist überall da, wo sich Autoren und Verlage tummeln. Daheim warten dann wieder Familie, Hündin Sina und Schule, das Gegengewicht für Daniel, das den luftigen Ruf der Freiheit wieder erdet. Seine Schwester Tanja ist stolz auf ihren „kleinen“ Bruder. Sie hat ihn 2018 für den Kulturpreis des Landkreises nominiert. Erhalten hat Daniel den Preis zwar nicht, gefreut hat er sich trotzdem. Schon schön, wenn die Familie das zu schätzen weiß, was man aus Leidenschaft macht.
Einladung zur Londoner Buchmesse
Und da ist natürlich Larena, freischaffende Fotografin, Designerin, Model und Autorin. Daniel hat sie im „richtigen“ Leben erst einmal getroffen, 2018 auf der Leipziger Buchmesse. Ihrer Freundschaft tut die räumliche Entfernung keinen Abbruch. Sie beweisen, dass man sich nicht unbedingt sehen muss, um sich einander nahe zu fühlen. Die Zusammenarbeit an ihrem Herzensprojekt ist für beide das entscheidende Bindeglied. Daniel freut sich, welche Kreise „WeLoveBooks“ mittlerweile zieht. „Wir wurden sogar schon auf die Londoner Buchmesse eingeladen,“ erzählt er. Zu Gast waren die beiden dann aber nicht – zu aufwändig und teuer.
Da steckt Daniel sein Geld und seine Energie lieber in seinen Blog und seine eigene schriftstellerischen Ambitionen. Nach „PAOL- das Mysterium der Päpstin“ veröffentlichte er noch den Thriller „Todesanstalt“ sowie „11: Elf unheimliche Geschichten„. Mit Larena brachte er „Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte“ heraus. Mit seinem aktuellen Werk „Das Herz in der Hand“ hat er sich der Belletristik verschrieben. Darin erzählt Daniel eindrücklich nahe vom Schicksal einer Frau, die am Ende alles verliert.
„In Deutsch bin ich mittelmäßig“
„Ich lese und schreibe fast rund um die Uhr. Eigentlich hab ich für die Schule gar keine Zeit,“ sagt Daniel und lacht. Darf er seine eigenen Geschichten erspinnen, gleiten ihm die Worte ohne Probleme aus der Feder. In der Schule ist das was anderes. „In Deutsch bin ich mittelmäßig. Da bekomme ich immer zu hören, dass ich mich zu sehr auf die Details konzentriere.“ Mit diesem Schicksal eines echten Schreibers kann sich Daniel abfinden. Bei einem Praktikum bei der hiesigen Heimatzeitung erging es ihm ähnlich. „Fakten allein sind mir zu langweilig,“ sagt er und zuckt mit den Schultern.
Mit dem Lesen hält er es so: Zieht ihn ein Buch nach hundert Seiten nicht in seinen Bann, bricht er ab. Schlechte Rezensionen hat aber kein Autor von ihm zu befürchten, „aber durchaus kritische.“ Überzeugt ihn ein Werk, kann es schon passieren, dass Daniel an nur einem Tag ein ganzes Buch liest. Neben dem Inhalt ist für ihn auch die Aufmachung wichtig: Cover und Typografie müssen stimmig sein. Die Rezension veröffentlicht er auf „WeLoveBooks“. Und auch auf Facebook und Instagram ist Daniel unterwegs.
„Es ist ein Geben und Nehmen“
Hündin Sina seufzt gemütlich auf dem dicken Kissen, das neben Daniels Bett liegt – ihr Schlafplatz auch in der Nacht. Daniel lächelt. So viel Leidenschaft und Energie er auch investiert – verdient ist mit seinem Blog kaum etwas: „Ich sehe das so: Die Verlage geben mir ihre Bücher – ich gebe ihnen dafür Rezensionen. Damit ist es ein Geben und Nehmen.“ Hin und wieder springt etwas Geld heraus, sei es durch den Verkauf der eigenen Bücher oder durch Kampagnen, die die Verlage für Neuerscheinungen fahren.
Nach der Schule wird die Sache mit dem eigenen Geld interessanter, ja, notwendig. Das ist Daniel klar. Darum hat er sich für’s Leipziger Literaturinstitut beworben – und für einen Ausbildungsplatz als Medienkaufmann: „Dadurch könnte ich vielleicht mal in einen Verlag einsteigen.“ Das wär’s. Daniel schaut aus dem Fenster. Hinter dem Feld fließt die Rott vorbei. Die Frühlingssonne scheint. Alles drängt nach Aufbruch. Bis es wirklich so weit ist, wird Daniel weiterhin lesen und schreiben. Was auch sonst?
Daniels aktuelle Top-5-Liste der Lieblingsbücher
1. Édouard Louis: „Im Herzen der Gewalt“
„Das Buch ist ein autobiografischer Roman. Louis ist ein französischer Jungintellektueller, der seine Lebensgeschichte eindrücklich schildert. Er erzählt von einer Vergewaltigung, die er selbst erleben musste. Und von seinem Outing – Louis ist homosexuell.“
2. Carlos Ruiz Zafón: „Der Schatten des Windes“
„Meine Oma hat mir das Buch zu einem Zeitpunkt geschenkt, zu dem ich gar nichts damit anfangen konnte. Sie hat es mir geschenkt, weil die Hauptfigur Daniel heißt. Als ich das Buch dann endlich gelesen habe, war ich begeistert. Dieses Buch hat mich zur Belletristik gebracht.“
3. Ingrid Noll: „Goldschatz“
„Ich mag Ingrid Nolls schnippischen, schwarzen Humor. ‚Goldschatz‘ ist ihr aktuellstes Werk, aber ich hab schon viel mehr von ihr gelesen.“
4. Ransom Riggs – Die „besondere Kinder„-Reihe
„Die Reihe ist wunderschön aufgemacht – mit großartigen alten Bildern im ganzen Buch. Riggs schreibt sehr mysteriös – ich mag seinen Fantasy-Stil.“
5. Benedict Wells: „Vom Ende der Einsamkeit“
„Benedict Wells ist ein junger Autor – mit Vorbildcharakter für mich. Ich mag es, wie er schreibt. Seine Bücher sind in meinem Lieblingsverlag, bei Diogenes, erschienen.“