Linda Stadler: Ein Lieblingsladen zum Wohlfühlen

Am Ortsrand von Aldersbach führt eine kleine Straße zum Lieblingsladen. Die Blätter wirbeln von den Bäumen, ein wenig ungemütlich und kalt ist es schon an diesem Tag Ende November. Aber nicht mehr lange… Denn Linda Stadler begrüßt mich lieb und bittet mich hinein in die gute Stube des alten hölzernen Bauernhauses, das sich hinter ihrem Lieblingsladen versteckt. Drinnen ist es sehr behaglich, ein großer Kachelofen verströmt Wärme und die Einrichtung aus alten und neuen Möbeln schafft Atmosphäre.

„Er hat das Kreative aus mir herausgeholt“

Genau das ist es, was Linda kann: Atmosphäre schaffen. Sie kann es nicht nur aus einem grundlegendem Gespür heraus, sie hat das gelernt. Schon vor ihrem Studium der Innenarchitektur in Rosenheim, nämlich in der 12. Klasse, wusste sie: Das ist mein Ding. Hervorgerufen hat diesen Wunsch tatsächlich ein Lehrer: „Unser Kunstlehrer Harald Götz hat mich sehr geprägt – er hat das Kreative aus mir herausgeholt,“ erzählt die 40-Jährige. Nach dem Abi hat sie sich ein Jahr Auszeit genommen, um sich an einer Kunstschule so viel Know-How zu verschaffen, dass sie eine Mappe erstellen konnte. Damit bewarb sie sich an der Technischen Hochschule Rosenheim – und wurde angenommen.

Linda sitzt am alten Holztisch, die Hände um die warme Teetasse gelegt. Sie lächelt sanft, erzählt mit einer unglaublichen Ruhe, mit einer höflichen Zurückhaltung. Ihre ganze Ausstrahlung ist so sensitiv, dass kaum zu glauben ist, was sie über die Zeit nach dem Studium erzählt. Die war nämlich ganz schön hardcore, ganz schön karrieremäßig, pow-pow-pow! Zunächst fand Linda eine Stelle in der Innenarchitekturabteilung bei Bachhuber in Peterskirchen und sammelte dort Erfahrung im Bereich der Hotels und Gastronomie. Da ihr Mann zu der Zeit aber schon in München arbeitete, war die Landeshauptstadt ebenfalls ihr Ziel. Schließlich begann die „coole Zeit“ bei Schmidhuber und Partner, einem Architektur- und Innenarchitekturbüro, welches im Bereich Messebau, Events und temporäre Architektur für namhafte Unternehmen weltweit Projekte realisiert.

„Ich habe gearbeitet bis zum Umfallen“

Linda nickt sachte, als sie sich erinnert: „Ich habe gearbeitet bis zum Umfallen.“ Fünf Jahre lang hat sie den Job gemacht, bis sie mit ihrer Tochter schwanger wurde und lange liegen musste. Heute weiß sie, dass daran auch schon der Stress beteiligt war. Denn da war nicht nur die Arbeit, da gab es plötzlich schon die Zukunftsvision, wieder im Rottal zu leben. Das denkmalgeschützte Bauernhaus hat es dem Paar gleich angetan – behutsam renoviert war es auch mit seinem alten Kachelofen, den Holztüren mit den schmiedeeisernen Beschlägen, dieser Behaglichkeit auf kleinem Raum. Doch noch konnte Linda das Zuhause nicht richtig genießen, meinte, so schnell wie möglich wieder in den Job zurückzumüssen.

München, das war ihr klar, wäre auf die Dauer nicht zu stemmen. „Also hab ich bei Professor Markus Frank in Eggenfelden angeklopft. Bei ihm hab ich schon mein Diplom in Rosenheim gemacht,“ erzählt Linda. Nach zwei Telefonaten hatte sie die neue Stelle, plante nun die unterschiedlichsten Projekte in Teilzeit. Eine ausfüllende Arbeit mit Projekten im Bereich Wohnen, Hotel und Gastronomie, die viel Koordination abverlangte, viele Rücksprachen und auch Fahrten. In der zweiten Schwangerschaft mit ihrem Sohn musste sie erneut liegen – dazu verstarb ihre Mama an einem Gehirntumor. Ihr Mann arbeitete nach wie vor in München und Linda wusste: So geht das nicht mehr. Das ist zu viel.

Der Lieblingsladen – der einstige Stall des Sacherls

In der zweiten Elternzeit hatte Linda die Idee: So ein Lieblingsladen, das wär’s. Und so wurde der ehemalige Stall gegenüber des Wohnhauses mit viel Eigenbeteiligung kernsaniert und zum Laden eingerichtet. Mit selbstgemachten Schmuckstücken für’s Haus und mit ausgewählten zugekauften Dekoartikeln, meist aus Dänemark, weil die halt genau ihren Geschmack haben, wie Linda erzählt, als wir aus dem Haus rübergehen in den Lieblingsladen.

In der Mitte des duftigen, gemütlichen Ladens agiert ein besonderes Möbelstück als Raumteiler: „Das ist mein Diplomstück,“ sagt Linda über das geschwungene, fast schwebend wirkende Regal, in das sie ihre Waren drapiert hat. Nebendran steht ein großer, langer Holztisch, schön angerichtet wie alles im Raum. „Hier feiern wir auch schon mal Geburtstage,“ sagt Linda, was in so einer hübschen Atmosphäre nur verständlich ist. Neben der Eingangstür stehen ein paar ausgediente Kinosessel, darüber hängen an der Wand verschiedene Bilder. Was ist das?

Laden – Onlineshop – Kurse – Innenarchitektur

Linda lächelt und erzählt freudig: „Das sind meine Kinder- und Erwachsenenkurse. Ich biete zu verschiedenen Themen Bastelnachmittage an, auch für Geburtstage. Gemeinsam malen wir auf der großen Wiese, gestalten Traumfänger oder Steckenpferde. Bei Erwachsenen sind kreative Pausen und Wohlfühlmomente ebenfalls sehr beliebt – Stempeln, Karten basteln, Holzhäuschen bemalen…“ Wenn es passt, holt sich Linda andere kreative Experten mit ins Boot. Sie setzt sich auf einen Kinosessel, lehnt sich zufrieden zurück.

Dazu lebt sie auch noch ihren „alten“ Beruf, nimmt als Innenarchitektin Aufträge an. Sie erstellt Konzepte und Planungen und bietet für Privatleute aber auch Firmen Beratungen an. Von Küche, Kinderzimmer, Wellnessbereich bis zu Cafés, Apotheken, einer Vermögensberatung sowie Um- und Ausbauten für bereits bestehende Wohnhäuser ist alles dabei. Linda ergänzt ihr Angebot mit einem Onlineshop. Als Starthilfe in die Selbstständigkeit hat ihr die Existenzgründungsförderung gut geholfen: „Da bin ich an den richtigen Mann geraten, der meinte, dass Teilzeit-Mamas unbedingt auch die Chance haben sollten, sich selbst zu verwirklichen.“ Linda nickt froh und dankbar: „Die vier Tätigkeitsbereiche greifen gut ineinander, ich kann mir alles gut einteilen.“

Damit hat sie ihr Ziel erreicht – Familie und Beruf in einem Maß leben zu können, das ihr guttut, wo sie sich nach ihren Bedürfnissen richten kann, wo sie ihre eigene Chefin ist. Ihr Mann arbeitet mittlerweile nicht mehr in München, sondern in Passau. So hat sich alles gut gefügt, auch in Zeiten des großen C. Jetzt ist es gerade die wunderbare Lage inmitten der Natur, die ihre Kund*innen schätzen, die Kindergeburtstage so schön macht. Ja, und Linda braucht nicht ins Auto steigen, sondern nur ins Gebäude nach nebenan gehen, mit der morgendlichen Tasse Tee in der Hand…

„Wir teilen Erinnerungen und Freundeskreis“

Oder auch mit einer abendlichen Tasse: „Ich wurstle gern noch spätabends dahin,“ sagt sie. Wie Linda ihren Stil beschreiben würde? Sie überlegt nicht lange: „Mir gefällt eine Mischung aus dem skandinavisch Reduziertem und alten Flohmarktfunden.“ So entsteht ihre ganz persönliche, gemütliche Raumstimmung – die immer individuell ist. „In den Magazinen ist meist alles so clean. Da lässt sich gar keine Persönlichkeit ablesen,“ findet Linda. Das kann man bei ihr nicht behaupten, weder im Haus noch im Lieblingsladen.

Neben all der Ruhe und Gemütlichkeit, die Linda und ihr Schaffen ausstrahlen, ist viel Liebe spürbar. Liebevoll und bewundernd spricht sie von ihren Kindern – und sehr verbunden von ihrem Mann. Das rührt nicht zuletzt daher, da das Paar schon viele Jahre gemeinsam verbringt. „Wir sind in der Schule beim Tanzkurs zusammengekommen,“ erzählt Linda. „Das ist wirklich sehr schön, weil wir die ganzen Erinnerungen unserer Jugend teilen – und auch unseren Freundeskreis. Seit der Schulzeit sind zehn, 15 Leute miteinander befreundet. Wir treffen uns bis heute regelmäßig und haben sogar die Abschlussfahrt in die Toskana dreimal wiederholt.“

Sehnsüchte können sich erfüllen

Damals, nach der Schulzeit, sind wie auch Linda viele in München gelandet: „Inzwischen sind die meisten zurück ins Rottal gekommen. In München sind nur ein paar hängengeblieben.“ Sie steht auf, schaut sich sehr zufrieden in ihrem Lieblingsladen um. Niemand kann besser verstehen als sie, warum die Landeshauptstadt auf die Dauer keine Option ist. Mit den überlangen Arbeitstagen wuchs die Sehnsucht nach Natur und einem Garten. Heute weiß Linda, dass sich Sehnsüchte erfüllen können, wenn man weiß, was man nicht mehr will. Die Innenarchitektin schließt die Hintertür des Lieblingsladens, schlingt die Arme um sich – kalt! – schaut in den Garten, der ohne Zaun auskommt und darum bis zum Horizont des Hügels reicht. Zu ihrer Familie zählen auch noch zwei Katzen, zwei Hasen und eine kleine Hühnerschar.

Ihre Erfahrungen haben sie nachdenklich gemacht und auch besonnener, der frühe Tod ihrer Mutter hat sie an die Kostbarkeit des Lebens erinnert: „Ich bin froh, den Stress und den Druck nicht mehr zu haben, um selbst gesund zu bleiben. Positiver Stress, der mich motiviert, ist aber ok. Ich habe gelernt, auf meinen Körper und mein eigenes Wohlergehen zu achten.“ Allein die so oft gebrauchte Formulierung „Ich mach mal schnell“ hat sie aus ihrem Wortschatz und somit auch aus ihrem Leben verbannt. „Entschleunigen ist wichtig,“ sagt sie und fügt hinzu: „Das möchte ich auch meinen Kindern vermitteln. Man muss nicht immer etwas vorhaben. Auch beim Laubrechen passiert genug und was danach kommt, findet sich.“ So sagt sie’s und geht ins Haus, wo sie sich in der Küche angerichtet hat, noch ein paar Adventskränze zu gestalten. Nicht eben mal schnell, sondern in aller Ruhe.


Und hier kannst Du Dir einen Eindruck machen, wie schön es in Lindas Lieblingsladen ist! Alle Fotos dieser Galerie kommen von Linda selbst:

Das Rotter Gsichter Magazin
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Hier gibt’s weitere Infos…

Lieblingsladen

Linda Stadler

Anschrift: Atzenberg 4
94501 Aldersbach

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