Heidi und Christian Schwarz: „Zwischen uns passt kein Blatt“
Freitagnachmittag, Wochenende. Heidi und Christian Schwarz sitzen zum Erzählen mit Kaffee und Kuchen am langen Tisch in ihrer großen Wohnküche. Eine große Ruhe geht von diesem Paar aus, das nach 19 gemeinsamen Jahren viel erlebt hat. Höhen und Tiefen, wie man so schön sagt. Ein gemeinsam gewachsenes Leben, nicht nur Häkchen hinter Hochzeit, Kinder, Haus. Da gibt es auch die gemeinsame Firma. Hier sitzt ein Paar, ein Team, Eltern, Eheleute und außerdem zwei Personen – Heidi und Christian.
Während der 13-jährige Johannes draußen auf dem Hof mit dem Radl ein paar Runden dreht, kommt sein Bruder Markus von der Arbeit nach Hause. Er ist 17, sagt Servus zu seinen Eltern, erzählt ein paar Neuigkeiten, geht duschen, gleich kommt seine Freundin. Heidi und Christian lächeln ihrem Ältesten hinterher und werden selbst im Laufe ihres Erzählens ein wenig staunen, was in all ihrer gemeinsamen Zeit geschehen ist.
Heidi: „Entweder den oder keinen“
Alles begann mit einem Brief vor 19 Jahren, den Christian an Heidi schrieb. „Ich hab sie auf einem Faschingsball gesehen, mich aber nicht getraut, sie anzusprechen,“ erzählt er. Heidi hat den Brief bekommen – leider fehlte aber Christians Adresse. So wusste sie nur den Namen von diesem jungen Mann, der sie fragte, ob sie denn mal was miteinander machen wollten? Es verging ein halbes Jahr, bis Heidi herausfand, wer dieser Christian Schwarz war. Beim Arnstorfer Volksfest schließlich fiel der Groschen. Auf der Gewerbeschau war die Malerei Schwarz vertreten – und auch Heidis Familienunternehmen, die Firma Brandhuber. „Wir sind ins Gespräch gekommen und alles hat sich aufgeklärt,“ erinnert sich Heidi.
Das Gespräch wollte nicht enden und Heidi war so klar wie nie zuvor: „Entweder den heirate ich oder keinen.“ Heidi und Christian sehen sich an, da liegt viel Liebe im Blick. Eine Mischung aus Respekt voreinander, aber auch Neugierde. Denn eins ist klar: In 19 Jahren verändert sich viel, da wandelt sich jeder Mensch. Und dann tut es gut, wenn man sich gegenseitig radikal annehmen kann, mit offenen Armen und offenem Herzen.
Christian: „Sie hatte großes Verständnis“
Christian erzählt: „Mein Vater hat mich nicht gezwungen, die Firma zu übernehmen – mir aber schon deutlich nahe gelegt, dass er sich darüber sehr freuen würde. Also hab ich in Schweiklberg Maler gelernt. Die Meisterschule war für mich einfach – da wollte ich meinem Vater schon nachfolgen, hatte ein Ziel. Als ich mit Heidi zusammenkam, war für mich klar, dass sie in die Firma einsteigen würde. Sie war es gewohnt, dass am Freitagmittag nicht Feierabend ist, sie hatte großes Verständnis dafür, wie es ist, selbstständig zu sein.“
Heidi erzählt: „Mein Weg war nie so klar. Ich hab eine echt harte Ausbildung zur Friseurin gemacht. Weil ich das unbedingt wollte, musste ich es auch durchziehen, obwohl es echt knallhart war. Danach hab ich in der Firma meiner Eltern gearbeitet. Im Büro. Mich hat meine Oma sehr geprägt. Sie hat mir und meinen Geschwistern vorgelebt, was Zusammenhalt bedeutet. Sie ist heute über 90, hat eine absolut positive Einstellung zum Leben und ist immer noch innovativ. Da gab es nie ein Jammern, nur ein Machen. Wir mussten schon als Kinder jeden Samstag den Hof kehren. Als ich mit Christian zusammengekommen bin, ahnte ich, dass seine Firma unser gemeinsames Ding wird.“
Heidi: „Wir sind beide aneinander gewachsen“
Beide lachen, als sie sich an das erste Mittagessen im Hause Schwarz erinnern. Heidi kannte die künftigen Schwiegereltern zwar schon, aber bei ihnen am Tisch zu sitzen, war nochmal was anderes. Christians Papa kam gleich zur Sache: „Und Heidi, magst in die Firma einsteigen?“ Christian stieg es heiß auf: „Papa, sei still!“, brachte er heraus.
Damals, so sagt Heidi, war Christian noch ein ganz ruhiger Typ, der nicht viel geredet hat. Inzwischen ist er offener geworden, kann sich großartig reflektieren. „Wir sind beide aneinander gewachsen,“ sagt sie. Christian stimmt seiner Frau zu: „Am Anfang warst Du ja eher die Wilde, wolltest immer weggehen, Gaudi machen. Wir haben uns gegenseitig ausgependelt. Eher hätten wir nicht zusammenkommen können.“
So nahmen die Dinge ihren Lauf. Nach zwei Jahren Beziehung war Baby Markus unterwegs, Heidi und Christian gaben sich das Ja-Wort. 2005 bauten sie ihr gemeinsames Haus. 2007 komplettierte Johannes die Familie. Und „nebenbei“ stieg Heidi in die Firma ein. Damals war die Werkstatt noch am anderen Ende von Arnstorf – logistisch praktisch sah anders aus. Darum fasste das Paar den Plan, neu zu bauen. Christians Papa zeigte sich offen, hatte Vertrauen in „die Jungen“ und ließ sie ihre Pläne machen. Heidi wurde sofort ernst genommen, nicht nur weil sie Stapler und Lkw fahren konnte, auch, weil sie sich im Büro auskannte – und weil sie den Willen hatte, gemeinsam mit Christian die Firma zu stemmen.
„Es war wirklich eine harte Schule,“ erinnert sich Heidi. „Freilich konnte ich schon viel. Jetzt ging es halt nicht mehr um Sand und Kies, sondern um Farben. Aber eben um das eigene Geschäft.“ Christian gab ihr die Bücher aus der Meisterschule zur Hand, um Heidis Wissbegierde gerecht werden zu können und baute obendrein auf ihre Eigeninitiative. Sein Vater beantwortete voller Stolz Heidis Fragen und ließ sie in seine Welt hineinwachsen. Bis er im Jahr 2008 tödlich verunglückte. „Er hat ein großes Loch hinterlassen. Wir brauchten eine Zeit, bis wir die Motivation wiedergefunden haben,“ sagt Heidi und Christian trinkt still seinen Kaffee.
Christian: „Da sind auch mal die Fetzen geflogen“
Die Motivation fand das Paar wieder, als es darum ging, das heute 50-jährige Familienunternehmen fortzuführen und den Neubau in Angriff zu nehmen. 2009 startete das Paar das Projekt, machte gemeinsam mit Christians Bruder und Heidis Familie viel selbst. „Eine Wahnsinnszeit. Die Kinder waren klein. Wir hatten eine Riesenbaustelle, bei der es hinten und vorn fuchste und außerdem noch eine Firma am Laufen zu halten,“ erinnert sich Heidi. Christian nickt: „Da sind auch mal die Fetzen geflogen.“ Was das Paar aber gleich betont: Niemals artet ein Streit unter der Gürtellinie aus. Der Respekt voreinander wird gewahrt, die gute Kommunikation steht an erster Stelle.
Nach einem Jahr Bau-Stress erfolgte der Umzug in Arnstorfs Osten, keine fünf Minuten vom Wohnhaus der Familie entfernt. Umtriebig ging es weiter: Schneller als gedacht wuchs die Firma auf 40 Mitarbeiter, Urlaube gab es nicht, nur ein paar Tage Österreich zwischendurch. „Wir haben von Weihnachten bis Weihnachten gearbeitet und haben nach ein paar Jahren gemerkt, dass uns Strukturen fehlen,“ gibt Christian zu. „Da gab es schon mehrere schlaflose Nächte. Wir wussten einfach nicht mehr, wie wir das Arbeitspensum schaffen sollten,“ fügt Heidi hinzu.
Heute, nach regelmäßigen Coachings und Austauschwochenenden mit Kollegen aus der Malerbranche, sieht die Sache anders aus. „Unsere Auftragslage war immer gut, finanziell hat’s immer gepasst. Darum haben wir uns dazu entschlossen, nicht weiterzuwachsen. Freiräume sind uns wichtig. Wir haben zuverlässige Mitarbeiter, da sind auch mal 14 Tage Urlaub für uns möglich,“ sagt Heidi. Christian nickt: „Es ist ein Lernprozess, abzugeben. Als Führungskraft wirst Du nicht geboren.“ Heute arbeiten zwölf Maler im Betrieb, vier Mitarbeiter:innen sind vor Ort in der Farbwerkstatt, sechs in der Werbetechnik und 15 in der Pulverbeschichtung. Letzteres ist Heidis Ding, während sich Christian auf die Werbetechnik und die Farbwerkstatt konzentriert.
Heidi: „Wir wollen nicht mehr größer werden“
„Es ist wichtig, nicht auf den Profit aus zu sein, sondern das große Ganze im Blick zu behalten. Wennst als Chef abhebst und überheblich wirst, machst etwas verkehrt. In Seminaren haben wir gelernt, ein eigenes Leitbild zu entwickeln. Uns ist ganz wichtig, wie wir miteinander umgehen,“ erzählt Heidi. „Dazu wissen die Mitarbeiter, dass zwischen Christian und mich kein Blatt passt.“ Er lächelt ihr zu: „Es freut uns total, wenn wir sehen, wie junge Mitarbeiter unsere Werte übernehmen. Ehrlichkeit in der Kommunikation, in der Beratung und der Arbeit sind absolut wichtig. Nur so können wir echt sein.“
Auf der kurzen Fahrt zur Malerei erzählen Heidi und Christian weiter und es wird nochmal ein Stück deutlicher, was es bedeutet, als Paar eine Firma zu führen. Im Hofgut Hafnerleiten haben die beiden ein Seminar namens „Ich, Du und die Firma“ genossen – und dabei viel über sich gelernt. „Es ist schon gefährlich, dass es nur noch ein Thema gibt,“ sagt Christian. „Das Seminar wäre für uns gleich am Anfang wichtig gewesen.“ Seitdem schaufeln sich Heidi und Christian bewusst Zeit füreinander frei. Kleine Auszeiten und gemeinsame Abende erinnern sie daran, was sie aneinander schätzen, dass es auch noch die Frau Heidi und den Mann Christian gibt, die sich lieben.
Eine Frage aus dem Seminar lässt das Paar heute recht gelassen mit den Schultern zucken: Wo seht Ihr Euch in zehn Jahren? „Wir wollen nicht größer werden,“ sagt Heidi. „Und vielleicht machen wir nochmal ganz was anderes? Es wäre schon schön, unsere Erfahrungen weiterzugeben.“ Über die Betriebsnachfolge können beide nur spekulieren. Dass die Söhne das elterliche Geschäft fortführen, steht in den Sternen. „Vielleicht stehen die Kinder ja eines Tages doch da und wollen,“ meint Christian und es ist schon ein klein wenig Hoffnung, die da in seinen Augen aufblitzt.
Christian: „Damals hatte ich eine echte Sinnkrise“
Schließlich hat die Malerei inzwischen doch ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel und Christians ganzes Leben drehte sich um dieses Geschäft, das dadurch schon auch zu einem Stück Identität wurde. Jetzt ist er 47 Jahre alt – schon vor sieben Jahren schien es, als ob er mit dem Betrieb alles erreicht hätte. „Damals hatte ich eine echte Sinnkrise,“ erzählt er frei heraus, als er aus dem Auto steigt und wir ins Geschäft gehen, das lässige multifunktionale Treppenpodest anschauen und schließlich in seinem Büro sitzen. „Das war eine schlimme Zeit,“ erinnert sich Heidi. Die Frage nach dem Sinn des Lebens stand damals so drängend im Raum, die Frage nach Glück, nach dem Warum und Wozu.
Christian hat Antworten gefunden, indem er alles aufschrieb, sich Ziele setzte – und sich außerhalb der Firma engagierte. In der Kirchenverwaltung fand er eine andere Aufgabe, ein gutes Gefühl, andere Menschen, die ihm gut tun. Heute ist er außerdem Marktrat, bringt sich so in die Kommunalpolitik ein. „Das macht mich froh,“ sagt er. Auch Heidi hat ihren Ausgleich zur Firma gefunden, indem sie sich bewusst nach Menschen umgeschaut hat, die ihr gut tun, mit denen sie offen Probleme besprechen kann und eine ehrliche Antwort bekommt. „Nach Christians Sinnkrise lassen wir uns die Tage nicht mehr durch Kleinigkeiten verderben,“ sagt sie.
Gerade auch die aktuelle Zeit lädt das Paar dazu ein, sich nicht aufzureiben. „Corona ist ein Brennglas für alles Mögliche – vieles wird dadurch beschleunigt,“ ist sich Christian sicher. „Wir sind recht entspannt, genießen die mehr gewonnene Zeit.“ Er erzählt von seinem Fünf-Jahres-Tagebuch, wo die Tage untereinander stehen. Da wurde ihm klar, wie viel die letzten Jahre eigentlich los war und wie wenig jetzt auch genügt, um froh zu sein. Schützenverein, Kirchenverwaltung, Marktrat, Unternehmerfrauen, die Fußballspiele der Söhne, Schuhplattln, das Treffen mit dem großen Freundeskreis – alles weg. Christian sieht es locker: „Nach Corona wird der Stress wiederkommen.“
Zwei Menschen – ein Paar
Heidi hingegen ist ein wenig ungeduldiger. Die immer gleichen Kontaktpersonen, die immer gleichen Gespräche um das Thema Nummer eins machen sie langsam mürbe. Aber auch ihr ist klar, dass nicht nichts passiert. Der Älteste hat seinen Schulabschluss gut gemeistert und die Lehre begonnen – und somit einen neuen Wirkungskreis gefunden. Der Jüngste hingegen hat zu knabbern – ihm fehlen die Freunde und Aktivitäten, dazu Homeschooling. Und die Lethargie des ersten Lockdowns ist auch nicht mehr da, als Heidi zehn Wochen daheim war und sich der Tag nur durch die Mahlzeiten strukturierte.
Jetzt plätschert das Leben einfach weiter. Das Leben mit der Familie, den Katzen und Hühnern, ein bisschen weniger Arbeit, dafür gemeinsamen langen Frühstücken am Samstag, was Heidi sehr schätzt. Und handwerklichen Geschichten rund ums Haus, die Christian als Ausgleich zur Büroarbeit braucht. Es ist, wie Christian schon sagte. Miteinander pendeln sich die beiden immer wieder ein. Zwei Menschen, ein Paar – mit offenen Augen und weiten Herzen.
Das Gespräch wurde im Frühjahr 2021 geführt.