Fünf Freunde und das Phonogen
Im Probenraum ist es schön gemütlich: Dicht an dicht sind Instrumente und Verstärker aufgebaut, die Decke ist niedrig und mit Tüchern verhangen, die Wände mit schwarzem Pyramidenschaumstoff verkleidet. Es duftet nach Pizza und Bandschweiß, die Stimmung ist heiter. Wenn möglich, treffen sich die fünf Jungs von Phonogen jede Woche im Keller von Tobis Haus, irgendwo in einer Pfarrkirchner Siedlung unweit der Rott.
Hast Du das Phonogen?
Phonogen – der Bandname klingt wie ein Wort, das es bereits gibt. Und das tut es auch! Phonogen bedeutet laut Duden „bühnenwirksam, zum Vortrag geeignet.“ Dann passt’s ja! Spinnt der geneigte phonogene Mensch weiter darüber nach, könnte sich hinter dem Begriff auch ein Substantiv verbergen – kann man das Phonogen gar besitzen? Und was zeichnet den Phonogenetiker aus? Basti lacht und versucht sich an einer Erklärung, nie um ein Wort verlegen: „Es war eine ewige Prozedur, einen Namen zu finden. Wir hören alle Platten, darum fanden wir ‚phono‘ schon mal gut und catchy. Und ‚-gen‘ – wir haben halt alle das Musikgen.“ Basti lacht. Phonogen – ein nicht ganz greifbarer Begriff, genauso wie die Musikrichtung, die die Band auszeichnet.
2018 erst haben sich die Fünf zusammengefunden, um zu spielen, „wie es uns grad treibt, aber immer funky und groovy.“ „Wir haben uns schon vorher über fünf Ecken gekannt,“ sagt Tobi. „Sandro kenne ich von klein auf, wir haben aber immer unabhängig voneinander Musik gemacht.“ Die treibenden Kräfte, eine Band auf die Beine zu stellen, hatten Basti und Tobi. Den ersten Auftritt hatten sie bei Wengstock, einem kleinen, aber feinen Festival mitten im Nirgendwo zwischen Griesbach, Birnbach, Bayerbach. Übrigens hat Naturheilpraktiker Tobi Obermeier das Festl mit Freunden auf die Beine gestellt. „Vor einem Gig steigt die Motivation,“ sagt Sebi. Mittlerweile wird die Liste immer länger – Phonogen waren schon im Bogaloo, im Zauberberg, im Glasbau und am Stadtplatz beim Verschenkemarkt der Spielwiese-Gruppe zu hören. Und es geht munter weiter: Heuer ist das Rosa Laub-Festival in Vornbach an der Reihe, nochmal Wengstock – und nicht zuletzt Wien.
Basti: Frontmann und Architekt
Basti kommt aus Braunau, hat in Wien studiert. Das Österreichische liegt ihm wunderbar auf der Zunge und bereichert Phonogens Musik enorm. Der Song „Attersee“ zum Beispiel ließe sich schlecht auf Rheinländisch singen. Basti ist zwar der Bandälteste und auch irgendwie der Frontmann, Hierarchien sind der Band jedoch fremd. Im Arbeitsleben ist Basti im Landratsamt zu finden, wo er als Architekt seiner Berufung nachgeht. Neben dieser bodenständigen Stelle ist er auch noch freischaffend unterwegs – als Ziviltechniker tobt er sich in seinem Herkunftsland aus. „Ich werd schon immer wieder verarscht, weil ich Österreicher bin,“ sagt Basti trocken, aber der strolchige Witz schaut ihm aus den Augen.
Die Fülle an Worten, die ihm aus dem Mund sprudelt, kommt ihm beim Texten zugute. „Er ist gut, wir haben da keine Chance – er ist einfach zu schnell,“ sagt Thomas. „Die Texte entstehen direkt beim Jammen,“ meint Basti. Die Songs selbst bezeichnet er aber als Gemeinschaftsprojekte. Grad momentan fällt den Fünf immer mehr ein. „Wir haben viele halbfertige Songs, eigentlich müssten wir uns mal aufs Ausarbeiten konzentrieren,“ sagt Basti und lacht. Die Songs handeln von allem Möglichen, das die Band beschäftigt. Politisches inklusive. „Es is ois ok“ heißt ein ganz neues Werk, das die Bogaloo-Problematik behandelt. „Es geht um Baukultur, um langfristige Planungen, um einen kulturellen Verlust,“ sagt Basti. „Was macht eine Stadt lebenswert, was ist Kultur?“
Thema Bogaloo: „Die Subkultur verschwindet“
Selbstverständlich sind Phonogen auch selbst davon betroffen, wenn eine Kulturstätte wie das Bogaloo nicht mehr sein kann. „Wo soll man als Band im Rottal auftreten? So viele Möglichkeiten gibt’s da nicht,“ sagt Tobi und bestätigt die Annahme, dass junge Leute stattdessen daheimsitzen und zocken, zu viel saufen und auch noch schlechte Musik hören. „Die Subkultur verschwindet,“ sagt Basti und spricht im nächsten Atemzug vom erzkonservativen Bayern und alternativen Höfen. Es geht Beides.
Der sozialkritische Ton der Texte ist eine feine Sache, wenn man sie denn verstehen würde… „Daran müssen wir noch arbeiten,“ sagt Thomas. Neulich bekam die Band das zweifelhafte Kompliment zu hören: „Ihr seid wie Wanda, nur auf Englisch.“ Basti lacht und sagt: „Vielleicht klingt das Ur-Österreichische wie Englisch.“ Und Sandro meint: „Vielleicht sollten wir die Texte bei unseren Konzerten auslegen.“ Ob verständlich oder nicht – Phonogens Musik sagt allein schon viel. Lässt den Fuß wippen, den Kopf nicken und den Hintern wetzen.
„Sandro würzt den Sound mit böser Orgel“
Stefan ist 34 und für die tiefen Töne verantwortlich. Der Bassist sagt nicht viel, lächelt gemütlich und schätzt die gute Stimmung in der Band. Sein Papa ist auch Musiker. Er hätte Stefan lieber am Schlagzeug gesehen. Das vierseitige Instrument war ihm aber lieber. Als „Bassbärchen“ der Band schätzt er das stressfreie Dasein. Erfolgsdruck? Gibt’s nicht.
Sandro ist mit 23 Jahren das jüngste Bandmitglied. Der Keyboarder hat vorher in Coverbands gespielt, findet aber „eigene Sachen ansprechender“. Basti meint dazu: „Sandro würzt den Sound mit böser Orgel. Das eröffnet uns atmosphärisch viele Möglichkeiten.“ Seit der zweiten Klasse spielt Sandro klassisch Klavier, zehn Jahre Unterricht begründen das Können des Keyboarders.
„Mit Schreien hab ich angefangen“
Und dann wieder Basti. Wie alle bestätigen, redet er am meisten. Mit 16 Jahren lernte Basti an der Musikschule Flamenco-Gitarre – bis zum Studium blieb er dem spanischen Stil auf Solopfaden treu. Dann begann er mit seiner Wiener Band zu jammen und stellte fest: „Im Kontext mit anderen Leuten reift man richtig.“ Er probierte die E-Gitarre aus, spielt bis heute nach Gehör und keinesfalls nach Noten. Hinzu kam der Gesang. „Mit Schreien hab ich angefangen, erst später hab ich autodidaktisch singen gelernt,“ erklärt er seinen Werdegang. Und klar – Österreichisch zu singen ist eine andere Hausnummer, als die Melodien in geschmeidigem Englisch zu trällern. „Diese Einschränkungen machen das Ganze interessanter. Es ist wie in der Architektur,“ zieht Basti den Vergleich.
Thomas nickt. Der 27-Jährige gibt den Takt der Band vor. Für’s soeben erworbene Elektroschlagzeug schämt er sich ein bisschen. Cool ist das nicht, aber es spart eben Platz im kleinen Proberaum. Im zarten Alter von sechs Jahren griff Thomas erstmals nach den Drumsticks des großen Bruders. Mit 14 dann jammte er ein wenig mit Stefan und stellte fest, wie viel ihm das Zusammenspiel brachte. Heute sagt er: „Mein Bruder ist immer noch mein Vorbild.“ Nach der Erfahrung mit einigen kurzfristigen Bandprojekten ist er nun froh um das gute Miteinander bei Phonogen.
Im Entstehen: ein neuer Bandraum
Das sieht Tobi genauso. Er spielt schon sein halbes Leben Gitarre, Unterricht hatte er nur ein halbes Jahr. Mit 28 hat er schon ordentlich Banderfahrung, nahm mit Black Velvet ein Album auf, mit The Taste sogar zwei, spielte in Coverbands. Als Bandjüngster hatte er oft seine Probleme. Die Bands gibt es heute allesamt nicht mehr, „es tut einfach nicht gut, wenn Alpha-Typen mitmischen.“ Damit meint er gewiss nicht sich selbst.
Apropos Album – so eins gibt’s von Phonogen noch nicht. „Wir wollen aber schon länger aufnehmen,“ sagt Tobi. „So zwei, drei Nummern. Mit Livemitschnitt. Ton und Bild,“ spinnt Basti weiter. Die Band weiß um die Bedeutung, per Videos präsent zu sein. „Wenn, dann wollen wir eine Livesituation zeigen. Das ist eine ehrliche Geschichte. Und wir sind ja eine Liveband.“
Die Band fängt an zu spielen. Satt breitet sich der Sound aus. Lange werden sie aber nicht mehr in Tobis Keller die Köpfe einziehen. Bald schon geht’s nach nebenan. Im Schuppen haben die Jungs ordentlich viel Erdreich für’s Fundament weggeschafft. Die Balken liegen blank, die Bretterwände sind milde gesagt naturbelassen, die Fenster sind teils nicht vorhanden. „Das wird noch,“ sagt Tobi. Man muss nur an die Zukunft glauben. Und so posiert Phonogen im zukünftigen Bandraum. Witzig, leicht überdreht, mit einer freundschaftlichen Selbstverständlichkeit.