„Ich bin schon sehr romantisch“ – Lena Angermeier tanzt

An diesem Tag im April ist alles ganz zauberhaft, das hat der frühe Frühling so an sich. Die Sonne scheint und verschwindet immer wieder hinter Wolken in allen Grauschattierungen. Ein leiser Wind bringt die zarten, hellgrünen Blätter der Buchen zum Zittern. Manchmal fallen ein paar Regentropfen und durchbrechen die glatte Oberfläche der kleinen Teiche im Lichtlberger Wald. Und da ist Lena, die mit ihrem roten Halstuch und der geblümten Jacke so farbenfroh heraustritt aus den sanften Farben der Natur. „Hier habe ich auch schon getanzt,“ sagt sie. Lena-Sophia Angermeier ist Tänzerin. Und die Vorstellung gelingt leicht, wie sie sich durch das Eggenfeldner Wäldchen bewegt, grade so wie die ersten feinen Blätter der Bäume im leisen Wind.

Was sie will, das weiß sie – daran bestehen keine Zweifel

Über zwanzig Jahre lang tanzt Lena schon – mit drei Jahren hat sie damit begonnen. Die Erinnerung daran ist weit weg und ein bisschen verschwommen wie in einem Traum: „Ich habe im Garten auf der Treppe gespielt. Mama hat mich dabei beobachtet und mich gefragt, ob ich nicht mit ihr zum Tanzen gehen möchte.“ Ihre Mutter tanzt schon über dreißig Jahren im TZ im Park bei Eva und Gabi Büttner. So kam Lena zu ihrem Hobby, das weit mehr ist als das.

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Denn Lena besucht die Bode-Schule in München, eine private Schule für Gymnastik, Sport und Tanz. Dort studiert sie Tanzpädagogik. An den Wochenenden pendelt sie meist ins Rottal, während der Woche lebt sie in der bayerischen Metropole. Ende September dieses Jahres wird die 23-Jährige ihren Abschluss machen. Die theoretischen und praktischen Prüfungen legt sie an der TUM in München ab – in Sportbiologie, Pädagogik, Sport- und Tanzgeschichte muss sie dann zeigen, was sie weiß. Und freilich wird sie auch tanzen. Unter anderem muss sich Lena eine Choreografie überlegen, die Musik auswählen. Mit sieben Tänzern wird schließlich ihr erdachtes Tanzstück gezeigt. „Aufgeregt bin ich nicht,“ sagt sie ruhig mit tiefem Augenaufschlag unter schwarz getuschten Wimpern. Ein bisschen schüchtern wirkt sie dabei, aber gleichzeitig ganz in sich ruhend. Was sie will, das weiß sie, daran bestehen keine Zweifel.

„Es gab keinen Ausweg – außer eine Heirat“

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Und so wusste Lena auch ganz genau, was sie wollte, als sie vor gut einem Jahr das große Ja sagte. Als sie von ihrem Mann zu erzählen beginnt, wird sie lebendiger, sie lächelt viel, spricht freudig und ein wenig aufgeregt. Die Sonne funkelt immer wieder in ihren schönen Augen. Fast wie ein kleines romantisches Märchen aus Tausendundeinernacht klingt die Liebesgeschichte, die am Theater an der Rott begann. Tigran war Praktikant und half überall mit, wo man ihn brauchte. Und Lena begleitete das Tanzprojekt „Weil i di mog“, bei dem Asylbewerber, Behinderte und Nichtbehinderte zusammen einen Abend füllen sollten. „Ich hab mich zuerst verkuckt und auch den ersten Schritt gemacht,“ erzählt sie. Und er, er wollte eigentlich nur eine Affäre, nichts Ernstes. Ernst wurde es dann von selbst: Irgendwann wurde aus der Liebschaft doch eine richtige Beziehung. Und Lena erfuhr mehr über den Mann, den sie liebte. Obwohl er sich keine Chancen auf eine Aufenthaltsgenehmigung ausgerechnet hatte, hatte Tigran Asyl beantragt. Dadurch verkomplizierten sich allerdings auch die Möglichkeiten zum Studium. Und genau das war sein großes Ziel, sein Traum: Regie zu studieren, in Deutschland zu bleiben.

Lena hörte ihm zu, das Paar beriet sich. „Das war ein großes Drama,“ sagt sie und denkt nach. „Wir gingen zu mehreren Anwälten und es wurde klar: Es gab keinen Ausweg – außer eine Heirat.“ Erst scherzten die beiden über diese Option. „Es ist ja doch ein großer Schritt, mit 21 jemanden zu heiraten, den man nur so kurze Zeit kennt,“ sagt Lena. Und dann war da ja dieser bittere Beigeschmack, der sicher auch ihren Eltern zu schaffen machte: Was war sein Motiv, Lena heiraten zu wollen? „Meine Eltern konnten die Neuigkeit gar nicht glauben, haben es aber gefasst aufgenommen. Aber sie haben sich sicher gedacht: Jetzt flippt sie komplett aus,“ sagt Lena und lacht. Dann wird sie leise und fügt hinzu: „Ich rechne ihnen ihre Unterstützung hoch an.“

„Liebe! Das geht immer unter in der Geschichte“

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So weit ging die Unterstützung der Angermeiers, dass sie schließlich mit Lena ins Flugzeug stiegen und nach Armenien reisten, der Heimat ihres Schwiegersohns. „Im Vordergrund stand für mich, Tigo zu helfen. Er sollte seine Träume möglich machen können,“ sagt Lena über ihren Entschluss. „Und natürlich Liebe! Das geht immer unter, wenn ich diese Geschichte erzähle. Aber ich liebe ihn!“ Und die Sonne scheint und ihr roter Mund lacht und die zarten Blätter nicken leise. Wenn Lena erzählt, dann ist die Geschichte voller Romantik – denn ist es nicht hoffnungslos romantisch, die Liebe solche Wege gehen zu lassen? Romantisch.

Und mutig. Der Mut und die Gefühle, der ganz individuelle Ausdruck ihrer Persönlichkeit und ihr fast schüchtern wirkender Anmut – all das gehört zu Lena. Sie sitzt da mit Haltung, ihr roter Mund lächelt immer ansatzweise, ihre blonden Locken sind zu einem Dutt gebändigt. Da ist viel Lebensfreude in ihr und das zeigt Lena auch mit ihrer Kleidung. Ihre geblümte Weste kombiniert sie mit einer bestickten Jeans, einem kräftig roten Schal und einer satt gelben Filztasche. Ihre bunt gesprenkelten, kurzen Fingernägel und das klar geschminkte Gesicht ergänzen ihre Erscheinung. „Mein Stil ist Ausdruck meines inneren Wesens. Ich bin ein lebensfroher, positiv denkender Mensch,“ sagt sie. „Und ich habe nach der Fachhochschule erst mal eine Schneiderlehre begonnen.“ Das war aber dann doch nichts für sie, wie sie schnell festgestellt hat. „Mir hat das Gefühl gefehlt, dass ich hier meine Kreativität voll ausleben hätte können.“

„Lieber höre ich weniger bekannte Musik“

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Beim Tanzen kann sie das. Ihre Choreografien folgen ihren eigenen Regeln. Hier kann sich Lena ganz frei geben. Und wenn das auf der Bühne geschieht, umso besser. Zum ersten Mal stand die Tänzerin am Theater an der Rott im Rampenlicht – für sie ein wahrhaft schicksalsträchtiger Ort. „Laras Traum“ hieß das Stück und Lena war als Bäcker und Schneeflocke zu sehen, wie sie sich lachend erinnert. Bis heute tritt sie immer wieder in ihrer Heimatstadt auf. Eine Bühnenkarriere strebt Lena allerdings nicht an – ihr Ziel ist es, Tanzlehrerin zu werden. Nicht, dass sie die Bühne gar nicht reizen würde – das Lampenfieber ist für sie „was total Positives“. Das Gesehenwerden steht dabei gar nicht so im Vordergrund: „Mir ist es egal, wie ich rüberkomme – ich möchte mich einfach ausdrücken.“

Und was wäre Tanz ohne Musik? Dementsprechend gibt es Lena nicht ohne Musik. Sie kramt ihren i-Pod aus der Tasche. „Kennst du The Lumineers?“ Sie tippt herum, sucht. „Ich mag das Kommerzielle nicht so. Lieber höre ich Musik, die nicht so bekannt ist.“ Nicht so bekannt für mitteleuropäische Ohren ist armenische Musik allemal. Da mischt sich die ganz unverständliche Sprache mit orientalischen Klängen, schnelle Rhythmen verweben sich mit melodischem Gesang. Weiter in ihrer Liste taucht Michael Nyman auf, Klaviermusik, Filmmusik, gefühlvoll, ausdrucksstark, romantisch. Und weiter: Santana mit seiner Gitarre, ein Klassiker. Was sie auch noch mag: Die französiche Band Coeur de Pirate und Yael Naim. Und zu allem tanzt Lena. Zur ganzen Bandbreite der Weltmusik. „Wenn mir ein Lied gefällt, entsteht die Choreografie im Kopf,“ sagt sie. Und so tanzt sie auch beim Weggehen abends. Ganz auf ihre Art und Weise, anders als die anderen. „Manchmal werde ich schon darauf angesprochen, warum ich so gut tanzen kann,“ sagt sie mit einem Schulterzucken. Ihre Absicht ist das nicht. Sie tanzt eben, wie sie tanzt.

Hier in der Natur ist Lena ganz bei sich

lena7Und auch die Blätter tanzen im Wind, wie sie eben tanzen. Lena steht auf, macht ein paar Figuren, balanciert auf einen schmalen Steg hinaus aufs Wasser, immer mit dabei ihre bedachten, bewussten Bewegungen, ihr Anmut, ihr feines Wesen, das sie umgibt. Hier in der Natur ist sie ganz bei sich, wie sie sagt. Darum möchte sie auch wieder aufs Land zurück, raus aus der großen Stadt München. „Der Lebensstandard, die Natur, der Wald, die Felder, die Lebenshaltungskosten,“ – ihre Gedanken schweifen in die Zukunft: „Spätestens, wenn Kinder ein Thema sind, will ich zurück.“ Und schon vorher möchte sie mit Tigran nochmal ein richtig schönes Hochzeitsfest feiern, „am liebsten auf einer Wiese“. Da ist sie wieder, die Romantikerin Lena. Und sie lächelt leise, steckt ihren i-Pod in die gelbe Filztasche, steht auf und geht durch das Licht-und-Schatten-Spiel hinaus durch den zartgrünen Lichtlberger Wald.

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