Julia Tenschert: „Pferde sind faszinierende und empfindsame Wesen“

In kleinen Wolken steigt die Atemluft des Pferdes auf. Geduldig steht es in der Reithalle, während die Frau mit den langen Haaren neben ihm ihre Hände in sein dichtes Winterfell legt. Eine Hand am Rücken, eine am Bauch. Das Pferd kennt diese Berührungen schon und schnell entspannt es sich, lässt das Maul locker, malmt ein wenig herum, winkelt einen Hinterhuf an. Das Pferd heißt Galeon, die Frau Julia Tenschert. Was Julia mit Galeon gemacht hat, nennt sich Holistic Pulsing – sie selbst hat die körperorientierte Behandlungsmethode vom Menschen auf Pferde neu erdacht.

Wir befinden uns auf dem Hof von Elma Esrig, die bereits seit ein paar Jahren Rottaler Gsicht ist und sich mittlerweile auf Präsenztraining spezialisiert hat. Die beiden Frauen sind nach einer gemeinsamen dreijährigen Trainerausbildung nicht nur freundschaftlich verbunden, Julia behandelt auch seit Jahren regelmäßig Elmas Pferde. Ihren Galeon stellt sie Julia außerdem dankend privat als Freizeitpartner zur Verfügung, da er besonders viel Arbeit und Zuwendung braucht. Ganz ruhig und behutsam sind Julia und Galeon miteinander. Noch ein paar Minuten genießt das große Pferd die Berührungen, dann schießt Jim daher, Elmas tiefschwarzer Schäferhund. Ungestüm dreht er ein paar Runden in der Halle, Galeon bleibt ruhig und lässt sich gern von Julia zu den anderen Pferden führen. Als sie wiederkommt, sind Jims Qualitäten als Fotomodell gefragt, denn auch er ist ein „Klient“. Denn Julia arbeitet auch mit Hunden – sie berät ihre Fraulis und Herrlis in Sachen Ernährung, speziell zum Thema Barf (= Biologisch artgerechtes rohes Futter). Was das ist und was Julia eigentlich noch so alles macht unter ihrem Namen „Kerngesundes Tier“, das hat sie mir schon vorher in ihrem Haus in Ruhstorf erzählt. Dort lebt die 36-Jährige mit ihrer sechsjährigen Tochter und ihren eigenen Hunden Wolfi und Libra sowie den zwei Katzen Minka und Lilly.

„Mit Tieren hatte ich schon immer eine besondere Verbindung“

julia tenschertGleich geht es in die Tiefe, das Gespräch mit Julia, die in Neuburg an der Donau aufgewachsen ist und sagt: „Mit Tieren war es für mich immer schon leichter als mit Menschen, ich hatte zu ihnen von klein auf eine besondere Verbindung.“ Als sie elf Jahre alt war, zog die Familie ins Rottal, Julia machte ihr Abi und ging danach nach Irland, werkte auf einer Pferdefarm. Auch wenn sie sich in Niederbayern von Anfang an sehr heimisch fühlte und das Rottal als ihre Heimat bezeichnet, so ist sie früher sehr gerne gereist und hat die Zeit auch auf anderen Kontinenten, wie Neuseeland und in den USA, sehr genossen: „Ich treffe überall auf der Welt die richtigen Leute, bin zur rechten Zeit am rechten Ort. Es ist schon so, dass ich es mir gut gehen lassen kann.“ Das betont sie, weil es lange Zeiten in Julias Leben gab, die wirklich schwer waren.

Der Gedanke, Tiermedizin zu studieren, war durchaus da. Julia machte Praktika in einer Tierklinik und bei einem Landtierarzt, aber heute ist sie froh darüber einen anderen Weg gewählt zu haben: „Ich habe ganz andere Möglichkeiten bei meiner freiberuflichen Arbeit mit den Leuten ins Detail zu gehen. Der Faktor Zeit spielt hier eine große Rolle, den man als Tierarzt leider einfach nicht hat. Sich unter anderem die Haltung und Fütterung ganz genau anschauen und auch abseits der Termine vor Ort noch beratend für die Leute da sein zu können, das ist einfach persönlicher und finde ich sehr schön. Und wenn man präventiv tätig sein kann, hat man auch ganz andere Erfolge.“ Also wählte sie einen anderen Weg, zudem sich ihr Leben schon in den frühen Zwanzigern grundlegend veränderte.

„Heute fühle ich mich frei“

Vor elf Jahren verstarb Julias Mutter nach längerer Krankheit. Julia pflegte sie zusammen mit der restlichen Familie, begleitete sie zuhause beim Sterben. Wenige Monate nach dem Tod der Mutter wurde auch Julias Papa krank und verstarb. Und auch ihre ältere Schwester ereilte dieses Schicksal. So verlor Julia ihre komplette Kernfamilie auf kürzeste Zeit. Ganz tief in ihr war das Gefühl, ohnehin keinem helfen zu können. Julia begann zu hinterfragen, stellte sich ihren eigenen Ängsten, betrachtete ihr Umfeld anders und sah, warum sie mit bestimmten Menschen konfrontiert wurde. Mit ihrer eigenen Mutterschaft und der Zeit mit dem Vater ihrer Tochter beschäftigte sie sich erstmals mit der eigenen Familie und den Hintergründen. Heute sagt sie dazu ganz klar: „Das war wichtig, aber es ist ebenso wichtig, den Absprung zu schaffen, um im Hier und Jetzt und für die Zukunft zu leben, anstatt sich in der Vergangenheit zu verlieren.“

Julias Tochter ist gerade im Waldkindergarten, Wolfi und Libra lassen sich nach einem Auslauf im Garten auf ihr Hundebett sinken, während Julia uns einen Cappuccino zubereitet. Sie sagt: „So seltsam es klingt nach dem kompletten Verlust der Familie – aber heute fühle ich mich frei. Ich bin keinen Verstrickungen mehr ausgesetzt.“ Sie schätzt den Gewinn aus ihren Erfahrungen: Ein wirkliches Verständnis für Menschen und Tiere entwickelt zu haben, die wie sie selbst Schlimmes durchlebten. Woraus sie ihre Lebenskraft zieht? Sie sagt mit einem in sich ruhenden Lächeln: „Ich bin dankbar für mein Leben, meine Gesundheit, mein Kind, mein Haus, meine Tiere, die lieben Menschen in meinem Leben – und so arbeiten zu können, wie ich es mir vorstelle.“

„Folge deiner Berufung“

julia tenschertSo zu arbeiten, wie sie es sich vorstellt, das macht Julia seit mittlerweile elf Jahren. „Meine Mutter war Krankenschwester und Heilpraktikerin, ich bin also mit Homöopathie aufgewachsen,“ erklärt sie ihr medizinisches Interesse. Dazu der Ratschlag der Mutter kurz vor dem Tod: „Mach das, was dir Freude bereitet, folge deiner Berufung.“ Bei ihrem Vater und der Schwester hat sie gesehen, was sie am Ende des Lebens am meisten bereut haben: Nicht das gemacht zu haben, was sie wollten. Zu viele Gedanken darüber verloren zu haben, was andere gesagt haben. Den Fehler wollte Julia nicht wiederholen.

Also machte sie eine Ausbildung zur Tierheilpraktikerin in Bad Bramstedt bei Hamburg, zur Pferdekinesiologin in Tirol und entwickelte nach und nach mit vielen Weiterbildungen ihr eigenes Ding im Rahmen von „Kerngesundes Tier“. So ist sie heute Pferdetherapeutin und Fütterungsberaterin für Pferde und Hunde. Über Pferde sagt sie: „Die Tiere haben auf der körperlichen und emotionalen Ebene ihre eigenen Themen, sie gehen aber häufig auch in Resonanz mit den Themen ihrer Besitzer:innen – wie menschliche Freund:innen oder Partner:innen.“ Ihr Part ist es, das Thema zu erkennen und beim Pferd anzusprechen. „In so einem Fall melden die Menschen dann oftmals zurück, dass sie das Thema ebenfalls betrifft,“ sagt Julia und lächelt. Sie erzählt weiter: „Selbst wenn mal Tränen fließen, hilft es dann schon, das Thema anzunehmen und Mitgefühl für einen selbst zu haben.“

Julia ist überzeugt davon, dass körperliche Symptome auch mit der Psyche im Zusammenhang stehen können. Das zeigt sich bei Tieren oft durch Unverträglichkeiten, Allergien, chronischen Atemwegs- und Hautproblemen. Hier lässt sich grundsätzlich viel über die Ernährung machen – im Grunde wie beim Menschen auch. Julia schaut sich die tierischen Patienten an, macht eine Anamnese, bezieht auch Kot-, Urin- und Blutproben mit ein, deren Werte über einen Tierarzt beziehungsweise ein Labor bestimmt werden. Sie analysiert diese Werte und ergänzt daraufhin beispielsweise mit fehlenden Spurenelementen oder empfiehlt Kräuter.

„Pferde spiegeln uns“

Mittels Kinesiologie lassen sich energetische Blockaden beseitigen. „Pferde sind sehr empfindsame Wesen,“ sagt Julia. „Fluchttiere eben. Sie haben starke Sensoren für menschliche Emotionen, eine feine Körpersprache. Pferde nehmen den menschlichen Herzschlag wahr. Mit inkongruentem Verhalten kommen sie gar nicht zurecht.“ So merken es Pferde sofort, wenn Stimme und tatsächliche Stimmung des Menschen nicht zusammenpassen, wenn die menschliche Körpersprache nicht mit der eigentlichen Gefühlslage harmoniert.

Julia denkt nach, nickt: „Pferde nehmen unseren Stress wahr und sind irritiert wenn wir uns oft so widersprüchlich verhalten. Da kommt es dann vor, dass sie uns unsere eigenen, auch unbewussten Themen spiegeln. Umso wichtiger für ihre Gesundheit ist es, dass die Grundlagen, also die Haltung und die Fütterung, passen. Wenn zum Beispiel am Heu gespart wird oder die Qualität mangelhaft ist, dann hat das Folgen für die Gesundheit. Die Basis muss einfach stimmen.“ Dazu gehört auch, dass die Tiere genügend Raum haben und nicht noch zusätzlichen Stressfaktoren, wie unpassendem Equipment oder unsachgemäßen Trainingsmethoden ausgesetzt werden. Zu ihren Kund:innen gehören meist Freizeitreiter:innen mit enger Verbindung zu ihren Tieren, aber auch sportlich ambitionierte Reiter:innen, deren Pferde chronische mentale oder körperliche Auffälligkeiten zeigen. Der Wunsch besteht, alternativ oder ergänzend für ihre Pferde was zu tun oder wenn die tiermedizinische Behandlung nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat.

Jagdhundmischling Wolfi muss sich jetzt unbedingt mal den Besuch genauer anschauen streckt seinen großen, wuschligen Kopf zum Kraulen hin, Labradorhündin Libra bleibt hingegen ruhig liegen. Julia erzählt weiter über ihre Erfahrung mit Pferden: „Noch vor ein paar Jahren hatte ich auch eigene Pferde, nach der Geburt meiner Tochter und mit der Trennung von ihrem Vater habe ich sie aber abgegeben. Finanziell und auch zeitlich war das nicht mehr drin. Die Entscheidung ob Haus oder eigene Pferde war ganz klar. Das sind halt Phasen, die man durchläuft im Leben.“

Ein breites Repertoire für Pferd und Hund

Sie schmunzelt, nein, ein Pferdemädchen war sie nie in dem Sinn. Erst mit elf, zwölf Jahren hat sie mit dem Reiten angefangen, später kam dann das erste eigene Pferd, mit dem das Wanderreiten im Vordergrund stand. Über Elmas Kinder haben sich die Frauen vor gut 15 Jahren kennengelernt. Vor einigen Jahren haben Julia und Elma die Trainerausbildung in Würzburg gemacht. Der Kontakt zu dem Ausbildungszentrum ist geblieben und heute behandelt Julia regelmäßig die Pferde vor Ort und gibt dort Seminare zu den Themen Ernährung, Massage und Holistic Pulsing.

Zu letzterem erzählt Julia: „Nach der Ausbildung am Menschen habe ich Holistic Pulsing aufs Pferd übertragen und die Tiere sprechen wunderbar darauf an. Die Körperarbeit bringt Pferde in tiefe Entspannung, das Nervensystem wird beruhigt, der Stoffwechsel angeregt und dazu schafft es eine gute Verbindung zwischen Pferd und Mensch.“ Gemeinsam mit Stefanie Gruber von Yonikraft, auf deren einstiger Koppel ihre Pferde standen, hat sie die ersten Kurse gegeben. Zu ihrem Repertoire gehören außerdem Cranio Sakral-Behandlungen sowie energetische Osteopathie. Die Arbeit am Körper zusammen mit der Stoffwechseltherapie und energetischen Methoden rundet für Julia ihre Arbeit am Pferd ab.

Wolfi hat sich wieder zu Libra gelegt und schielt ein wenig erwartungsvoll zu Frauli. Was könnte als nächstes geschehen? Julia erzählt, wie sie über Wolfi zum Thema Barfen gekommen ist: „Er war allergisch aufs Futter, hat sich gekratzt und hatte oft Durchfall. Also hab ich online damals eine Ausbildung zur Barf-Beraterin gemacht.“ Man darf sich das nicht so vorstellen, dass beim Barfen Hunde einfach mit rohem Fleisch, womöglich noch direkt aus der Metzgertheke gefüttert werden. Hierbei wird ein Beutetier imitiert, das freilich bereits getötet und zerlegt komplett verfüttert wird – also auch samt Innereien. „Es gibt schon ein paar Dinge, die man beachten muss. Zum Beispiel darf das Fleisch nicht zu fettarm sein, sonst bekommen die Hunde Probleme mit den Nieren. Dazu gibt bestimmte Zusätze, die dem Hund gegeben werden sollten,“ erzählt Julia. Wolfi geht es seitdem prima und Frauli hat einen eigenen Gefrierschrank in der Küche, der ausschließlich mit Fleischartikeln für die Hunde gefüllt ist. Seitdem berät sie regelmäßig Hundebesitzer:innen zum Thema, vor Ort oder mit ausführlicher Anamnese über die Ferne.

„Pferde wissen nicht um ihre Stärke“

julia tenschertAuch Pferde profitieren von Julias Wissen zum Thema Ernährung. Das falsche Futter, zu viel hiervon, zu wenig davon – all das beeinflusst den empfindlichen Verdauungstrakt der Tiere und schlägt sich geschwind auf das Allgemeinbefinden um. Julia berät, freilich unter Berücksichtigung der ganzheitlichen Aspekte. Vormittags, wenn ihre Tochter im Kindergarten ist, nimmt sie vor Ort ihre Termine wahr, nachmittags verbringt sie die Zeit mit ihrer Tochter und schaut auch schon mal bei Pferd Galeon vorbei. Neben Terminen vor Ort berät Julia mittlerweile auch telefonisch in ganz Deutschland Pferdebesitzer zum Thema Ernährung.

„Ich mag Pferde nicht zum Ausreiten ‚benutzen‘. Ein gutes freundschaftliches Verhältnis zum Tier ist für mich persönlich die Basis, es zu reiten,“ erklärt Julia ihre Beziehung zu den Tieren und zu Galeon im Besonderen. „Das Pferd neigt dazu, die missbrauchteste Kreatur unter den Haustieren zu sein, wenn auch gleichzeitig für uns Menschen die faszinierendste. So haben Pferde haben keinen Schmerzlaut, man muss Mimik und Verhalten deuten können,“ denkt Julia weiter. „Darum ist die Qualität der Verbindung so wichtig – um zu bemerken, wenn es dem Tier nicht gut geht. Aber auch Fachwissen sollte man sich aneignen und so selbst in die Verantwortung gehen für sein Pferd.“ Und was glaubt sie, warum suchen die großen, starken Tiere überhaupt die Nähe zum Menschen, warum lassen sie uns auf ihrem Rücken sitzen und bestimmen, so es hin geht? Julia überlegt. „In manchen Fällen wissen Pferde nicht um ihre Stärke und gehen den Weg des geringeren Übels. Doch ist es ein Unterschied, ob ein Pferd nur gehorcht oder seinem Menschen vertraut und Freude an der Arbeit hat.“

Ihre Tochter ist ebenfalls schon pferdebegeistert, reitet gern und hätte am liebsten ein eigenes Pferd. „Sie würde so gern auf einem Hof leben,“ erzählt Julia und gibt zu, selbst nicht von der Idee abgeneigt zu sein. „Aus dem Fenster zu schauen und die eigenen Pferde auf der Koppel zu sehen, das wäre schön,“ träumt sie. Dazu Workshops und Seminare auf dem Hof, Leben und Arbeit an einem Ort. Wer weiß, was die Zukunft bringt. Derweil ist aber für Julia alles gut, so wie es ist, die sich freut, ihr Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Jetzt zieht sich Julia um und wir machen uns auf den Weg nach Neuburg am Inn zu Elma Esrigs Hof mit Pferden, Katzen, einem Hund, Hühnen und einem Hahn, einem Hof in ruhiger Lage, umgeben von Wiesen und Bäumen…

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Kerngesundes Tier

Julia Tenschert

Telefon: 0151-65188123
Anschrift: Graf-Leopold-Ring 15
94099 Ruhstorf

Ein Kommentar

  1. Ein schöner Artikel über eine wunderbare Pferde- und Hunde-Frau! Ich vertraue meine Pferde seit Jahren Julias Können an. Es ist mir wichtig, dass sie – die so oft menschliche Unsicherheiten und Unklarheiten in meinen Trainings tragen und spiegeln, die bestmögliche Unterstützung bekommen. Dafür ist Julia meine erste Wahl. Und auch meinen Hund Jim hat sie bei anfänglichen körperlichen Problemen im Heranwachsen fabelhaft unterstützt, so dass aus ihm ein fröhlicher Prachtkerl geworden ist, der überhaupt keine gesundheitlichen Probleme mehr zeigt. Ich freue mich, dass mit deinem Artikel noch viel mehr Menschen von Julius Können profitieren werden!

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