Melanie und Simone Lombardi: Der KulturWirt und die Perfektionistin
Der Kies knirscht, als Simone Lombardi in den Hof fährt. Er springt aus dem Auto, schüttelt die Hand, freut sich selbst über seine enorme Pünktlichkeit und sucht seine Frau Melanie. Er findet sie im Büro, ein großer lichtdurchfluteter Raum im Nebengebäude des KulturWirt-Anwesens. Es gibt Kaffee und Almdudler, während das Paar eine echte Erfolgsgeschichte erzählt. Er, der Wirt ganz vorn dran, sie, die Organisatorin, die im Hintergrund alle Fäden in der Hand hält…
Ohne Deutsch und Bairisch nach Egglham
Alles begann im Jahr 1993. Damals wanderte die Familie Lombardi von Neapel nach Egglham aus. Ausgerechnet nach Egglham! Das hatte einen guten Grund – dort gab es ein leerstehendes Wirtshaus, dort gab es die Verheißung auf Arbeit, auf freies Schaffen, auf ein besseres Leben. So hatte es Giuseppe Lombardi von einem alten Kollegen gehört, mit dem er schon in den 80ern in Pfarrkirchen gearbeitet hatte. Das alles konnte Neapel nicht bieten. Italien stand wirtschaftlich recht problematisch da, Neapel war eine arme Stadt und Giuseppe Lombardi schlug sich als Hausmeister recht und schlecht durch, während seine Frau Silvana mit sämtlichen Jobs ein wenig Geld beisteuerte. Simone Lombardi war damals gerade mal sechs Jahre alt. Heute sagt er: „Wir waren nichts anderes als Wirtschaftsflüchtlinge.“ Und als solche trudelten sie in Egglham ein, ohne Geld in der Tasche und ohne ein Wort Deutsch, geschweige denn Bairisch zu beherrschen.
Aller Anfang war schwer. Die alte Wirtschaft war über zwanzig Jahre lang leer gestanden, dementsprechend sah sie aus. Giuseppe und Silvana Lombardi konnten es sich nicht leisten, ordentlich zu renovieren, was sie nicht davon abhielt, ihre Pizzeria im Mai 1993 zu eröffnen. Zunächst fand das Lokal großen Anklang bei den Egglhamern – ein eigener Italiener im Dorf! – aber schon nach kurzer Zeit blieben die Gäste aus. „Ohne Deutsch konnten meine Eltern keinen guten Service bieten,“ sagt Simone Lombardi. „Oft haben sie nur 20 Mark am Tag eingenommen.“ Alles stand auf der Kippe. Der kleine Simone wurde nach Neapel zu den Großeltern zurückgeschickt und in der alten Heimat eingeschult. Und auch Papa Giuseppe wollte schon das Handtuch schmeißen und Bayern wieder den Rücken kehren.
„Meine Eltern haben sich durchgekämpft“
Gut, dass er es sich nochmal anders überlegt hat, denn schließlich kratzten die Lombardis die Kurve doch noch: Im Dorf konnten sie sich gut integrieren, fanden schnell Kontakte und stellten einheimische Bedienungen ein, um die fehlenden Sprachkenntnisse zu überbrücken. „Meine Eltern haben sich durchgekämpft. Und ich glaube auch, dass sie mit ihrer Gastlichkeit und natürlich mit ihrer guten Küche überzeugen konnten,“ sagt Simone Lombardi. „Mein Papa hat früher schon mal als Koch gearbeitet. Die Mama hat’s von ihm gelernt. Gemeinsam haben sie sich weiterentwickelt. Vor allem aber haben sie Wert auf gute Lebensmittel gelegt.“ Durch ihre Bodenständigkeit gelang es den Lombardis, gut Fuß zu fassen. Die Lombardis unterstützten Vereine, versteigerten Pizzen und irgendwann war die Pizzeria Vesuvio mittendrin statt nur dabei.
Simone Lombardi kam nach dem ersten Schuljahr zurück nach Egglham und begann hier nochmal mit der ersten Klasse. Da war er schon acht Jahre alt und war des Deutschen nicht mächtig. Das änderte sich jedoch schnell, da er sich zwangsweise einleben musste: „Ich bin in der Nachbarschaft aufgewachsen,“ erinnert er sich. „Meine Eltern hatten keine Zeit, arbeiteten ständig in der Pizzeria.“ Er ist froh, in Egglham gelandet zu sein – hier gab es keine anderen Italiener, durch die sich eine Integration gewiss in die Länge gezogen hätte. Heute kann sich keiner der Lombardis mehr vorstellen, zurück nach Italien zu gehen. Simone spricht fließend Bairisch, kein Akzent ist vernehmbar. Und selbstverständlich sind auch die Eltern inzwischen der hiesigen Sprache mächtig und fühlen sich in Egglham daheim.
„Ich bin halt einfach ein Wirt“
Freilich lassen sich alle regelmäßig in Italien sehen. Schon allein deshalb, weil Giuseppe Lombardi dort einen Olivenhain und einen Weinberg bewirtschaftet – und zwar für den KulturWirt. Olivenöl und Wein aus eigener Produktion – das macht schon was her. Bis es aber so weit war, mussten noch etliche Jahre ins Land ziehen – 17 an der Zahl. Im Jahr 2010 war es dann soweit: Die Pizzeria sollte auf die nächste Generation übergehen. „Das war nie mein Traum,“ bekennt Simone Lombardi. „Das hat sich aus der Not ergeben.“ Die Not entstand durch schlechte Noten, die schlechten Noten durch fehlenden elterlichen Rückhalt aufgrunds Zeitmangels. Und doch sollte dabei am Ende Gutes herauskommen…
„Eigentlich wollte ich eine Lehre zum Trockenbauer machen,“ sagt Simone Lombardi. Daraus wurde nichts und aufgrund mangelnder Optionen landete er schließlich doch im heimischen Betrieb. „Ich hab schon als Kind in der Pizzeria gearbeitet – die Restaurantfach-Ausbildung war ein wenig legerer wie anderswo,“ sagt Simone Lombardi. In der Berufsschule ließ er sich kaum blicken, „die war am Freitag – und am Donnerstag war bei uns Stammtisch. Da blieb man oft bis weit nach Mitternacht sitzen.“ Er lacht und sagt: „Ich bin halt einfach ein Wirt.“ Und als solcher hat er’s mit den Leuten schon allerweil gut gekonnt.
Der Bambino wollte weg?
So wie mit Melanie, mit der er 2008 zusammenkam. Irgendwann kamen die beiden auf die Idee, gemeinsam ins Ausland zu gehen, nach Florida. Melanie, die damals noch den Nachnamen Hieringer trug, arbeitete damals beim Lindner als Auslandsassistenz. Da ging den Lombardis plötzlich das „Bresal“ – der Bambino wollte weg? „Und da hab ich die Pizzeria übernehmen müssen,“ sagt Simone Lombardi und nickt nachdenklich. „Die Eltern wollten ihm Verantwortung geben,“ erklärt Melanie Lombardi die Übergabe und fügt hinzu: „Es hätte schon nicht geschadet, wenn sich Simone noch ein wenig die Welt hätte anschauen dürfen.“ Sie selbst hat bei BMW in München gearbeitet und war über ein Jahr lang in den USA.
Also wurde Simone Lombardi mit nur 23 Jahren Wirt. Und als solcher wollte er freilich auch eigene Ideen einbringen, was Papa Giuseppe anfangs gar nicht schmeckte: „Es gab ständig Streit, auch weil ich immer so lange arbeiten musste und eigentlich auch mal abends weggehen wollte.“ Inzwischen hat sich Giuseppe Lombardi zurückgezogen – und prompt entspannte sich das Vater-Sohn-Verhältnis. Wenn Simone Lombardi den Vater braucht, ist er verlässlich zur Stelle. Und auch die Mama hilft im Betrieb und kocht nach wie vor. Nach der Übernahme zählte die Pizzeria Vesuvio vier Festangestellte und fünf Aushilfen – heute sind in der Hauptsaison über 40 Leute beschäftigt.
„Anfangs hatten wir schon Schiss“
Melanie und Simone Lombardi schauen sich an, beide überlegen und staunen immer noch ein wenig darüber, wie sie zu KulturWirten wurden. Da, wo heute Hochzeiten gefeiert werden, stand früher ein schlichter Stadl. Das Gebäude stand lange leer und gehörte damals noch nicht den Lombardis. Erst im Jahr 2000 wurde das Pizzeria-Haus gekauft, der Innenhof, das Nebengebäude und der Stadl gepachtet. Simone und Melanie erinnern sich an die wilden Festl, die sie im Hof veranstalteten. „Das waren ordentliche Open-Airs mit After-Show-Partys im Stadl.“ Kein Kommerz und dennoch folgten bis zu 1.000 Leute dem Ruf des Egglhamer Italieners. Noch vor fünf Jahren, zum 20-Jährigen der Pizzeria, spielte Django 3000 auf. Da lag die Idee nahe, mit dem Stadl „so richtig was zu machen.“
Und so geschah es. Irgendwann gelang es, auch noch den Stadl und das Nebengebäude zu kaufen und schon ging es los mit dem Umbau. Dem Paar schwebte „etwas Rustikales“ vor, um Weihnachtsfeiern, Geburtstage und andere legere Feierlichkeiten auszurichten – aber dann kamen immer mehr kleine Baustellen hinzu, bis man sich dazu entschied, alles „gscheid“ zu machen. „Anfangs hatten wir schon Schiss. Ein so großes Projekt für so einen kleinen Ort – puh,“ sagt Melanie Lombardi. „Aber wir haben gewusst, dass die Nachfrage besteht und uns auf unser Gefühl verlassen.“ Zu Recht: Im März 2016 wurde das Firstbier getrunken, im Mai die erste Hochzeit gefeiert.
„Eine Hochzeit ist ein riesiges Event“
„Die erste Hochzeitsreservierung hatten wir, da war das Ganze noch eine Baustelle,“ sagt Melanie Lombardi. Bis aus dem ehemaligen Saustall ein festliches Gewölbe wurde, aus dem festgetretenem Lehmboden edles Parkett, aus dem Stadl ein hell-hölzerner Saal mit Galerie und riesigem Leuchter, aus dem Nichts dahinter ein großzügiger Biergarten mit gemütlicher Hütte. „Gottseidank haben wir alles so hochwertig gestaltet. Dafür bekommen wir laufend viel Lob,“ sagt Melanie Lombardi. „Die Leute legen viel mehr Wert auf Qualität – eine Hochzeit ist heute ein riesiges Event.“ Die 33-Jährige ist die Planerin der Festlichkeiten. Die Auswahl der Speisen und Getränke, der Deko und des Blumenschmucks, der Musik, des Fotografen, der Unterkünfte für die Gäste und des Programms – in jedem Punkt steht sie dem Brautpaar unterstützend zur Seite. „Die Bräute haben den Anspruch, der Tag muss der beste in ihrem Leben werden,“ sagt sie aus Erfahrung. „Manche kommen bis zu sechs Mal zu mir, um alles zu planen.“ Am Ende der Planungen halten alle eine individuell erstellte Hochzeitsmappe in den Händen und können sich mit einem guten Gefühl auf ihren Tag freuen.
Die meisten Brautpaare kommen aus der Region, aber auch ein paar Auswärtige haben schon ihren großen Tag in Egglham gefeiert. So zum Beispiel das Paar aus Düsseldorf, das sich in Passau kennenlernte und aus nostalgischen Gründen in Niederbayern heiraten wollte. Oder die Paare aus München, die sich was ganz Besonderes wünschen, es in der Landeshauptstadt in dem Rahmen zu erschwinglichen Preisen aber nicht finden. 2016, im Eröffnungsjahr des Kulturwirt, wurden acht Hochzeiten ausgerichtet. Im Folgejahr waren es schon 42 – und in diesem Jahr 55. Die Reservierungen reichen aktuell bis ins Jahr 2020. Diese Zahlen sprechen für sich.
„Wir machen das alles nur für die Kinder“
Melanie ist ganz in ihrem Element: „Eine Hochzeit muss wachsen,“ sagt sie. „Zunächst kommen die Gäste an, lernen sich besser kennen. Durch das Essen und die Musik – und natürlich durch den Ort – entsteht erst die Stimmung, die alles zu einem Fest macht.“ Sie selbst hält sich nach der Planung lieber bedeckt im Hintergrund, schaut aus der Ferne, ob alles passt. KulturWirt Simone Lombardi agiert im Vordergrund, behält die Zufriedenheit der Gäste im Blick und achtet auf korrekt servierte Speisen und Getränke. „Manche wundern sich, dass ich selbst im Service mitarbeite,“ sagt Simone Lombardi. „Aber was soll ich denn sonst tun? Ich bin der Wirt.“
Melanie und Simone Lombardi haben selbst im Jahr 2012 geheiratet. 2011 kam Luca zur Welt, 2015 Emilia. „Wir hatten ein Kindermädchen, damit ich im Büro sein konnte. Das ging nicht anders, war aber sehr schwer für mich,“ sagt Melanie Lombardi mit Bedauern in der Stimme. „Ich wollte nicht, dass sich die Geschichte wiederholt und alles wie bei Simone wird.“ Mittlerweile haben die Lombardis Melanies Schwester Laura mit ins Boot geholt. Sie ist ausgebildete Restaurantfachfrau und bringt Schwung und Professionalität ins Team. „Und sie soll uns zeitlich etwas entlasten,“ hofft Melanie. „Damit ich wieder ein wenig mehr bei den Kindern sein kann. Wir machen das alles ja nur für die Kinder – für wen denn sonst?“
„Ich bin halt ein Italiener“
Zu Beginn der Nebensaison, wird es etwas ruhiger im Stadl. Freilich, da sind die Weihnachtsfeiern in der Adventszeit. Und da sind die Events – Mottoabende, an denen die Lombardi mal was anderes auftischen. „Take a Steak“ nennt sich so ein Abend zum Beispiel. Oder „Pasta la Vista, Baby!“ Und zum Valentinstag gibt’s ein romantisches Menü. Und sonntags manchmal einen Brunch. Immer offen für hungrige und genussvolle Menschen ist die Pizzeria O’Vesuvio da Simone, wie das Ristorante korrekt heißt. Auch hier steht der KulturWirt regelmäßig am Tresen und bedient seine Gäste. „Wir haben viele Stammgäste,“ sagt Simone Lombardi. „Durch den KulturWirt hat sich der Radius aber schon vergrößert.“
Seine Frau mischt in der Pizzeria nicht mit. „Der Stadl ist unser gemeinsames Projekt,“ sagt sie. „Die Pizzeria ist das Ding von Simones Familie.“ Das klingt keineswegs abwertend – doch sie weiß um die Bedeutung von La Familia. Simone Lombardi lacht und nickt. Er kann Melanie verstehen, er weiß, was sie meint. „Ich bin halt ein Italiener,“ sagt er. Und was heißt das? „Mei, ein Lebemensch halt. Chaotisch. Heute mal, morgen mal.“ „Und ich bin eine Perfektionistin,“ ergänzt Melanie. Er, der liebenswerte Chaot, sie die nüchterne Strukturierte – lebendige Klischees? Ganz so ist es auch nicht. „Mich regt allzuviel Chaos mittlerweile auch auf. Ich bin dankbar, dass Melanie dem Betrieb eine Struktur gibt,“ sagt Simone Lombardi und schaut seine Frau anerkennend an. „Ich hätt aber schon wieder neue Ideen,“ gibt er zu. „Und ich hole Dich immer wieder gern auf den Boden der Tatsachen,“ meint Melanie Lombardi gelassen.
Das italienische Familienprinzip ist inzwischen auch auf Melanie Lombardi übergeschwappt: Ihre Mama Bettina kümmert sich um die Buchhaltung, Papa Edi grillt hin und wieder ein Spanferkel im Biergarten, die Oma gartelt rund ums Haus, die eine Schwester Laura organisiert inzwischen im Büro mit und die andere Schwester Julia ist Schreinerin und die Handwerkerin im Bunde. Anfangs waren die Hieringers nicht ganz so begeistert, dass Melanie „einen Italiener mit heim bringt.“ Mittlerweile fragt die Mama nicht mehr ihre Tochter, sondern den Schwiegersohn, was er sich zum Essen wünscht, wenn sie auf Besuch kommen. Melanie Lombardi lacht: „Die Italiener haben uns fest im Griff.“
Und so schaut’s aus beim KulturWirt:
Achtung: Bei diesen Fotos könnte Euch das Wasser im Mund zusammenlaufen…
Wir wissen ja um den Verlauf der Geschichte der Lombardis. Habt alles sehr gut gemacht. Weit und breit ist die Lokation beliebt. Macht weiter so.