Martina und Peter Rothmeier und das Brimborium um die Musik

Als ich mich aufmache, um meine heutigen Portrait-Partner zu treffen, verlasse ich Rottal-Inn hinter Aldersbach. Auch wenn es sich nicht so anfühlt, liegt Galgweis im Landkreis Deggendorf. Im kleinen Dorf leben Martina und Peter Rothmeier gemeinsam mit ihrer Tochter Karolina und ein paar Katzen als freischaffende Musikmachende und -lehrer. Gemütlich ist es in ihrem Zuhause, wo wir am großen Esstisch Platz nehmen und ein halbwüchsiges Katzerl strolchig herumturnt, als die beiden erzählen…

Peter: „Ich wollte rocken“

Peter:
brimborium bavaria„Aufgewachsen bin ich hier in Galgweis, mein Elternhaus liegt nur ein paar Meter von hier. Für Musik hab ich mich schon immer begeistert und darum dachte ich, ein Musikstudium, das wär’s. In Plattling hab ich mit 16 Jahren damit begonnen, Hauptfach Gitarre. Ich wollte rocken – stattdessen standen Mozart und Beethoven auf dem Plan. So weit war ich noch nicht. Was tun? Mein Vater hat mir eine Lehre zum Maler besorgt, das ging schon. Aber immer dieses Stempeln im Winter, vier Monate nichts tun – keine guten Aussichten. Da wusste ich schon, dass ich damit nicht alt werde. Freilich war das eine recht unbeschwerte Zeit, ich hab noch daheim gelebt, hatte keine großen Ausgaben und darum keine Geldsorgen. Nebenbei hab ich auch immer Musik gemacht, in verschiedenen Bands gespielt. Meine Gitarrenschüler wurden immer mehr. Da hat mich meine Mutter auf die Idee mit der Ich-AG gebracht, die es damals noch gab. Im Jahr 2006 hab ich mich also als Gitarrenlehrer selbstständig gemacht. Mit den Zuschüssen hab ich mir einen guten Grundstock aufgebaut und meine Entscheidung nie bereut.“

Martina schaut den Peter beim Erzählen mit viel Liebe im Blick an, die Hände um die Kaffeetasse gelegt. Peters Gesicht ist lebendig, da ist viel Mimik im Spiel, viel Lachen, aber auch viel Ernsthaftigkeit in den Augen. Gemeinsam macht das Paar als Brimborium Bavaria Musik. Dabei ergänzen sie sich wunderbar. Peters Gitarre, Martinas Akkordeon, ihre Texte, ihrer beider Stimmen. Seit der Pandemie hat sich viel verändert, so viel steht fest. Sie brauchen nur an den Sommer 2021 zurückdenken. Da war so viel Musik, Kunst und Kultur umsonst zu haben, dass Bands und Veranstalter ein schweres Auskommen hatten. Gut besucht waren ihre Konzerte in der Umgebung trotzdem, aber es hat sich wie auf Halbgas angefühlt, wie es der 40-jährige Peter beschreibt. Und dabei wollen sie nur spielen – um bekannter zu werden und um damit Geld zu verdienen.

Martina: „Ich wollte was Seriöses machen“

Diese Offenheit schindet sofort positiven Eindruck. Denn nein, das Paar macht „sonst nichts“ nebenbei, sie leben von ihrer Musik, ziehen ihre Leidenschaft konsequent durch. Mit Brimborium Bavaria bestreiten sie zwar noch nicht ihr Leben, dafür aber mit ihrem Lehrerdasein. Denn auch Martina ist Musiklehrerin, auch sie von der Kindheit an musikbegeistert.

Martina:
brimborium bavaria„Ich komme aus Kojmühle bei Pocking. Schon mit 13, 14 hab ich Gitarren-Unterricht gegeben. Damals war ich noch dem Opa zuliebe sehr trachtenvereinsgeprägt, obwohl ich auch Rock und Pop mochte. Nach der Schule hab ich mich für eine Lehre zur Bankkauffrau entschieden. So bin ich fast zehn Jahre lang auf der Bank geblieben. Bis 2012 unsere Tochter Karolina kam und ich in Elternzeit ging. Erst dachte ich, ich bräuchte noch einen doppelten Boden, hab dann aber doch gekündigt. Und seitdem bin ich wie Peter Musiklehrerin und hab’s nie bereut.“

Kennengelernt hat sich das Paar bei einem von Peters Auftritten mit der Biertischmusi, seiner damaligen Band, die zu der Zeit für bayerische Unterhaltungsmusik bekannt war. Martina hat das Konzert gemeinsam mit ihren Mädels aus der Theatergruppe besucht – weil Schauspielern, das mag Martina auch. Das war 2007, da hat’s geschnacklt und Martina wurde damals auch klar: Von der Musik leben, das geht auch ungelernt und unstudiert. Ein neues Kapitel tat sich auf und die heute 34-Jährige stieg zunächst bei der Biertischmusi ein, so viele Talente sie hat: Neben dem Akkordeon beherrscht sie Bass, Gitarre, Klavier, Steirische und Kazoo. Später ging es erst weiter mit Brimborium Bavaria, ihrem gemeinsamen Projekt, das schnell vom großen C gebremst wurde.

Peter: „Mich kränkt das heute noch“

brimborium bavariaPeter:
„Ja, die Pandemie hat uns schon herausgefordert. 2020 gab es keine Hochzeiten, mit denen wir uns eigentlich das Geld für unser erstes Album erspielen wollten. Vom ersten Lockdown dachten wir noch, das wäre ein vorübergehender Sturm. Ich hab ausgesetzt, Martina hat angefangen, Online-Unterricht zu geben. Dann hätte es die Hilfen geben sollen. Mich kränkt das heute noch, wie offensichtlich dadurch geworden ist, wie wenig Künstler wertgeschätzt werden. Die Kultur steht ganz unten im Rang, da ist keine Lobby, da kämpft jeder für sich. Die Eltern von manchen Schülern haben den Unterricht gekündigt, andere haben einfach weitergezahlt. Das war sehr unterschiedlich. Ich hab dann auch begonnen, online zu unterrichten. Das ist aber grade für Anfänger schwierig, kaum machbar, möchte ich sagen.“

Martina:
„Für jeden Schüler haben wir individuell ein Video gedreht, das Ganze mit PDFs und MP3s angereichert. So hat jede:r ein eigenes Paket bekommen und kann damit lernen, wann er oder sie will. Damit sind wir bis heute ganz flexibel und können jederzeit zwischen digitalem und Präsenzunterricht wählen. Zu viel Online-Live-Unterricht wollen wir nicht, weil die Kinder in der Lockdown-Zeit eh so viele Online-Termine hatten.“

Digital ja – aber gerecht

Martina und Peter trinken ihre Kaffees aus, das Katzerl turnt noch immer auf und unter dem Tisch herum. Die beiden sinnieren über das schwierige Geschäft für kleine Musiker. Die jungen Leute, so haben sie in ihrem Unterrichtsleben festgestellt, haben keine Idole mehr. Gitarrenschüler kennen keine namhaften Gitarristen. Kaum einer beschäftigt sich aus echter Leidenschaft mit Musik – ganz anders wie zu ihrer Zeit, als ACDC, Kiss, Queen und die Stones die Stars waren. Dann ist da noch die digitale Musikwelt. Klar sind die beiden selbst auch auf Spotify, Amazon Music und YouTube, hilft ja nicht. Dass das Digitale auch was Gutes hat, ist schon klar – gerechter müsste es halt zugehen.

Peter:
„Eigentlich hatten wir gedacht, im November 2020 unser Album live zu präsentieren und damit die beste Werbung zu machen. Daraus ist wegen dem zweiten Lockdown nichts geworden. Darum haben wir uns was anderes ausgedacht. Und zwar einen besonderen Adventskalender, für den wir jeden Tag vor einer anderen Haustür gespielt haben. Die Videos haben wir dann auf Social Media und YouTube gezeigt. Das war ganz schön aufwändig, aber wir hatten ja Zeit und auch viel Freude daran. Mit Brimborium Bavaria haben wir uns schon was Feines ausgedacht, um die Musik zu machen, die wir mögen. Die Biertischmusi ist ja eher gefällig, da gab es Covers und Unterhaltungsmusik. Brimborium Bavaria ist anders.“

Martina: „Man muss seine Sache lieben, um gut zu sein“

Martina:
brimborium bavaria„Die ersten gemeinsamen Lieder sind 2019 entstanden. Ich texte und Peter macht die Musik dazu. Weil ich meistens mehr Texte schreibe, als wir dann vertonen, gibt es auch viele Gedichte, die ich gern auf Konzerten zwischendrin vortrage. Das sind halt wir. Ich bin überzeugt davon, dass man seine Sache lieben muss, um gut darin zu sein. Peter und ich sind lange zusammen, machen beide und auch gemeinsam Musik und trotzdem hat jeder sein eigenes Ding. Oft denken die Leute, wir seien Geschwister. Wir streiten tatsächlich nie, auch wenn wir nicht einer Meinung sind. Dafür sprechen wir ganz viel miteinander – wir reden wirklich alles aus und ticken sehr ähnlich. Wir joggen sogar gemeinsam. Und wir schauen wenig fern, lernen lieber Italienisch, hören Musik und reden darüber.“

Auch Tochter Karolina hat die Musikliebe der Eltern mitbekommen – wie auch nicht? Von sich aus hat sie den Papa gefragt, ob er ihr E-Gitarre beibringt. Täglich spielt sie ein bisschen, nutzt Apps zum Notenlernen, macht Rhythmusübungen. Spielerisch – das ist Martina wie Peter wichtig. Sobald ein Muss daraus wird, geht die freiwillige Lust verloren, so viel ist klar.

Die beiden schauen sich wieder mit diesen Blick an, der fast zwei leuchtende Linien zwischen ihnen sichtbar macht. „Wir kommen lieber heim, als dass wir wegfahren,“ sagt Peter noch. Und mit einem bedächtigen Nicken: „Wir können uns aufeinander verlassen.“ Die Musik als starkes verbindendes Element wird stets ebenso lebendig bleiben wie ihre Beziehung selbst. Auf einmal sind da wieder neue Ideen im Kopf, eine neue Textzeile, eine kleine Melodie und schon entsteht ein neuer Song. Ein Verständnis, eine Bereicherung auf einer ganz besonderen Ebene.


Schau mal – hier waren Martina und Peter bei Linda Stadler in ihrem Lieblingsladen bei Aldersbach:

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