Olivia Klug und die Kraft des Tuns – Vom Workaholic zum Yoga
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Olivia Klug lebt mit Mann und Kindern auf einem wunderschönen Vierseithof in Litzelkirchen. Das gehört zur Gemeinde Bodenkirchen bei Binabiburg und ja, das wiederum gehört bereits zum Landkreis Landshut. Da aber die Bina in der Rott mündet, da Olivia Klug aus Eggenfelden kommt und da sie eine Frau mit bemerkenswertem Weg ist, ist sie selbstverständlich ein Rottaler Gsicht. Olivia zaudert nicht – sie macht. Und so öffnet sie mir die Tür mit einer herzlichen Umarmung, serviert Tee mit Kokosblütenzucker und wir sitzen an ihrem langen Tisch in der großzügigen Stube und reden.
„Das war ein Glücksfall“
Die Klugs leben und arbeiten auf ihrem Hof. Olivias Mann Thomas betreibt im Ost- und Südtrakt die Media Tek GmbH, ein Unternehmen, das sich auf Medientechnik spezialisiert hat. Und Olivia entwirft hier ihre Yoga-Modekollektion mit dem schönen Namen yogalivia. Außerdem findet hier „Yoga mit Olivia“ statt – ihr Kursraum im Westtrakt ist erst seit wenigen Wochen frisch renoviert. Und im großen Haupthaus, da leben und lieben sie mit ihren beiden Söhnen.
„Früher war der Hof ein Privattheater, die „Bühne links der Bina“,“ sagt Olivia . Seit 1998 lebt die Familie hier, seit 2007 nennen sie das Anwesen ihr Eigen. „Das war ein Glücksfall,“ sagt die 46-Jährige. Ein Glücksfall – wie so vieles in ihrem Leben. „Es hat sich immer alles ergeben – und ich konnte immer alles annehmen.“ Das klingt weise, das klingt offen.
Olivia weiß, woher ihre Lebenshaltung rührt: „Meine Eltern haben uns Kinder immer machen lassen. Sie hatten das Vertrauen, dass wir das schon hinkriegen.“ Zusammen mit ihren jüngeren Geschwistern – eine Schwester, drei Brüder – ist sie in Eggenfelden aufgewachsen. Als es aufs Abitur zuging, war Olivia nur selten in der Schule anzutreffen. Lieber hat sie im Il Gelato gearbeitet. „Das hat wohl nur aufgrund meiner einigermaßen guten Noten funktioniert. Ich war sogar bei der Zeugnisvergabe nicht da,“ sagt sie und lacht.
„Das war sehr viel – ich mochte das aber“
Als damals großer USA-Fan hat sie sich schon früh ihre Urlaube selbst verdient und sich an ihrer Unabhängigkeit erfreut. Und nach dem Abi? Etwa Amerikanistik studieren? Nein, das klang in Olivias Ohren zu trocken. Im Gymnasium entdeckte sie einen Aushang: „Ausbildung zur Werbekauffrau“. „Das wär doch was,“ dachte sie sich. Und so kam es, dass Olivia schon im Juli ihre Ausbildung begann, während ihre Schulkollegen sich erst mal dem süßen Nichtstun frönten.
Nach der Ausbildung ging es zackig weiter in ihrem Leben: Gleich danach machte sich die frisch gebackene Werbekauffrau selbstständig. Zusammen mit ehemaligen Kollegen, beziehungsweise ihren Ausbildern, gründete sie EBH Marketing. „Die Arbeit hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Diese Mischung aus Büroarbeit, Kreativität und Kundenbetreuung – das liegt mir einfach,“ sagt Olivia . Die Auftragslage der Agentur war von Anfang an sehr gut und füllte ihr Leben aus.
Nebenbei lernte Olivia ihren Mann kennen, reiste mit ihm um die halbe Welt und bekam 2004 und 2007 ihre beiden Söhne. Und arbeitete weiter. „Als die Kinder da waren, nur noch 25 Stunden in der Agentur – auf dem Papier,“ sagt sie. Waldkindergarten, Tagesmutter, Büro, Haushalt, Alltag, Wahnsinn. „Das war sehr viel – ich mochte das aber,“ sagt sie rückblickend. Und weil sie es mochte, bemerkte sie nicht, dass ihr der Stress langsam doch an die Substanz ging. „Auch durch die Kinder bin ich schon viel sensibler geworden,“ reflektiert sie.
„Eigentlich völlig paradox…“
„Meine Mutter hat mir immer gesagt, ich würde zu viel arbeiten,“ sagt Olivia , trinkt einen Schluck Tee und wird ein wenig still. Denn ihre Mama war es auch, die den Wendepunkt in ihrem Leben setzte. 2012 war das, als diese auf Teneriffa einen Herzinfarkt erlitt. Olivia hat wie immer perfekt funktioniert, sofort einen Flug gebucht, die Tante eingepackt, den Papa getröstet, die Geschwister zuhause auf dem Laufenden gehalten, gedolmetscht und dann den Rücktransport organisiert. „Sie ist dann in Eggenfelden verstorben und wir konnten uns noch alle von ihr verabschieden,“ sagt Olivia.
Danach gingen Arbeit und Alltag weiter und Olivia ging es schleichend immer schlechter. „Ich habe mich erstmals gefragt, was ich noch mit meiner zweiten Lebenshälfte machen möchte. Die erste war vorbei. Das wurde mir deutlich bewusst. Ich habe mir dann aber die Kernfrage gestellt: Möchte ich genauso noch mindestens 20 Jahre weitermachen oder nicht? Und das konnte ich mit einem klaren Nein beantworten.“ Olivia muss schmunzeln: „Eigentlich völlig paradox – die Arbeit hat mir ja nach wie vor gefallen, die Auftragslage war perfekt und es gab keinen Streit in der Agentur.“
Yoga: Entspannung mit Bewegung
Weil die Arbeit in der Werbung aber nicht mehr zu ihrem Leben als Person passte, stieg sie schließlich aus und verkaufte 2015 ihre Anteile. Ganz so schnell ging es aber dann doch nicht – ein paar Schubser brauchte Olivia noch. Zum Beispiel die Panikattacken, die sie völlig unvorbereitet abends auf der Couch ereilten. Ihre Neigung zur Schuppenflechte brach verstärkt durch: „Ich fühlte mich einfach nicht mehr wohl in meiner Haut.“ Ein einwöchiger Rückzug ganz alleine in der Steiermark verschaffte ihr schließlich noch einmal gründlich Zeit, über ihre Situation nachzudenken, zur Ruhe zu kommen und die Entscheidung zum Ausstieg zu fällen.
Aber Olivia wäre nicht sie selbst, hätte sie sich eine echte Auszeit gegönnt und die Beine hoch gelegt. Sie fühlte sich nicht so erschöpft, dass sie ihre Kreativität eingebüßt hätte. Und sie ließ immer mehr das Thema Yoga in ihr Leben. Freilich hatte sie schon früher mal einen Kurs besucht, aber jetzt erst gab ihr die indische Lehre, die Körper und Geist gleichermaßen mit einbezieht, das, was sie brauchte: Entspannung mit Bewegung.
yogalivia: Olivias eigenes Label
Beim Malen mit ihren Kindern an Weihnachten 2014 entstanden plötzlich Yoga-Outfits auf dem Papier: „In eineinhalb Stunden hatte ich meine erste komplette Kollektion entworfen.“ Ihr Mann ermutigte Olivia, die Zeichnungen nicht einfach ad acta zu legen. Und so geschah es, dass die Macherin erneut auf den Plan trat: Sie suchte Schnittmacher, Stoffe, Näherinnen, gründete ihr Label yogalivia. Im Sommer 2015 ging ihre erste Kollektion online.
Was Olivia anpackt, das wird was. Das zeigt ihre Erfahrung, das ist das Feedback, das sie von ihrem Umfeld erhält – das ist der rote Faden in ihrem Leben. Und yogalivia ist was geworden. Es läuft. Die Schnitte werden in Malgersdorf entwickelt, genäht werden die Stücke dort und in Vilsbiburg. Das Regionale ist ihr ebenso wichtig wie die restlose Verwertung der Stoffe: Aus den Resten der Stoffzuschnitte werden Stirnbänder und Mützen genäht. Ihre Ausgangssituation beschreibt die 46-Jährige als „finanziell safe. Das ist natürlich sehr beruhigend.“ Mindestens so beruhigend ist es auch für sie, dass auch ihr neuer Weg, der weniger von Stress und Hetze gezeichnet ist, funktioniert.
„Mama, du bist jetzt viel netter“
„Mama, du bist jetzt viel netter,“ bekam sie bald von ihrem jüngeren Sohn gesagt. Ein Satz, der ihr sehr zu Herzen ging, impliziert er doch, dass sie früher… Olivia seufzt und nickt. An der selbst gebauten Lampe baumelt ein wenig Weihnachtsdeko, im Regal ist das Bastelzeug der Buben sauber aufgeräumt, in der Küche wärmt sich ihr Mann eine Suppe auf. „Er ist einfach ein Netter,“ sagt sie über Thomas und ruft in die Küche, „Gell, du bist ein Netter!?“ Sie lacht, ihr Mann brummt. Und sie fügt hinzu: „Er ist mein Ruhepol und wir sind ein wunderbares Team.“
Und Olivia erzählt weiter vom Yoga, von „Yoga mit Olivia“, ihren eigenen Kursen. „Auf einem Yogaworkshop wurde ich angesprochen, ob ich denn Yogalehrerin sei.“ Und was macht so eine Aussage mit einer Olivia Klug? Richtig. Gerade eben hat sie ihre Yogalehrerausbildung abgeschlossen und gibt mittlerweile fleißig Unterricht. Laufend besucht sie Lehrgänge und Weiterbildungen, hat soeben einen Lehrgang namens „Yoga für Dicke“ besucht und darf sich neuerdings FeetUp®-Trainerin nennen. Mittels kleinen Hockern gelingt die Umkehrhaltung, ähnlich dem Kopfstand, leichter. Ihre sportliche Vergangenheit kommt ihr beim Yoga sehr zugute. „Ich habe lange Ballett getanzt und bin geritten. Das bringt mir viel bei meiner Arbeit, was Körperbewusstsein und Anmut betrifft,“ sagt sie.
„Yoga ist Innenschau“
Die Nachfrage ist groß. Sie gibt Einzelstunden und bietet Kurse an. Derzeit hat sie sogar drei reine Männerkurse. „Mir ist wichtig, die Kurse genderspezifisch zu trennen. So fühlen sich alle wohler,“ sagt sie. Das Männeryoga macht ihr viel Freude: „Männer können leichter über sich selbst lachen und legen weniger Wert aufs Spirituelle. Dafür jammern sie viel und können richtig wehleidig sein.“
In ihre Kurse bringt sie aus eigener Erfahrung Übungen aus Pilates und klassischer Krankengymnastik mit ein, schafft mit Musik und jahreszeitlichen Themen Atmosphäre. Der Yogaraum war einst der Saustall des Hofs. Davon ist nichts mehr spürbar. Das kleine Gewölbe mit der Granitsäule strahlt Ruhe und Geborgenheit aus, der warme Boden, das Licht und kleine Details sorgen für ein gutes Gefühl. Körper und Geist gehören halt zusammen, und: „Yoga ist Innenschau.“ Olivia legt Wert darauf, Yoga westlich zu interpretieren – nichts zu verbiegen, aber kulturell anzupassen.
Auch ihren Mann hat sie von der Qualität des Yoga überzeugt. Als er mit einem Bandscheibenvorfall flach lag, zeigte sie ihm ganz spezifische Körperübungen. „Er hat selbst gesagt, das sei das Einzige gewesen, was geholfen hat.“ Seine Begeisterung will er auch den Kollegen bei Media Tek nicht vorenthalten. Einmal in der Woche können die Mitarbeiter ins Business-Yoga zu Olivia kommen – ein Angebot, das alle gern wahrnehmen.
„Es gibt kein Scheitern – nur Erfahrungen“
„Insgesamt bin ich fast ausgebucht – und mehr will ich auch nicht,“ sagt Olivia. Mehr braucht sie auch nicht, das ist ihr heute klar. Heute weiß sie, was sie hat, weiß es zu schätzen. Ihren Mann und die Kinder, das Haus, den Hof, die Hühner, yogalivia und „Yoga mit Olivia“ – und immer genug Zeit, um auch selbst das zu leben, was sie in ihren Kursen vermitteln möchte.
Um zur Ruhe zu kommen, macht sie selbst auch Yoga und meditiert, „wenn auch nicht jeden Tag“. Sie achtet auf gesunde Ernährung, auf Familien- aber auch Paarzeiten. Eine gemeinsame Mahlzeit am Tag muss sein – und der obligatorische Espresso am Mittag mit ihrem Mann auch. Sie legt Wert auf gemeinsame Urlaube. „Auf Reisen lässt sich der Horizont sprichwörtlich erweitern. Und die Kinder sollen andere Kulturen und Menschen kennenlernen. Reisen ist Persönlichkeitsbildung.“
Olivia Klug lehnt sich zurück, trinkt ihren Tee aus. Das Wetter will heute nur trüb bleiben – umso gemütlicher ist es im Haus. „Ich hatte nie Ziele in meinem Leben, alles hat sich so ergeben. Und es hat gut funktioniert. Es gibt kein Scheitern – nur Erfahrungen““ sagt Olivia. Ihre Bilanz klingt gelassen und zufrieden. Sie steht auf, räumt die Tassen in die Küche und zieht sich ihre Gartenschuhe an. Die Hühner wollen noch gefüttert werden. Abends ist wieder Männerkurs im Gewölbe. Dazwischen macht sie noch ein wenig Marketing für ihren Mann, frischt den Onlineshop auf und verpackt ein paar Bestellungen. Sie lächelt und es ist spürbar: Olivia mag ihr Leben richtig gern.
Neues von Olivia
Vor mittlerweile vier Jahren war ich bei Olivia Klug in Litzelkirchen zu Besuch. Dort lebt und arbeitet sie – und das ist auch immer noch so. Aber es hat sich einiges getan, wie sie erzählt: „Die Nachfrage nach Yoga ist in den letzten Monaten regelrecht explodiert. Um alle Interessentinnen aufnehmen zu können, übernimmt jetzt eine befreundete Yogalehrerin, Amelie Kragleder, den nächsten Anfängerkurs.“ Nach wie vor gibt Olivia Einzelstunden sowie Gruppenkurse. „Der Bedarf nach einer Auszeit nur für sich alleine hat sich spürbar gesteigert und in den Einzelstunden kann ich natürlich viel besser auf die individuellen Bedürfnisse eingehen,“ erzählt sie und kommt gleich auf ihr weiteres Standbein zu sprechen.
„Schon seit einigen Jahren arbeite ich mit reinen ätherischen Ölen in therapeutischer Qualität. Diese wirken so wunderbar auf körperlicher und emotionaler Ebene und unterstützen das Immunsystem sowie das emotionale Gleichgewicht bemerkenswert. Die Infoabende dazu finden online sowie in Präsenz statt.“ Olivia freut sich über das positive Feedback ihrer Kund:innen und sieht auch hier ein deutlich gesteigertes Interesse, das sie sich so erklärt: „Die Leute suchen immer mehr nach natürlichen Lösungen für die Gesundheit.“
Bei ihrer Yogamodelinie yogalivia gibt es eine neue T-Shirt-Kollektion – die ausschließlich vor Ort und auf Festivals erhältlich ist. Olivia freut sich, dass in diesem Jahr endlich wieder Yoga-Festivals geplant sind – „die Menschen möchten sich einfach wieder treffen.“ Auch ihr Verlangen nach direktem Austausch ist groß: Sie ist im vergangenen Jahr 50 geworden und hat nach langem eine richtig große Party gefeiert. „Das war richtig toll. Mit DJ, einer großen Bar mit drei Barkeepern und allem Drum und Dran. Da habe ich gemerkt: Es gehört mehr gefeiert im Leben! Darum soll es nun jedes Jahr in unserem Hof ein Sommerfest geben.“