Zwischen Struktur und Kreativität: Die Querfeld Designer Anna Stadler und Michael Ulmer (1)

Man fahre querfeldein und finde Querfeld Design. So geschieht es, wenn der Besucher dem Weg hinter Mariakirchen immer bergauf nach Thalhausen folgt, sich dann für den richtigen der beiden Höfe entscheidet und in die ehemalige Werkstatt lugt, vor der schon vier pinke Stühle verraten, dass es drinnen nicht mehr nach Schmier und Maschinen duftet, sondern nach gutem Kaffee, Büchern und kreativen Gedanken und Werken.

Einmal monatlich: Der Designkiosk

Anna Stadler und Michael Ulmer sind die Gsichter zu Querfeld Design. Im Oktober 2016 hatten sie die Idee, auf Anna Stadlers Elternhof in der Werkstatt des Vaters, was zu machen. Seit Januar 2017 machen sie das nun: Sie bieten Firmen ihre Ideen an, die sich rund um Architektur, Produktdesign und den großen Gedanken um eine definierte Unternehmenskultur drehen. Sie netzwerken, befeuern den großen Kanonenofen und veranstalten einmal monatlich den Designkiosk, einen regelmäßigen Tag der offenen Tür.

Der ist nicht in erster Linie dazu gedacht, ihre feinen Produkte rund um den Arbeitsplatz zu verkaufen, sondern vielmehr dazu, die Umgebung einzuladen. Zum Kennenlernen, Kontakte knüpfen, Ratschen. Das erste Halbjahr von Querfeld Design ist gut angelaufen – so gut, dass Anna Stadler und Michael Ulmer bereits jetzt nach Mitarbeitern suchen. Entscheidend für das Paar ist dabei nicht die Qualifikation der Bewerber, sondern die Offenheit für Neues, das Interesse für Veränderung und Kreatives.

„Also haben wir selbst was unternommen“

Michael Ulmer erzählt: „Ich habe eine Schreinerlehre gemacht, danach Architektur und Innenarchitektur studiert, dazu ein wenig BWL. Danach wollte ich mich in München selbstständig machen, bin darüber aber zur Lindner Group gekommen. In der Firma war ich bis zuletzt als Bereichsvorstand tätig. Als ich Anna kennengelernt habe, war ich war ihr Chef und wir beide haben für Lindner am Tirana Business Park gearbeitet. Für mich stellte sich die Frage, ob ich mit über 40 so weitermachen wollte. Die privaten und beruflichen Veränderungen waren die richtige Entscheidung für mich.“

Anna Stadler erzählt: „Ich habe bei der Firma Lindner eine duale Ausbildung gemacht, BWL und Immobilienmanagement. Neun Jahre lang hab ich in der Firma gearbeitet, war zuletzt Geschäftsführerin des Tirana Business Parks. Nachdem sich Michael und ich entschieden haben, gab es die Frage: Was tun? Also haben wir selbst was unternommen.“

Das Büro als Wohnzimmer

Die Sonne scheint durch die geriffelten Fenster, die das Licht weicher machen. Dort und da erleuchtet eine Glühbirnenlampe die Ecken. Vorne die Sitzgruppe aus den zwei Sesseln und dem langen Sofa, dahinter der große Tisch aus zwei Eichenplatten, getrennt von weißen Balkonkästen, in denen Stifte, Notizbücher und andere Schreibutensilien auf ihren Einsatz warten. Zwei lange Reihen Messingregale trennen den Raum und bergen Schätze: Bücher über Bücher, kleine, feine Dinge für den Arbeitsplatz. Dahinter die Schreibtische der beiden, sie sitzen sich gegenüber. Hinter Anna Stadler prangt eine immens große schwarze Tafel, ein riesiger flexibler Kalender mit Post-Its. Daneben der große Kanonenofen. Und dann die Bar mit den Stapelhockern, dem Postkartenständern, den Limonaden, dem guten Kaffee, den Spirituosen.

In der großen Werkstatt herrscht Ordnung und Ruhe – und dennoch kann sich das Auge auf viele kleine Entdeckungen freuen, die bei einem einzigen Besuch nicht alle aufgespürt werden können. Struktur und Kreativität sind keine Gegenpole, die sich ausschließen, sondern ideal ergänzen, sich gegenseitig erst ermöglichen. So ist es auch mit Anna Stadler und Michael Ulmer. Sie ist diejenige, die den Überblick übers Kaufmännische behält, er derjenige, in dem der Quell der Ideen sprudelt. Sagen sie so und lachen. Schauen sich an, lassen sich erzählen.

Da sitzt ein Paar, das nicht nur zusammen arbeitet, sondern zusammenarbeitet. Ihre Blicke, ihr ganzes Miteinander ist geprägt von Wertschätzung und Respekt voreinander. Sie lassen sich ihren eigenen Rhythmus. Später kommen, später gehen, das ist Michael Ulmer. Anna Stadler steht früher auf. Sie wohnen einen Hof weiter, sehen aber beide ihr Büro auch als Wohnzimmer an, schätzen die Freiheiten der Selbstständigkeit. Sie gehen zwischendurch spazieren, dabei kommen die Ideen. Gleichzeitig ist ihnen ein strukturierter Terminplan wichtig. Ohne gute Vorausplanung können sie ihre Kunden nicht zufriedenstellen, da sind sie sich einig.

„Wir wollen auch die Region infizieren“

Michael Ulmer erzählt: „In meinem Job war ich oft unterwegs, viel im Ausland. Ich habe viel Zeit im Auto, im Zug und im Flugzeug verbracht. Wo will man leben? Das ist eine Lebensplanfrage. Für mich ist die Stadt ein eher temporärer Aufenthaltsort. Auf dem Land habe ich mehr Lebensqualität. Unsere Arbeit funktioniert nicht über den Ort, sondern übers Netzwerk. Wir arbeiten bundesweit, wollen aber auch die Region infizieren. Wir wollen Design und gute Gestalt transportieren und zeigen, dass es nicht immer teuer sein muss.“

Anna Stadler erzählt: „Unsere Hauptfelder sind Process, Product, Place. Es geht also um neue Ideen, die wir im Prozess entwickeln, um Produkte und um den Ort, die Architektur. Unsere Kunden kommen aus ganz Deutschland. Wir fahren zu ihnen, sind viel unterwegs und zwar mit dem Zug. Im Zug können wir arbeiten und nachdenken, die Anbindung von Plattling aus ist wunderbar. Aber wir versuchen auch, unsere Kunden nach Thalhausen zu bringen.“

Wie sieht die Unternehmenskultur aus?

Schnell legen die Kunden hier die Schlipse beiseite, sagt das Paar. Auf dem Land, weit weg von der Firma, ohne WLAN-Schlüssel, dafür mit dem Gasthof nebenan, den Spaziergängen und dem Querfeld Design-Büro. Da schaut das Arbeiten ganz anders aus, da geht mehr voran, da trauen sie sich dahin zu denken, wo nicht immer gleich die vermeintliche Vernunft das Sagen hat.

Meist kommen die Unternehmen auf Querfeld Design zu, weil sie ihre Büros irgendwie anders haben wollen. „Wir arbeiten am Arbeiten: Zwischen Produkt und Immobilie; Prozess, Konzept, Planung + Design.“ So ist es zu lesen auf der Homepage. Michael Ulmer ist überzeugt davon, dass Arbeitsumfeld und das eigentliche Arbeiten Hand in Hand gehen. Darum stellt er zunächst die Frage nach der Unternehmenskultur – und erntet oft Schweigen. Genau hier beginnt der Prozess, bei dem ihre Arbeit ansetzt. Und so verwundert es nicht: Die Projekte können innerhalb einer Woche abgeschlossen sein, aber auch Jahre dauern.

„An alte Hierarchiestrukturen glauben wir nicht“

Michael Ulmer erzählt: „Wir haben beide gute Netzwerke und arbeiten eng mit Unternehmen und Freelancern zusammen. An alte Hierarchiestrukturen glauben wir nicht – wir waren auch nie die klassischen Chefs. Ich finde, Fehlerkultur ist was Wichtiges. Jeder redet zwar davon, aber keiner stellt damit was an. Wir schauen uns nach einem Projekt immer an, was gut, was weniger gut gelaufen ist.“

Anna Stadler erzählt: „Für uns gibt es keine strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Wir kennen keine Wochenenden oder Feierabende. Wir leben eine Mischung und die Freiheit, das zu tun, mögen wir. Haben wir in einer Stadt Termine, gehen wir auch ins Museum oder besuchen Messen. Das inspiriert uns.“

Kein Anspruch auf Perfektion

Damit jeder in dieser Lebensweise zufrieden ist, muss die Kommunikation stimmen. Anna Stadler und Michael Ulmer kennen die Stärken und Schwächen des anderen, sie wissen: Reden ist ein Muss, Interpretationen gilt es zu eliminieren. Wer diesen Weg geht, kann nicht immer Friedefreude-Eierkuchen essen, das ist ihnen klar. Dass Reibung Hitze erzeugt, auch. Dieses Prinzip gilt nicht nur für ihre Beziehung, für ihr Zusammenarbeiten, sondern auch für den Umgang mit ihren Kunden. Offene Kommunikation ist nicht jeder gewohnt – davon profitieren aber letztlich alle. Anna Stadler und Michael Ulmer verstehen sich nicht als die Planer, die Kunden mit Ideen versorgen. Wichtig ist der gemeinsame Prozess.

Manchmal, so erzählen sie, seien die Kunden irritiert, weil sie eben nicht dem Klischee der schwarzen Rollkragenpullover entsprechen. Und weil es bei Querfeld Design eben nicht so läuft, wie es der heutige Konsument gewohnt ist. Auftrag, Ausführung, Rechnung – so geht das hier nicht. Darum haben Anna Stadler und Michael Ulmer keinen Anspruch auf Perfektion, mögen keine finale Präsentation ihrer Arbeit. Sie liefern nichts „Fertiges“ ab, besprechen sich lieber öfter mit dem Kunden, mögen mit Ideen schwanger gehen dürfen. Weil sie wissen: Wer so arbeitet, ist effizient, muss weniger über den Haufen schmeißen, erkennt an, dass Gestalt immer subjektiv ist. Sie sehen sich als Werk- und Dienstleister, nicht als die unumstößlichen Designer. Da wird auch nur am Rande erwähnt, dass Michael Ulmer heuer mit dem German Design Award ausgezeichnet wurde.

„Das Thema Mitarbeiter wird immer wichtiger“

Michael Ulmer erzählt: „Ich denke, dass sich in den kommenden Jahren in Unternehmen viel ändern wird. Noch geht’s den Leuten gut, es herrscht kein Leidensdruck. Aber das Thema Mitarbeiter treibt jetzt schon viele um. Mit unserer Arbeit nagen wir immer latent an der Unternehmenskultur der Firmen. Viele Mittelständler finden das erst mal nicht so cool. Für uns ist es aber wichtig, zu wissen, wie sich unsere Kunden selbst wahrnehmen. Vor unserer eigentlichen Arbeit findet also erst mal eine „Unternehmensberatung“ statt. Es geht schließlich darum, dass die Unternehmen ihren Mitarbeitern einen guten Arbeitsplatz bieten müssen, wenn sie in Zukunft bestehen wollen.“

Anna Stadler erzählt: „Mit unserer Arbeit erreichen wir die, die erreicht werden wollen. Wir sind transparent. Das kommt gut an – unsere Kunden bleiben uns treu. Das zeigt uns: Der Service ist wichtig. Daraus entwickeln sich Bekanntschaften, die bleiben. Und am Ende entsteht ein gutes Netzwerk.“

Der Digitalisierung analog begegnen

Bei Querfeld Design geht es nicht nur um die äußere Gestalt von Produkten und Arbeitsplätzen – es geht immer auch um die Gestalt der Arbeitswelt, ums Gesellschaftliche. Michael Ulmer und Anna Stadler haben das ihrige gesehen. Sie wissen, dass der Zahn der Zeit ständig nagt, dass Zeit Geld ist. Und trotzdem wollen sie der Digitalisierung andersrum begegnen. Mit analogen Ideen. Mit Handskizzen. Mit Freude an der Arbeit.

Das ist teurer als eine landläufige Planung – aber besser, wie Michael Ulmer sagt. Und darum ist Querfeld Design am Ende doch nicht teurer, weil’s passt. Er beklagt das regionaltypische Problem mit der Sparsamkeit und der sinkenden Lebensqualität. Beim Auto werde nicht gespart, beim Essen und beim Wohnen schon. Dabei ist eine Schreinerarbeit nicht zwingend teurer als das Spanplattendesign aus den Möbelhäusern.

Die herkömmlichen Anschauungen zu durchleuchten, was ausprobieren, Ausnahmen machen, offen bleiben, sich ergänzen – kurz: Mutig sein. Das ist das Ding von Michael Ulmer und Anna Stadler. Er kocht nochmal Kaffee, sie schenkt Wasser nach, zur offenen Werkstatttür scheint die Sonne herein, die Schwalben zwitschern.

„Ich arbeite gern mit Männern“

Anna Stadler erzählt: „Als Frau habe ich schon in meiner Ausbildung mit Klischees kämpfen müssen. In Albanien habe ich wirklich eine harte Schule durchlaufen. Gut, dass meine Wegbegleiter und Förderer mein Können immer gefördert haben. Ich bin es von daheim gewohnt, anzupacken. Und ich arbeite gern mit Männern. Ich kann Geschäfte gut abwickeln – und ich lasse mich von allem inspirieren.“

Michael Ulmer erzählt: „Anna ist tough. Die Immobilienbranche ist extrem männerdominiert. Das eigene Wollen und die Selbstmotivation sind wichtige Voraussetzungen zum Erfolg. Davon hat Anna genug. Meine Stärke ist die Kreativität. Die kommt einfach. Weil ich neugierig bin, mich für alles interessiere. Ich kann Dinge abstrahieren, Metaphern und Bilder adaptieren. Ich schreibe mir alles auf und schaue mir die Notizen nie mehr an.“

Den zweiten Teil der Querfeld-Designer lest Ihr hier.

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Querfeld.Design

Anna Stadler & Michael Ulmer

Telefon: 0175-735 35 45
Anschrift: Thalhausen 2
94424 Arnstorf

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