Alex Schander: Der Rottaler Kaffeeröster und die Philosophie der Bohnen

Wer sich Wittibreut nähert und dabei durch Friedlöd fährt, kann Glück haben und ein ganz besonderes Aroma erschnuppern. Es duftet ein wenig malzig, ein wenig herb und doch wieder süß, ein voller Duft ist das, der in die Nase steigt. Was da so duftet, ist frisch gerösteter Kaffee aus der Privatrösterei Bögl. Durch das große Fenster hindurch ist Alex Schander zu sehen, der die noch blassen Bohnen in den großen Trichter des Trommelrösters kippt. Die Tür steht offen, damit die Röstgase rauskommen können – ein Schritt hinein in den wohnzimmergroßen Raum und schon zeigt sich eine kleine Welt des Kaffees…

Alex zieht einen schmalen Schieber nach vorne und die Bohnen aus dem Trichter rutschen in die Rösttrommel. Durch eine kleine Luke sind die tanzenden Bohnen zu sehen, noch farblos, gräulich-grünlich wie kleine Kieselsteine. Der gusseiserne Röster wird mit Gas betrieben, die Trommel funktioniert wie bei einer Waschmaschine. Immer schön rundherum, bloß kein Stillstand. Nur so werden die Bohnen zu dem, was wir als Kaffee erkennen, braun und duftig. An der langen Wand stapeln sich Kaffeesäcke. In jedem verbergen sich 70 Kilogramm Bohnen. Aus der ganzen Welt kommt der Rohkaffee, wie die Aufdrucke auf dem Jutestoff verraten. Guatemala, Brasilien, Äthiopien, Indien, …

„Ich gebe der Bohne Zeit“

Ein Röstvorgang dauert etwa eine Viertelstunde. Die erste Hälfte davon tut sich scheinbar gar nichts, dann ist zu beobachten, wie die Bohne langsam Farbe annimmt. Entscheidend ist die letzte Minute,“ sagt Alex und holt mit dem Probezieher ein paar Bohnen heraus. Damit kann er kontrollieren, wie weit die Röstung vorangeschritten ist. Ganz genau schaut er sich die Bohnen an, die sich mittlerweile in der zweiten Rösthälfte befinden und auf die kritische Minute zusteuern. Alex schüttelt den Kopf, noch sind sie nicht so weit. Der Rücken der Bohne ist noch nicht so glatt und gleichmäßig, wie er sein soll. Also wieder hinein damit. Er öffnet eine kleine Luke seitlich am Röster, woraufhin ein leises Ploppen hörbar ist, ganz als ob hier Popcorn gemacht würde. „Das passiert, wenn die Bohne sich durch die Hitze ausdehnt,“ erklärt Alex. Crack nennt der Fachmann dieses Knacken – und es gibt zwei davon: „Nach dem ersten Crack folgt die Homogenisierungsphase, bei der sich die Bohne glättet. Nach dem zweiten Crack ist die Bohne schon sehr dunkel, dann muss ich gut aufpassen.“

15 Kilo Rohbohnen werden pro Vorgang verarbeitet. 15 Kilo in einer Viertelstunde. Qualität braucht Zeit. „Der Bohne wird die Zeit gegeben, die sie braucht, um ihren wahren Geschmack zu entfalten,“ sagt Alex, ohne das kleine Fenster aus den Augen zu lassen. Um seine Mundwinkel blitzt fast immer ein kleines Lächeln, ein wenig schelmenhaft und vorwitzig. „Den Bohnen, die zu Industriekaffee verarbeitet werden, geht es nicht so gut. Sie werden in bis zu zwei Minuten geröstet und danach gleich gekühlt. Das ist ein Schock. Und das wirkt sich natürlich aufs Aroma aus.“ Alex kippt Nachschub in den Trichter, damit es gleich weitergehen kann, wenn die erste Röstung fertig ist.

Vom Banker zum Kaffeeröster

Er selbst sieht sich als Profiteur vom Massenkaffee: „Ganz einfach darum, weil der Unterschied zu was wirklich Gutem auf der Hand liegt.“ Ein weiteres Mal entnimmt er mit dem Probezieher einige Bohnen, schaut sie kurz an, um festzustellen: Fertig! Mit einem Hebel öffnet er die große Klappe und die Bohnen fallen dampfend und rauschend ins Auffangsieb und dürfen dort viele Runden drehen, um sich langsam abzukühlen. Der Kaffeeduft ist jetzt schon erkennbar, aber noch nicht so aromatisch, wie man meinen könnte, ein wenig rauer, ein wenig herber duftet es. „Die Bohnen brauchen nach dem Rösten zwei bis drei Tage, um ihr volles Aroma zu entwickeln,“ erklärt Alex.

Wenn Alex über Kaffee spricht, tut er das mit einer bedächtigen Leidenschaft. Unterhaltsam reiht er Fakten aneinander, sinnlich beschreibt er sein Handwerk. Wie wird man denn eigentlich Kaffeeröster? Alex lächelt, dass sich ein Grübchen zeigt und zwischen den Augenbrauen taucht gleichzeitig eine Denkerfalte auf. 34 Jahre alt ist er nun. Vor drei Jahren hat er mit dem Rösten begonnen und arbeitete 16 Jahre lang auf der Bank, bis er kein Banker mehr sein wollte: „Wenn man fühlt, etwas anderes tut einem besser, ist es ok, Abschied zu nehmen.“

„Ich bin in die Bohne reingefallen“

Über einen Freund der Familie kam Alex in die Rösterei, hat ein paar Mal geholfen und war gleich begeistert, als die Idee aufkam, er solle die Rösterei übernehmen. „Ich bin richtig in die Bohne reingefallen,“ erzählt er und lacht. „Ich mag das Sinnliche und Sinnhafte am Kaffeerösten. Es sind einfache und doch komplexe Prozesse, das hat mich fasziniert. Und es hat für mich bis heute eine beruhigende Wirkung, die Bohnen im Sieb beim Abkühlen zu beobachten. Das ist wie vorm Feuer sitzen und in die Flammen zu schauen.“ Er mag es, mit Worten zu spielen, die Worte für sich spielen zu lassen. Er erzählt in Bildern, die beim Zuhörer sichtbar werden und eine Botschaft hinterlassen. Die Rösterei selbst gibt es schon seit 1992. Angefangen hat Thomas Bögl in der Passauer Fußgängerzone, bevor er vor 18 Jahren doch lieber aufs Land umsiedelte und in Friedlöd einen geeigneten Ort fand. „Hier stören die Röstaromen weniger, die beim Rösten entstehen,“ sagt Alex.

Aus persönlichen Gründen musste Thomas Bögl seine Rösterei aufgeben. Das gefiel einem Stammkunden nicht – und er übernahm kurzerhand selbst den Dienst am Trommelröster. Volkmar Lorenz war damals selbst schon Ruheständler und so führt Alex heute die Rösterei. „Ich habe schnell ein Gefühl dafür entwickelt,“ sagt er. Das musste er auch. Als Bestellungen anstanden und der Lehrmeister nicht da war, röstete er zum ersten Mal im Alleingang. „Das hat gut geklappt und die Kunden haben es bestätigt. Das war meine größte Angst – der gewohnten Qualität nicht gewachsen zu sein.“

Die Robusta-Bohne – ideal für eine Espresso-Mischung

Die zweite Röstung des Tages nimmt Fahrt auf, während die ersten fertigen Bohnen ihre Karussellfahrt im Sieb beenden. Alex stellt einen Behälter darunter und lässt die braunen, glatten Bohnen hineinfließen, kehrt mit einem kleinen Besen diejenigen hinterher, die nicht gleich mitwollen. Nochmal kippt Alex rohe Bohnen in den Trichter. Mit einer beschrifteten Klammer merkt er sich, welche Sorte sich gerade wo befindet, nur nicht durcheinanderkommen. Keine Bohne ist wie die andere. Da gibt es riesige Exemplare, fast haselnussgroß, Maragogype aus Nicaragua – und winzige Böhnlein, kaum größer als eine Erbse, namens Indian Robusta. Apropos, ein wenig erbsig riechen die rohen Bohnen, die aus ihrem Herkunftsland erst mit dem Schiff in den Hamburger Hafen und schließlich mit dem Lkw bis vor die Tür nach Friedlöd gereist sind.

Und was macht guten Kaffee noch aus? Klar, bei der Qualität der Bohne fängt es an. Und die muss nicht unbedingt Arabica heißen, um gut zu sein. „Aus Indien zum Beispiel kommt eine sehr gute Robusta-Bohne, die völlig zu Unrecht verschrieen ist,“ erzählt Alex. „Die Pflanze hält viel mehr aus und die Bohne macht den Espresso richtig rund – so, wie man ihn aus Italien kennt.“ Alex vertraut dem langjährigen Händler, der immer gute Qualität liefert und die Bohnen von kleinen, ihnen vertrauten Kaffeebauern bezieht. „Klar wirkt sich gute Qualität auf den Preis aus, aber eine Tasse Kaffee ist am Ende nur ein paar Cent teurer als Industriekaffee. Bewussten Genießern ist’s das wert,“ sagt Alex, während er eine Ladung Rohbohnen für den nächsten Röstvorgang abwiegt. „Und Kapselkaffee ist noch viel teurer.“

Nicht nur die gute Qualität der Bohnen, sondern auch jeder Arbeitsschritt, der mit der Hand erledigt wird, rechtfertigt den Preis. Viele Male fließen dir Kaffeebohnen durch Alex‘ Hände, bevor sie sich auf dem Weg zum Kunden machen. Beim Abfüllen unterstützt ihn seine Mama – und auch Freunde helfen gerne mit. Wichtig ist Alex, dass wenig Müll anfällt und er so umweltfreundlich wie möglich handelt, weshalb er auf Kraftpapiertüten umgestiegen ist. Er ist sich sicher, auf diesem Gebiet auch in Zukunft noch manches verbessern zu können.

Zeit, Leidenschaft und Liebe

Nach den Röstungen des Tages hat Alex Zeit, in Ruhe Kaffee zu machen. Das braucht nämlich auch Zeit, Geduld und Muße – wir reden nicht von Kaffeepads, -kapseln oder gar Instantkaffee, wir reden hier von Kaffee aus einer Siebträgermaschine, die komplett händisch funktioniert. Analoger geht es nicht. Ebenso analog ist die Kaffeemühle, die separat neben der Maschine steht. „Ein Transporter kann kein Cabrio sein. Für jede Aufgabe das richtige Gerät,“ sagt Alex, schmunzelt und füllt bedächtig Bohnen in die Mühle. „Der Mahlgrad bestimmt das Ergebnis. Der Kaffee soll gleichmäßig aus der Maschine kommen.“ Spätestens jetzt ist klar: Guter Kaffee ist nicht mal nebenbei schnell gemacht.

Auch hier bedarf es Zeit und einer gewissen Leidenschaft, die durchaus viel mit Liebe zu tun hat. Alex kann das, obwohl er sich selbst nicht als Kaffeejunkie beschreibt. Früher hat er lieber Tee getrunken, Pfefferminz und Roibusch. „Mit Bürokaffee kommt man nicht auf den Geschmack,“ sagt er und grinst. Es vergehen durchaus auch heute noch Tage, an denen er keinen Kaffee trinkt und er gehört auch nicht zu den Verfechtern, die Kaffee ausschließlich schwarz trinken. Alex mag Milch und Zucker. Gutes Wasser soll es aber schon sein: „Wasser bestimmt maßgeblich den Geschmack. Stark eisen- oder kalkhaltiges Wasser betont die Säure zu sehr.“

Leise kreischend mahlt die Mühle die davor exakt eingestellte Menge der Bohnen. Alex prüft das Kaffeemehl, nickt kritisch und füllt es in den Siebträger. Mit dem Tamper, einer Art Stempel mit Holzgriff, drückt er das Pulver an, nicht zu fest, nicht zu locker, gerade richtig. Er bringt den Siebträger an der Maschine an – jetzt ist es soweit: Das heiße Wasser darf aus dem Kaffeemehl das Beste holen. In einem feinen Rinnsal ergießt sich der Espresso in die vorgewärmten Tassen. „Das ist wichtig, sonst kühlt der Kaffee zu schnell ab und verändert sich im Geschmack,“ sagt Alex. Ganz zufrieden ist er nicht mit dem fertigen Espresso. „Zu sauer“ findet er das Ergebnis.

„Kaffee ist ein Sinngetränk“

Es sollen noch weitere fünf Versuche folgen, bis Alex den Espresso mag. „Die Kaffeezubereitung ist nicht meine Kernkompetenz,“ sagt er. „Dafür die Röstung.“ Der Espresso schaut mit einer hübschen Crema aus der Tasse und schmeckt wunderbar. Heiß ist er und üppig überfluten die Aromen die Zunge. „Und jetzt ein Milchkaffee?“ fragt Alex. Gerne doch! Während Alex Kaffeemehl mahlt, den Tamper einsetzt, den Kaffee zubereitet, die heiße Milch hinzugießt und den Schaum in die Tasse löffelt, hindert ihn die konzentrierte Arbeit nicht am Erzählen. Mit seiner ruhigen, selbstsicheren, gewinnenden Art lässt es sich gut zuhören – und genießen. Nach kurzem Nippen ist klar, dass dieser Milchkaffee keinen Zucker braucht.

Mit Menschen hat’s Alex mindestens so wie mit Kaffee. Er weiß: Die Masse ist mit seinem hochwertigen Produkt nicht erreichbar. Klar ist aber auch, dass sich immer mehr Leute für gute Qualität interessieren. Das macht Mut und das schenkt genug Zuversicht für die nahe Zukunft, in der Alex noch mehr Fuß fassen will. Wie macht er das? Mit seiner Devise, die da lautet: „Mach Dir Deine Kunden zu Deinen Freunden.“ Alex meint das wirklich so. Mit seiner offenen, freundschaftlichen Art kommt er gut an bei den Leuten. Dazu kommt der Humor und die ein oder andere Charmeoffensive, die man ihm gerne abkauft, weil sie echt ist. Das ist halt er, der Alex.

Viele Stammkunden von einst hat er übernommen, Neukunden gewinnt er laufend dazu. Das meiste Privatgeschäft läuft über den Webshop, dazu kommen die Großkunden, die in der Gastronomie und in so manchem Edeka in der Region Bögl-Kaffee anbieten. Alex ist gut unterwegs, beliefert persönlich. „Damals hat die Rösterei nicht großartig Werbung gemacht,“ sagt er. „Ich hole das jetzt nach. Noch wissen viele nicht, dass mitten im Rottal Kaffee geröstet wird.“ Social Media hilft ihm dabei. Es macht Freude, seine Posts anzuschauen und zu lesen. Sinnlich und philosophisch spricht er seine Leserschaft an, da bleibt ein persönlicher Eindruck.

Das ist es, was mich am meisten freut,“ sagt Alex. „Das direkte Feedback auf meine Arbeit.“ Das kann von Gegenüber zu Gegenüber kommen oder auch per Mail, wenn’s sein muss. „Kaffee ist ein Sinngetränk. Er schmeckt gut, es lässt sich lange darüber philosophieren – das kannte ich in meinem Beruf als Banker nicht.“ Er lächelt nachdenklich, schaut direkt. „Mit Kaffee kommen Menschen zusammen. Es ist ein Genussmittel und kein Konsummittel. Guter Kaffee kann die Basis eines guten Gesprächs sein,“ sagt Alex, nimmt seine Tasse, rührt einen schönen Löffel Zucker unter, trinkt und nickt zufrieden. Und über diesen Kaffee lässt es sich gut reden. Das tut er dann auch lange und genüsslich, während der Röster langsam abkühlt, der Kaffeeduft sich in jede Faser schmiegt, die Worte leicht im Raum hängen und es draußen dunkel zu werden beginnt.


Du bist neugierig geworden? Gerne bietet Alex Führungen in der Rösterei an. Und wer in Sachen Espressomaschine nicht weiterweiß, findet in Alex einen guten Rat- und Tatgeber. Bei Interesse einfach anrufen oder eine E-Mail schreiben. Übrigens – Alex ist immer wieder mal dabei in der Reihe „Rottaler Gsichter und DU“. Und immer wieder ist er mit seinem neuen Bus unterwegs in der Region und schenkt Kaffee aus – halte die Augen offen nach dem weiß-türkisen Ford Transit Taunus. Auch ansonsten hat Alex viele Ideen, die er in naher Zukunft umsetzen will – folge ihm auf Facebook und Instagram und halte Dich auf dem Laufenden – oder schau mal in seinen Online-Shop.

Das Rotter Gsichter Magazin
Das Rottaler Gsichter Magazin

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Hier gibt’s weitere Infos…

Privatrösterei Bögl

Alex Schander

Anschrift: Friedlöd 4
84384 Wittibreut

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