Punkrock von Private Sucker aus Arnstorf: „Mainstream fanden wir schon immer Kacke“

Auf dem Dachboden in einem unscheinbaren Einfamilienhaus irgendwo in Arnstorf rummst es, dass das Gebälk zittert. Es ist Dienstagabend, der Probentag der drei Jungs von Private Sucker. Das Dachzimmer im Elternhaus von Drummer Martin Eras dient als Bandraum und Tonstudio zugleich. Die Wände sind reich beklebt mit Poster von allerlei Bands und dezent bekleideten Frauen, die Instrumente und Mikrofonständer nehmen den Raum ein und doch findet sich auch noch Platz für ein knautschiges Kanapee.

„Mit Punkrock meine ich nicht Deutschpunk“

Martin Eras sitzt also hinter dem Schlagzeug, Manuel Lindner bedient den Bass und Thomas Kessler röhrt ins Mikrofon und spielt Gitarre. Drei Mann reichen, um Punkrock zu produzieren, da sind sie sich einig. Dass es funktionieren kann, zeigt nicht zuletzt ihr neues Album namens „Friday Night“, das am 19. Mai 2017 im Bogaloo auf der Release-Party gemeinsam mit den Peacocks und den HellabamaHonkyTonks groß gefeiert wird. Vor nicht einmal zwei Jahren hat sich die Band gefunden – und man möchte nicht glauben, dass der Grundstein dazu bei einem Schulmusical gelegt wurde. Dort sind sich Lehrer Tom und Ex-Schüler Manu zum ersten Mal begegnet.

Schnell kamen die beiden auf ihre gemeinsame Leidenschaft, den Punkrock, zu sprechen. „Und mit Punkrock meine ich eben nicht unbedingt Deutschpunk oder Greenday, sondern schon eher NOFX,“ sagt Tom. Vor 20 Jahren hat er angefangen, in Bands zu spielen, bei Private Sucker singt er zum ersten Mal. Vor 20 Jahren lagen die besten Freunde Manu und Martin noch nahezu in den Windeln. Trotzdem hat die Chemie gestimmt, Tom und Manu tauschten Nummern, spielten kurz darauf zum ersten Mal miteinander und als logischer Schluss kam Martin mit ins Boot.

„Das ist das Schöne – das Zweideutige“

Zunächst lief das gemeinsame Spielen noch als „Projekt“, ziemlich flink war den Dreien aber klar, dass sie auch als Band funktionieren würden. „Die zwei wissen, wie’s geht,“ sagt Tom mit seinen 36 Jahren über die 23- und 24-Jährigen. Die gemeinsame Basis ist es auch, warum der Altersunterschied nie eine Rolle gespielt hat. „Und ich war auch nie ihr Lehrer – das ist gewiss ein Vorteil,“ sagt Tom und lacht.

Seit Sommer 2015 finden sich die Drei regelmäßig im Bandraum wieder – nur ein Name fehlte zunächst noch. „Ich hätt’s von Anfang an cool gefunden, wenn das Wort ‚Sucker‘ drin gewesen wär,“ sagt Tom. Manu ergänzte den Namen schließlich mit „Private“. Und was soll das nun bedeuten? „Das ist ja das Schöne – das Zweideutige,“ sagt Tom und Manu und Martin nicken. „Wir wollen provokant klingen – nicht wie eine Pop-Band.“ Private Sucker – das kann nun alles heißen, wenn man „Private“ als US-milirärischen Dienstgrad liest oder als schlichtes „privat“. Tja, und „Sucker“ kann sowohl ein Lolli als auch, ach, Ihr wisst schon. Zweideutig halt.

Unterwegs im ganzen Rottal – und darüber hinaus

Erstmals unter Beweis stellte Private Sucker ihre Punkrockattitüden im Oktober 2015 – auf Toms Geburtstagsparty mit den ersten fünf Songs, live präsentiert. Den Freunden gefiel’s, die Jungs hatten Spaß an ihrem ersten Auftritt, dem 2016 immerhin 15 weitere folgen sollten. Ihre erste EP namens „Terror“ legten die Drei im Feburar 2016 vor. Aufgenommen wurden beide Platten im Bandraum. „Das haben wir auf Klick eingespielt – mit einem Metronom,“ sagt Manu. „Ich hab mich drum gekümmert. Technik interessiert mich schon immer.“ Gemischt und gemastert wurden die Platten bei Florian Ott aus Pocking.

Dass Private Sucker gleich im ersten Bandjahr so gut durchstarteten, ist vor allem der hohen Motivation der Band zu verdanken, dazu Toms guten Kontakten aus seinen alten Regensburger Zeiten. So beschallten die Drei nebst heimischen Kulturstätten wie dem Blamage, der Poststub’n in Triftern, dem JUZ Eggenfelden oder dem Pfarrkirchner Irish Pub auswärtige Lokalitäten in Burglengenfeld, Cham und Rosenheim. Heuer geht das so weiter – auf der Facebook-Seite sind alle aktuellen Termine gelistet.

„Warum soll ich fremden Scheiß spielen?“

Trotz der ansehnlichen Liste an Auftritten schaut’s mit den Finanzen eher mau aus. „Da bleibt nichts hängen,“ sagt Martin. „Wenn wir was verdienen wollten, müssten wir halt in einer Coverband spielen.“ Er selbst hat genau diese Vergangenheit hinter sich – wie so viele. Irgendwann hat er sich aber gefragt: „Warum soll ich fremden Scheiß spielen?“ Und Tom ergänzt: „Eigene Musik ist mehr wert, als wenn ein ganzes Festzelt hüpft.“

Tom selbst hüpft in letzter Zeit nicht mehr ganz so wild. Er ist erst im Februar Papa geworden. Neben seiner neuen Rolle genießt er immer noch die Zeiten als Musikmachender und auch als Lehrer. Als gebürtiger Regensburger hat ihn das Schulamt nach Arnstorf verpflanzt. Die Kombi Mathe-Physik schreckt zwar viele Schüler, ist aber in seinem Beruf gut gesucht. Er selbst schätzt sich als recht beliebt ein: „Ich war immerhin schon mal Verbindungslehrer.“

„Alles mit normalen Ramones-Riffs“

Und während so manch einer überlegt, ob es Punkrock eigentlich noch gibt, steht das für Martin und Manu außer Frage. Als gewisses Vorbild diente die Arnstorfer Band Cashless, die mit ihrem Punkrock bis nach Japan und Australien kam. „In unserer Jugend sind wir ihnen nachgefahren, zwar nicht so weit, aber immerhin ins Bogaloo. Und meine Mama war auch dabei,“ erzählt Manu und lacht ein bisschen. „Mainstream fand ich schon immer Kacke.“ Tom geht weiter ins Detail: „Bei uns hört man auch kein schnelles Skatepunk-Schlagzeug, wir spielen eher Streetpunk – und man hört auch Pop und Ska, wenn man will. Alles mit normalen Ramones-Riffs.“

Und die Texte? „Da geht’s ums Saufen und ums Rumhängen, um das Tourleben und um Tätowierungen – und auch ums Amerikanische System,“ sagt Tom. Und natürlich spielt auch das Thema Liebe eine Rolle. Manu hat die Ballade „Something Special“ geschrieben, ein Akustikstück. Ansonsten teilen sich Tom und Manu das Songschreiben und das Erfinden der Melodien. Martin hat zumeist die Rolle des Fahrers und Aufräumers inne. „Ich vertrag eh nichts,“ sagt er schmerzlos. Und der VW-Bus vor der elterlichen Garage ist auch seiner. „Bei den Gigs haben wir immer viel Gaudi,“ sagt Tom. „So viel Spaß hatte ich bisher nie in einer Band.“ Ein großes Kompliment an seine beiden jungen Kollegen. Da spielt es auch keine Rolle, wenn Manu vor den meisten Konzerten schlecht gelaunt ist. Am Ende siegt immer die Freude am Spielen.

Thomas Kessler, Tom, Gitarre, Vocals

Tom mag zwar der Bandälteste sein, wird aber von Manu und Martin nicht als Papa wahrgenommen. Er ist derjenige, der wie ein Hüne im Wald steht und damit eine gewisse Unerschütterlichkeit ausstrahlt. Das tut Martin und Manu gut, immerhin hat ein Frontmann so seine Vorteile: Bei Tom sind’s nicht nur die alten Connections, sondern auch die jahrzehntelange Banderfahrung. Tom beweist nur auf den Fotos die strenge Punkattitüde – im echten Leben kommt er als gschmatziger, absolut freundlicher Geselle daher. So wie er über Punkrock redet, redet er auch über Frau und Baby-Buben: Voller Warmherzigkeit und Begeisterung.

Manuel Lindner, Manu, Bass, Vocals

Manu wird von seinen Bandkollegen als der Wilde beschrieben. Vor den Konzerten wird er meist von übler Unlust geplagt, was sich aber spätestens dann wieder legt, wenn er seine Basssaiten zupft und ihm die Frauen zu Füßen liegen. Manu gibt sich eher wortkarg, wenn er aber was sagt, hat es Substanz – was sich nicht zuletzt an seinen Qualitäten als Songwriter zeigt. Martin ist Manus bester Spezl – der Harte und der Zarte ergänzen sich einfach prima.

 

Martin Eras, Moal, Schlagzeug

Wie sollte man Martin anders als „Sonnenschein“ bezeichnen? Es bedurfte viel Geduld und Überredungskunst, um ihm während des Fotografierens sein strahlendes, gewinnendes Lächeln ein klein wenig aus dem Gesicht zu zaubern, um zumindest ein bissl die Dunkelheit des Punkrock einzufangen, die da tief in seinem Herzen lebt. In seiner Vergangenheit hat Martin in Coverbands gespielt. Die Zeiten sind vorbei. Jetzt drischt Martin zu den eigenen Songs von Private Sucker auf sein Schlagzeug ein.

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